Timmendorfer Strand/Scharbeutz. Am Bahnhof Timmendorfer Strand eskalierte an einem besonders heißen Tag die Situation, wie Aufnahmen zeigen. So reagiert die Bahn.

Es wird geschubst, gedrängelt und geschrien: Das 9-Euro-Ticket treibt in diesem Sommer auch Menschen, die nur selten mit der Bahn reisen, in die ohnehin überfüllten Züge Richtung Ostseeküste. Am Bahnhof Timmendorfer Strand eskalierte die Situation nun.

Insbesondere zu den typischen An- und Abreisezeiten, vormittags oder abends, kann die Bahn die Mitreise nicht garantieren. Nicht nur Passagiere mit Fahrrädern müssen an besonders heißen Tagen mehr Zeit einplanen.

Chaos am Bahnhof Timmendorfer Strand – Polizei vor Ort

Einige Bahntouristen akzeptieren das offenbar nur widerwillig – statt auf den nächsten Zug zu warten, versuchen sie sich ihren Platz buchstäblich zu erkämpfen, wie Videoaufnahmen vom 19. Juli zeigen. Ein Facebook-Nutzer veröffentlichte die schockierenden Szenen: Eine Frau zerrt dabei eine andere Frau aus dem Zug, legt sich anschließend mit einem Mann an, der ebenfalls in den überfüllten Waggon steigen möchte. Mehrere Familien überqueren die Gleise, in der Hoffnung, noch einen Platz zu ergattern. Im Hintergrund hört man Kinder schreien.

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Die Bundespolizei griff schließlich ein: Mit drei Streifen fuhren die Beamten gegen 20 Uhr zum Bahnhof Timmendorfer Strand, bestätigte ein Sprecher auf Anfrage des Abendblatts. Vor Ort seien die Zustände, wie auch in dem Video zu sehen, "chaotisch" gewesen. "Mit Unterstützung der Landespolizei ist es uns gelungen, die Situation innerhalb von zwei Stunden in den Griff zu bekommen", so der Sprecher weiter. Dazu sei unter anderem ein Ersatzzug angefordert worden. Verletzt wurde bei dem Vorfall nach Informationen der Bundespolizei niemand.

Führt 9-Euro-Ticket zu mehr aggressiven Vorfällen an Bahnhöfen?

Nur einen Tag später, am 20. Juli, hätten sich ähnliche Szenen, ebenfalls am Bahnhof Timmendorfer Strand ereignet, berichtet der Bundespolizei-Sprecher. Einen direkten Zusammenhang mit dem 9-Euro-Ticket sieht er nicht. "Natürlich sorgt das Angebot aber dafür, dass die Bahn eher genutzt wird", so der Sprecher. Zuständig für die Sicherheit an den Bahnhöfen sei die Bahn selbst.

Auch ein Bahn-Sprecher äußerte sich zu den Vorfällen: "Dieser Tag war ja – wie auch der darauffolgende Mittwoch, der 20.7. – einer der heißesten Tage des Jahres und zahlreiche Strandbesucher kamen gleichzeitig abends zurück zum Bahnhof." Einige Züge hätten teilgeräumt werden müssen. Die Bundespolizei habe dazu mit der DB Sicherheit kooperiert.

Chaos an Ostsee-Bahnhof: "Aggressives Verhalten macht uns betroffen"

"Niemand musste am Bahnhof übernachten", kommentierte der Sprecher die Aufnahmen weiter, räumte aber auch ein: "Die Szenen aus diesem Video und das aggressive Verhalten mancher Fahrgäste machen uns betroffen. Rücksichtnahme und gegenseitiges Verständnis gehören letztlich bei einer Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln auch immer dazu – und gerade wenn es wie an Wochenenden, zu Ferienbeginn oder an Feiertagen voller in den Zügen wird, ist gegenseitige Rücksichtnahme wichtiger denn je."

Die Deutsche Bahn habe bereits auf das erhöhte Fahrgastaufkommen reagiert: 50 zusätzliche Züge der DB Regio seien seit dem 1. Juni im Einsatz. Vor allem entlang touristischer Strecken, zu denen auch der Abschnitt Lübeck - Timmendorfer Strand zählt, sei zudem mehr Personal im Einsatz. Mehr als 700 zusätzliche Service- und Sicherheitskräfte koordinierten den Ein- und Ausstieg oder unterstützten Reisende mit Gepäck oder Fahrrädern. "Das sind viermal so viele wie in einem normalen Sommer", so der Bahn-Sprecher.

Verhindern ließen sich solche Vorfälle aber grundsätzlich nicht. Auf Facebook ging das Video derweil viral – und könnte dafür sorgen, dass der ein oder andere Inhaber eines 9-Euro-Tickets doch noch aufs Auto umsteigt, um zur Küste zur reisen.

