Heide. In Heide ist ein Werk mit 3000 Beschäftigten geplant. Der Zeitplan ist ambitioniert: Erfolgt der Baustart schon Ende kommenden Jahres?
Eine Investition von 4,5 Milliarden Euro, 3000 direkte neue Jobs im Werk und in etwa noch einmal so viele bei Zulieferbetrieben – die vom schwedischen Unternehmen Northvolt geplante Batteriefabrik in Dithmarschen übertrifft alle Ansiedlungen an der schleswig-holsteinischen Westküste der vergangenen Jahrzehnte. Jetzt hat das Vorhaben die nächsten Hürden genommen.
Die ersten Anhörungen von Anwohnern und Behörden sind abgeschlossen. Zehn Einwendungen gegen die energieintensive Produktion von Batteriezellen für E-Autos hat es gegeben: Anwohner erwarten, dass der Verkehr deutlich zunimmt, sie befürchten Lärm, Geruchsbelästigungen und Staub. Eine Planergruppe aus Itzehoe sichtet, bündelt und bewertet jetzt die Stellungnahmen.
E-Mobilität: Aus einer Koppel soll Bauland werden
Die fließen dann in die weitere Bauleitplanung und in die Änderung des Flächennutzungsplans ein. Dabei werden Umweltverbände und Betroffene erneut gehört. Wenn alles optimal läuft, ist das Verfahren Anfang 2023 beendet. Allerdings: „Klagen hätten aufschiebende Wirkung“, sagt Petra Tautorat, Fachbereichsleiterin im Amt Heider Land. Ihre Behörde ist zuständig für die Bauleitplanung. „Wir machen aus einer Koppel Bauland“, sagt sie.
Gleichzeitig verhandelt Northvolt mit Bauern über die letzten noch fehlenden Ackerflächen. „Wir sind wegen der Grundstücke in der finalen Phase der Verhandlungen. Ein Großteil des Geländes ist bereits abgesichert.“ Das sagt Nicolas Steinbacher, „Head of Strategy and Program“ bei Northvolt. Der Statthalter des schwedischen Hightech-Unternehmens in Norddeutschland treibt das Projekt strategisch und operativ voran. Wird die Bauleitplanung im ersten Quartal 2023 abgeschlossen, wäre in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres Baubeginn.
Bauprojekt wäre Schub für die Westküste
„Die Ansiedlung wäre der größte industriepolitische Erfolg für die Westküste und ganz Schleswig-Holstein seit Jahrzehnten.“ Das sagt Ministerpräsident Daniel Günther. „Wir sind stolz, dass sich ein für die deutsche Automobilindustrie strategisch wichtiges Hightech-Unternehmen für Schleswig-Holstein interessiert.“ Der CDU-Politiker spricht im Zusammenhang mit der Ansiedlung von einem enormen Schub für die Westküste.
Schleswig-Holstein hatte sich im Auswahlverfahren gegen mehrere Standorte in Europa durchgesetzt. Der Grund: Die Region sei ideal für ein Unternehmen mit dem Anspruch, die weltweit grünsten und nachhaltigsten Autobatterien herzustellen, sagte Daniel Günther im Frühjahr bei der Vorstellung des Projekts. „Gerade hier an der Westküste haben wir einen Reichtum an grünem Strom. Den können wir nun industriell vor Ort nutzen und so für unser Land Wertschöpfung erzielen“, sagte Günther.
An der Westküste steht viel grüne Energie zur Verfügung
Und dass die Ansiedlung ein weiterer wichtiger Schritt zur Energiewende und zur Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern wäre. Günthers schwarz-grüne Regierung will Schleswig-Holstein bis 2040 zum ersten klimaneutralen Bundesland entwickeln.
Dass Heide bekanntere Standorte ausgestochen hat, hat mehrere Gründe. Der erste ist, dass es auf den Äckern in der Nachbarschaft der Kreisstadt genug Platz für den Bau der Gigafabrik gibt. Dann steht zweitens an der Westküste sehr viel grüne Energie zur Verfügung, vor allem erzeugt in Windparks. „Es ist ein großer Energieinput nötig, um Batteriezellen herzustellen“, sagt Steinbacher.
Heide strategisch gut gelegen
Und diese verwendete Energie soll ausschließlich grün sein. „Wir wollen bei der Mobilitätswende keine Probleme aus der karbonisierten Welt in die neue Welt übertragen“, sagt der Northvolt-Manager. Das sei an der Westküste Schleswig-Holsteins möglich.
Was auch für Heide spricht: Die Region ist strategisch gut gelegen zwischen Skandinavien und Kontinentaleuropa. So wird daran gedacht, Vorprodukte der Batteriezellenproduktion – zum Beispiel Anoden und Kathoden – über den Nord-OstseeKanal anzuliefern. Auch wird mit dem Fehmarnbelttunnel die Fahrtzeit für Lkw und Züge zwischen Skandinavien und Schleswig-Holstein deutlich verkürzt. Nicht zuletzt hat sich die Landesregierung zuletzt zum Bau der A 20 bekannt.
„Bei diesem Gigaprojekt sind noch Fragen zu klären“
Bislang gibt es zwar Zusagen von Land und Bund, das Projekt mit mehr als 150 Millionen Euro zu fördern, und seit März auch ein „Memorandum of Understanding“ zwischen Landesregierung, Northvolt, dem Kreis Dithmarschen und den kleinen Gemeinden vor Ort – aber noch keine bindende Investitionsentscheidung. Die hat Northvolt bislang nicht endgültig getroffen. „Bei diesem Gigaprojekt sind noch Fragen zu klären“, sagt Steinbacher. Nach Abendblatt-Informationen soll es dabei unter anderem um die Kosten für die Erschließung gehen.
