Hamburg. 3000 Jobs sollen in einer Batteriefabrik in Heide entstehen – Hamburg profitiert von Investition des schwedischen Unternehmens Northvolt

Als Tesla-Chef Elon Musk im November 2019 verkündete, man werde die erste europäische „Gigafactory“ in Grünheide (Brandenburg) nahe Berlin bauen, war so mancher in Hamburg enttäuscht. Schließlich hatte sich auch die Hansestadt, wohl nicht zuletzt wegen des Hafens, Hoffnungen auf die Ansiedlung des Elektroautowerks gemacht. Inzwischen arbeiten mehr als 4000 Menschen bei Tesla in Grünheide.

Doch für die Produktion der Schlüsselkomponente von E-Fahrzeugen, ihre Batterie, werden Hamburg und die Me­tropolregion Hamburg in den nächsten Jahren eine wichtige Rolle spielen. Denn der schwedische Batteriehersteller Northvolt wird im schleswig-holsteinischen Heide eine Fabrik mit künftig bis zu 3000 Beschäftigten bauen.

Elektromobilität im Norden – Hamburg als Logistik- und Luftfahrtsstandort geeignet

In Hamburg werden zudem – wie nun bekannt wurde – ein Deutschland-Büro sowie ein Entwicklungszentrum angesiedelt sein, das eng mit den Hochschulen und mit Start-ups zusammenwirken soll. Hamburg als Logistik- und Luftfahrtstandort sei zudem bestens geeignet, um über Einsatzmöglichkeiten der Batterien auch in Zügen, Schiffen und Luftfahrzeugen zu diskutieren, sagte Northvolt-Chef Peter Carlsson am Donnerstag im Rathaus bei der Vorstellung seiner Pläne.

Heide und Hamburg zusammen werden nach seinen Worten künftig ein „Battery Valley“ bilden. Technologisch seien die Batterien äußerst interessant: „Wir kombinieren die Kompetenzen der Materialforschung, der Chemie, der Thermodynamik und der Elektronik für unser Produkt.“

Hansestadt international attraktiv für Fachkräfte und Talente

Auf der Internetseite von Northvolt heißt es: „Wir brauchen Ingenieure. Viele Ingenieure.“ Hamburg sei international attraktiv für die benötigten Fachkräfte und Talente, so Carlsson. Wie viele Personen künftig im „Office Hamburg“ arbeiten werden, blieb offen, es könnte offenbar aber eine deutlich dreistellige Zahl werden. Schon jetzt sind in Büroräumen unmittelbar am Hafen (Vorsetzen 50) zwischen zehn und 20 Northvolt-Beschäftigte tätig. Das Unternehmen hat sich nach eigenen Angaben bereits Raum für 50 bis 60 Arbeitsplätze in dem Gebäude gesichert, darüber hinaus gebe es Erweiterungspotenzial bis zu einer Verdreifachung dieser Zahl.

Um zu erklären, wie schwierig eine Schätzung des künftigen Personalbedarfs für einen Standort wie Hamburg ist, verwies Carlsson auf das Beispiel des Northvolt-Enwicklungszentrums im schwedischen Västerås, 100 Kilometer westlich von Stockholm: „Als wir Northvolt im Jahr 2016 starteten, rechneten wir damit, dass in diesem Zentrum einmal 250 Menschen arbeiten würden. Heute sind es 800.“

Northvolt setzt sich für schnelle Zugverbindung zwischen Hamburg und Heide ein

Aus den Erfahrungen mit Västerås weiß Carlsson, dass viele der ausländischen Experten, die dort für das Unternehmen arbeiten, ihre Kinder auf internationale Schulen schicken wollen und daher in Stockholm wohnen. Entsprechend erwartet der Northvolt-Chef eine größere Zahl von Pendlern zwischen Heide und Hamburg – eine Distanz von knapp 93 Kilometern.

Carlsson setzt sich nach eigenen Worten für eine Zugverbindung mit höchstens einer Stunde Fahrzeit ein. Bisher benötigt man dafür mindestens eine Stunde und 23 Minuten. „Ich habe in verschiedenen Gesprächen den Eindruck gewonnen, dass die Zuganbindungen im westlichen Schleswig-Holstein ohnehin noch Raum für Verbesserungen haben“, so Carlsson.

