Hamburg. Pius Regli kam vor über 40 Jahren auf die Nordseeinsel und ist nun einer der bekanntesten Gastgeber. Auch in Hamburg machte er Station.

Pius Regli bittet zum Gespräch in sein Wohnzimmer. Das ist allerdings nicht beim ihm zu Hause, sondern das Manne Pahl in Kampen. Das weiß gestrichene Gebäude an der Hauptstraße ist eine Institution, wurde bereits 1948 gegründet, und vor 36 Jahren hat Regli das Restaurant mit der feinen deutschen Küche übernommen. Der Hausherr hat seinen Platz in der Sitzecke direkt gegenüber der Theke. Dort plaudert der 67-Jährige mit Stammgästen, und vor ihm auf dem Tisch liegt sein Reservierungsbuch. In das wird per Hand jede Bestellung eingetragen.

Beim Abendblatt-Besuch am Nachmittag herrscht reger Betrieb. Es ist Kaffeezeit, und die Gäste lassen sich den Bestseller schmecken: „Unser Pflaumenkuchen ist berühmt. Das Geheimnis ist der dünne Boden.“

Sylt: Pius Regli ist Kultgastronom der Insel

Pius Regli genießt auf der Insel Kultstatus. Er nennt sein Lokal einen „Meeting Point.“ Und meint, „die Mischung macht es.“ Denn hier kommen sie alle hin. Die Touristen, die wohlhabenden Familien, die ihre Domizile in der Nachbarschaft haben. Liverpools Trainer Jürgen Klopp, der in Kampen auch ein Haus hat, schaut gerne vorbei. Die beiden sind gut befreundet. Auch Ex-Bundestrainer Otto Rehhagel und Sänger Scooter fühlen sich in dem mit dunklem Holz vertäfelten Gastraum wohl. Selbst Hollywoodstar Nick Nolte ließ sich hier schon bewirten.

Die Spezialität des Hauses ist Wiener Schnitzel. Der Vorgänger von Regli war ein Österreicher. Er selbst ist Schweizer, stammt aus Luzern. Und schuld daran, dass Regli vor mehr als 40 Jahren auf die Insel kam, war der Kinofilm „Heißer Sand auf Sylt“. Eigentlich wollte er damals „Winnetou 3“ mit seinen Freunden sehen. „Aber da haben sie mich nicht reingelassen, ich war zu jung.“

"Ich wusste, ich möchte nach Sylt"

Pius Regli.
Pius Regli. © Privat

Pius Regli landete schließlich in einem anderen Lichtspielhaus, und da lief „Heißer Sand auf Sylt“. Aber viel Erotik war nicht im Spiel. Die Hauptrolle hatte Horst Tappert ergattert, der später als Kommissar Derrick bekannt wurde, und der hatte „die ganze Zeit einen Anzug an“, erinnert sich Regli. Für ihn stand nach der Vorstellung fest. „Man hat in dem Film viel von der Insel gesehen, und ich wusste, ich möchte nach Sylt.“ Ein paar Jahre später sollte es so weit sein. „Ich arbeitete damals in einem Hotel in Zermatt und traf auf Rolf Seiche, und der fragte mich, ob ich nach Sylt kommen möchte.“ Seiche gehörte damals das Gogärtchen an der Whiskymeile, und er war der Betreiber vom legendären Village an der Alten Dorfstraße in Kampen.

Das Village wurde 1990 geschlossen und abgerissen. Heute steht dort ein Hotel. „Das Village war damals wohl der angesagteste Laden in Deutschland. Eine Mischung aus Restaurant und Diskothek.“ Die Tür sei hart gewesen, in war, wer drin war. Hier feierten Playboy Gunter Sachs und Stahlbaron Berthold Beitz mit ihrer Entourage. Man zeigte, was man hatte. „Die Champagnerflaschen wurden nicht abgeräumt, sondern auf dem Tisch aufgereiht.“ Pius Regli fing als Kellner an, wurde aber schnell als DJ verpflichtet. Aufgelegt hatte er auch schon in der Schweiz. „Nach dem Essen um 22 Uhr habe ich die Tanzfläche mit ,Born to Be Alive‘ eröffnet, und die war nach einer Sekunde voll. Die Leute waren einfach geil aufs Tanzen.“

Kampen wird immer mehr zu einem Familiendorf

Kampen mit seiner Whiskymeile – die eigentlich Strönwai heißt – war der Treffpunkt für exzessive Partys. Das sei heute nicht mehr so. Kampen entwickele sich immer mehr zu einem Familiendorf. Aber das sei nicht schlimm, er habe sich schließlich auch verändert. Auch um die Häuser zieht Regli nur noch selten. Seine Freizeit verbringt der Wirt, der das Manne Pahl inzwischen mit seiner 38-jährigen Tochter Sarah führt, am liebsten mit seiner Freundin Anke.

Die beiden gehen gemeinsam mit dem Hund am Strand spazieren oder machen mal einen Ausflug in die Bambus-Bar in List. Und wenn es irgendwo ein spannendes Fußballspiel gibt, macht er sich auf den Weg. Am 29. Oktober geht es zu seinem Freund „Kloppo“, wenn dessen FC Liverpool ein Heimspiel gegen Leeds United hat.

Pius Regli sucht dringend Mitarbeiter

Gastronom zu sein sei für ihn kein Beruf, sondern eine Leidenschaft. „Ich kann nichts anderes und habe auch nichts gelernt.“ Mit Sorge betrachtet Regli den Personalmangel, der Restaurants und Hotels zu schaffen macht. „Ich könnte heulen, wenn ich sehe, wie ein großes Kulturgut zugrunde geht. Man sollte nicht immer nur über die Nachteile sprechen, die dieser Beruf auch mit sich bringt. Es ist geil, in der Gastronomie zu arbeiten, und auch heute noch kann man in den richtigen Läden durch das Trinkgeld gut verdienen.“ Pius Regli sucht auch Mitarbeiter, hat bereits Konsequenzen gezogen. Es gibt kein Frühstück mehr, geöffnet wird erst um 12 anstatt um 10 Uhr. Die Küche macht zwischen 15.30 und 17.30 Uhr Pause.

Nicht nur auf der Insel hat der Schweizer Gastrogeschichte geschrieben. Seine Pius Weinbars in Hamburg an der Milchstraße und Hegestraße waren beliebte Treffpunkte. Diese Läden hat Regli vor einigen Jahren geschlossen.

Sylt: Gastronom hat einen Zweitwohnsitz in Hamburg

Geblieben sind ein Lokal in Neustadt bei Hannover – das von einem ehemaligen Geschäftspartner betrieben wird – und in Keitum auf Sylt. Von diesem Standort muss er sich trennen. Ende September ist dort nach rund zwei Jahrzehnten Schluss. „Der Mietvertrag wurde uns nicht verlängert. Darüber sind wir sehr traurig.“ Eine neue Fläche suchte er nicht, will sich nun ganz auf sein Wohnzimmer konzentrieren. Und vielleicht auch mal häufiger nach Hamburg fahren. Dort hat der Gastronom in der HafenCity noch einen Zweitwohnsitz.