9-Euro-Ticket in Hamburg: Alle Fragen und Antworten

  • Wo kann ich das 9-Euro-Ticket kaufen? Die Tickets sind über die Apps, Fahrkartenschalter, Kundenzentren und andere Verkaufsstellen der Deutschen Bahn erhältlich. In Hamburg ist die Fahrkarte über die HVV-App, den HVV-Onlineshop, die Servicestellen, die HVV-Switch-App, an den Fahrkartenautomaten und in allen Bussen zu bekommen. Außerdem gibt es vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) auch eine eigene „9-Euro-Ticket“-App, die auf den gängigen Plattformen runtergeladen werden kann.
  • Für welchen Zeitraum gilt das Ticket? Die Tickets gelten jeweils für Juni, Juli und August – und zwar für den Kalendermonat. Nicht möglich sind Tickets für gleitende 4-Wochen-Zeiträume, also zum Beispiel von Mitte Juli bis Mitte August.
  • Wie weit kommen Hamburger mit dem 9-Euro-Ticket in Deutschland? In unserer interaktiven Karte finden Sie Ziele, die ab Hamburg mit Regionalzügen zu erreichen sind – direkt oder mit höchstens dreimal Umsteigen.
  • Welche Verkehrsmittel kann man mit dem Ticket nutzen? Prinzipiell gilt das 9-Euro-Ticket bundesweit in allen Bussen, Straßenbahnen, U-Bahnen, S-Bahnen und Zügen des Nah- und Regionalverkehrs – egal ob von der Deutschen Bahn oder anderen Anbietern. Nicht genutzt werden kann der Fernverkehr der Deutschen Bahn mit ICE, Intercity und Eurocity. Auch auf einigen Intercity-Abschnitten, auf denen Fahrgäste mit anderen Nahverkehrsfahrkarten sonst zusteigen dürfen, gilt das Ticket nicht. Diese Fernverkehrszüge werden in der Reiseauskunft neben der IC- mit einer Regionalzug-Kennzeichnung ausgewiesen. Dabei stehe der Hinweis „9-EUR-Ticket nicht gültig“. Nach Angaben der Deutschen Bahn laufen zu dem Thema regional noch Gespräche.
  • Kann man das 9-Euro-Ticket mit ICE-Tickets kombinieren? Ja. Wie die Deutsche Bahn mitteilte, kann man damit im Regionalverkehr zu dem Bahnhof fahren, an dem man in einen Fernzug umsteigt. Für die Fahrt im Fernverkehr ist dann aber immer ein separates Ticket notwendig.
  • Was ist mit Fahrrädern? Wer Fahrräder mitnehmen will, muss für diese trotz 9-Euro-Tickets meist ein paar Euro extra zahlen, zudem kann es passieren, dass die Züge so ge- oder gar überfüllt sind, dass ein Rad schlicht nicht mehr mitgenommen wird.
  • Wird trotz der günstigen Tickets weiter kontrolliert? Ja, die Verkehrsunternehmen kontrollieren eigenen Angaben zufolge wie gewohnt weiter. Wer ohne Ticket angetroffen wird, zahlt nach wie vor ein sogenanntes erhöhtes Beförderungsgeld von meist 60 Euro.
  • Warum ist das Ticket nicht gleich kostenlos? Diesen Vorschlag hat es aus den Ländern tatsächlich gegeben. Einfach auf Tickets (und die Kontrolle) zu verzichten, hätte den Aufwand deutlich gesenkt, so die Argumentation. Ein Grund dafür, dass nun doch etwas Geld verlangt wird: Die Nutzung lässt sich auf diese Weise besser analysieren. Wer nutzt auf welchen Strecken Busse und Bahnen, wenn es deutlich günstiger ist – das ist für die Verkehrsbetriebe eine spannende Frage.
  • Werden zusätzliche Züge eingesetzt? Viele Verkehrsunternehmen haben für die drei Monate Verstärkerzüge angekündigt. Die Deutsche Bahn etwa will 50 zusätzliche Züge einsetzen und das Personal verstärken. Mit den Fahrzeugen könnten 250 zusätzliche Fahrten angeboten werden, hieß es. Sie sollen vor allem entlang der Touristenstrecken in Richtung Nord- und Ostsee sowie im Süden eingesetzt werden. Doch angesichts von durchschnittlich rund 22.000 Regionalbahnfahrten jeden Tag sind Fachleute skeptisch, ob das reicht.
  • Welche Ausflüge gibt es in Hamburg und Umgebung? Das finden Sie im neuen Magazin „Ausflüge“ vom Hamburger Abendblatt. Es ist erhältlich in der Abendblatt-Geschäftsstelle am Großen Burstah 18–32 gleich hinter dem Rathaus, auf abendblatt.de/shop und im Buch- und Zeitschriftenhandel.
  • Fahrpläne ab Hamburg unter www.bahn.de, www.der-metronom.de, www.nordbahn.de, www.hvv.de, www.nah.sh, regional.bahn.de/regionen/meckpomm/fahrplan