In der Stadt ist kein Platz für neue Fabrik

Auf die Frage, warum Northvolt die neue Fabrik denn nicht gleich in Hamburg baue, gebe es eine einfache Antwort, sagte Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) am Donnerstag: „Wir haben nicht den Platz dafür.“ Den Planungen des Unternehmens zufolge wird der Standort auf einer Fläche von rund 150 Hektar errichtet, was 214 Fußballfeldern entspricht. Im kommenden Jahr will man mit dem Bau beginnen, Ende 2025 sollen die ersten Batteriezellen das Werk verlassen.

Bisher hat Northvolt eine Batteriezellenfabrik in Nordschweden und ein Werk in Danzig (Polen), wo Batteriemodule für die stationäre Speicherung von Energie in Stromnetzen entstehen. Aktuell arbeiten rund 3000 Menschen für das Unternehmen, monatlich kommen etwa 200 Beschäftigte hinzu.

Zuschlag für Heide wegen VW und Windstrom

Hoffnungen auf die Ansiedlung des dritten Produktionsstandorts hatten sich auch andere europäische Länder gemacht. Für Deutschland habe nicht zuletzt die Nähe zu wichtigen Kunden gesprochen, sagte Carlsson. Volkswagen und BMW sind nicht nur Abnehmer, sondern auch Anteilseigner von Northvolt, VW ist mit einer Beteiligung von 20 Prozent sogar der größte unter ihnen.

Die Batteriezellenfertigung sei außerdem sehr energieintensiv und Schleswig-Holstein verfüge über große Kapazitäten an CO-neutralem Windstrom. Darüber hinaus biete Norddeutschland eine „kulturelle Nähe“ zur skandinavischen Heimat von Northvolt, hieß es.

Zwar macht die Batterie rund 40 Prozent der Wertschöpfung eines Elek­troautos aus. Doch bisher dominieren asiatische Anbieter den Markt, Europa spielt nur eine geringe Rolle. Experten zufolge dürfte sich die Gesamtkapazität der europäischen „Gigafactories“ bis 2030 aber versechsfachen.

Northvolt hat kein Nachfrageproblem – etliche Branchen als Neukunden erwartet

Angesichts der Prognosen zum Ausbau der Elektromobilität macht sich Carlsson jedenfalls keine Sorgen über mögliche Überkapazitäten: „Wir haben kein Nachfrageproblem. Mindestens noch in zehn Jahren werden die Batterien der Engpassfaktor sein“ – zumal nach Einschätzung des Northvolt-Chefs über die Elektroautohersteller hinaus noch etliche andere Branchen als große Kunden hinzukommen werden: Energienetzbetreiber, Maschinenbauer sowie die Produzenten von Luftfahrzeugen und Schiffen.

Knapp werden dürften auch die für die Batterien benötigten Rohstoffe. Daher strebt Northvolt an, bis 2030 schon 50 Prozent des Materialbedarfs aus Recycling zu decken. Bis zu 95 Prozent des in den Batterien enthaltenen Materials könne potenziell wiederverwendet werden, heißt es von der Firma. In Heide soll daher auch ein Recyclingwerk angesiedelt werden. Kürzlich hat bereits die Hamburger Kupferhütte Aurubis beschlossen, eine Pilotanlage für das Recycling alter E-Auto-Batterien in der Hansestadt zu bauen.

Elektromobilität: der Norden fährt mit – Tesla kein Konkurrent für Northvolt

Insgesamt soll das Northvolt-Batteriezellenwerk in Heide künftig eine Produktionskapazität von 60 Gigawattstunden (GWh) pro Jahr haben – das reiche für die Versorgung von einer Million E-Autos. Zum Vergleich: Tesla peilt an, in Grünheide jährlich 500.000 Autos und Batterien mit einer Kapazität von 50 GWh zu bauen.

„Wir sehen Tesla nicht als Konkurrenten“, sagte Carlsson, „schließlich könnten wir in der Zukunft ja einer ihrer Zulieferer werden.“ Carlsson muss es wissen: Er war in den Jahren 2011 bis 2015 Einkaufschef von Tesla.