„Wir arbeiten sehr eng mit Politik und Behörden auf Bundes-, Landes- und regionaler Ebene zusammen. Wenn alle Beteiligten überzeugt sind, dass es so funktionieren kann, folgt der nächste Schritt. Das wäre eine bindendere Vereinbarung. Wir peilen an, dass es 2022 noch dazu kommt“, sagt der Northvolt-Statthalter. „Bei Großprojekten gibt es immer Herausforderungen, aber hier gibt es keine grundsätzlichen Hindernisse, kein No-go-Kriterium.“
Northvolt eröffnet Büro in Hamburg
In einem ersten Schritt hat Northvolt ein Büro in Hamburg eröffnet, im nächsten ist der „Aufbau von Kapazitäten in Heide“ geplant. „Aktuell arbeitet ein recht kleines Team von rund zehn Leuten für uns in Hamburg. Aber wir greifen stark auf Kollegen in Schweden zurück mittels hybridem Arbeiten“, sagt der Manager. Aktuell steht die Ansiedlung in Schleswig-Holstein im Fokus des Unternehmens. „Wir sehen Hamburg dabei als Hub, als einen Fuß in der Großstadt, um Personal zu rekrutieren, Kontakt zur Industrie aufzubauen und zu halten und Vernetzungen voranzutreiben“, sagt Steinbacher. Langfristig will Northvolt seine Europaaktivitäten ausweiten. Hamburg wird dafür als gute Basis betrachtet.
Northvolts ambitionierter Zeitplan sieht vor, mit der Produktion 2025 in Heide zu starten. „Das ist anspruchsvoll. Wir müssen sehen, wie haltbar die Zeitleisten sind angesichts von Makroherausforderungen wie der wirtschaftlichen Lage und der Ressourcenknappheit“, sagt Steinbacher. 2025 sollen die Prozesse eingefahren und optimiert, erste Zellen produziert und Material getestet werden. 2026 soll der Betrieb dann hochgefahren werden.
Industriearbeitsplätze wären echter "Game-Changer“
Die Westküste war viele Jahre lang Schleswig-Holsteins Sorgenkind. Zwar entwickelte sich der Tourismus ziemlich gut, und auch die Zahl der Windräder nahm kontinuierlich zu, aber ansonsten war es wirtschaftlich eher öde. „Strukturschwach“ heißt das dann. Und so nannte der Ditmarscher Landrat Stefan Mohrdieck die Northvolt-Pläne denn auch eine „große Chance für unsere Region“.
Und der damalige FDP-Wirtschaftsminister Bernd Buchholz freute sich im Frühjahr bei der Vorstellung des Projekts: Sollten die „hochwertigen, gut entlohnten und technologieorientierten Industriearbeitsplätze“ geschaffen werden, sei das „echter Game-Changer“ für die „strukturschwache“ Westküste. Buchholz erwartet zudem „Sogeffekte auf Partner- und Zulieferunternehmen und dadurch weitere Ansiedlungen entlang der Achse Heide-Hamburg“.
Northvolt schafft 3000 Arbeitsplätze
Damit es aber dazu kommt, sind erst einmal Infrastrukturinvestitionen in der Region nötig. „Dazu gehören eine funktionierende Verkehrsplanung wie zum Beispiel der Ausbau der Marschbahn und ein Gleisanschluss“, sagt Northvolt-Manager Steinbacher. „Die Bahnanbindung zwischen Hamburg und Heide muss deutlich besser werden. Inklusive einer besseren Taktung der Züge.“ Das sieht nicht nur das Unternehmen so, sondern auch die Politik.
So will Buchholz-Nachfolger Claus Ruhe Madsen den Streckenabschnitt zwischen Elmshorn und Itzehoe neu bauen lassen, um die Fahrtzeit zu verkürzen. Schließlich will Northvolt die 3000 Arbeitskräfte in der gesamten Metropolregion rekrutieren. Je besser die Mobilitätsangebote seien, desto leichter ist für Arbeitgeber, die nötigen Leute auch zu gewinnen, sagt Steinbacher.
BMW und VW investierten in das Projekt
Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben die Idee der Batteriezellenproduktion schon sehr früh an Investoren herangetragen. Das war 2016. „Wir haben über die Zeit Kapitalgeber gewonnen, die an unsere Idee glauben und jetzt die Expansion finanzieren“, sagt der deutsche Manager.
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Einer der frühen Geldgeber war BMW, dann kam VW als größerer strategischer Investor hinzu. Die Investmentbank Goldman Sachs legte Geld im großen Stil an, schwedische Pensionsfonds sind 2021 als institutionelle Investoren eingestiegen. „Es braucht verlässliche Investoren, die an den Wert von nachhaltigen Batterien aus Europa für Europa glauben.“
E-Mobilität: Northvolt wächst schnell
Northvolt expandiert mit hohem Tempo. Wird das schnelle Wachstum das Unternehmen nicht überfordern? „Die Europäische Kommission will von 2035 an keine neuen Verbrenner mehr zulassen. Dadurch entsteht ein großer Druck auf die Automobilhersteller, in Europa Batteriezellen zu produzieren“, sagt Steinbacher. Kleine Produktionskapazitäten rechneten sich nicht angesichts der großen Investitionen. „Sie wären nicht wettbewerbsfähig mit asiatischen Wettbewerbern“, sagt der Northvolt-Manager.