Schleswig-Holstein. Die Täter überraschen ihre Opfer in deren Wohnungen. Die Kripo prüft Zusammenhänge – und ist entsetzt über die Brutalität.

Die Täter kommen stets in der Dunkelheit, überfallen ihre wehrlosen Opfer in der eigenen Wohnung und schlagen brutal zu. In den vergangenen Monaten hat die Polizei in Schleswig-Holstein eine deutliche Häufung von Überfallen auf alte Menschen festgestellt. Dienststellen der Kriminalpolizei arbeiten eng zusammen und tauschen untereinander Ermittlungsergebnisse aus, um die Täter zu fassen. Der vorerst letzte Fall: Zwei Männer brachen in der vergangenen Woche in Neumünster in das Haus einer 93-Jährigen ein, die sich schlafen gelegt hatte. Die Täter schlugen auf die alte Frau ein, würgten und beraubten sie.

Die Polizei versucht herauszufinden, ob für die Überfälle eine einzige Tätergruppe verantwortlich ist oder ob es sich um eine zufällige Häufung handelt. Dabei stellen die Ermittler in allen Fällen Übereinstimmungen fest. Dazu gehören besonders die Brutalität und Rücksichtslosigkeit gegenüber den betagten Opfern. Vermutlich haben die Täter in allen Fällen zuvor die Tatorte ausgekundschaftet, um zu klären, ob die älteren Menschen über Wertgegenstände verfügen und mit welchem Widerstand zu rechnen ist.

Kriminalität: 93-Jährige wurde von den Tätern gewürgt

In Neumünster drangen die Unbekannten am 21. Februar gegen 22 Uhr durch ein Fenster an der Rückseite in das Einfamilienhaus ein, in dem die 93-Jährige allein lebt. Einer der maskierten Männer hielt die Frau in ihrem Bett fest, schlug und würgte sie und forderte sie dann auf, Verstecke von Geld und Wertsachen preiszugeben. „Der zweite Täter durchsuchte das Haus nach weiteren Wertgegenständen“, sagte ein Polizeisprecher. Anschließend flüchteten die Männer mit mehreren 100 Euro und Schmuck durch das Fenster, durch das sie ins Haus eingestiegen waren. Die 93-Jährige wurde mit leichten Verletzungen stationär in einem Krankenhaus aufgenommen.

Unter den Folgen eines Überfalls in ihrem Haus leidet bis heute ein Rentnerehepaar aus Henstedt-Ulzburg, das am 10. Dezember im eigenen Haus beraubt wurde. Die mit Sturmhauben maskierten Täter drangen auch in diesem Fall durch ein rückwärtiges Fenster in den Bungalow ein, schlugen und traten den 85 Jahre alten Mann und misshandelten seine drei Jahre jüngere Frau.

Auffällige Übereinstimmungen: Täter gehen „sehr brutal“ vor

Selbst erfahrene Kriminalbeamte waren entsetzt, mit welcher Brutalität die Täter gegen die Senioren vorgingen, die ahnungslos vor dem Fernsehgerät saßen. „Das war wirklich sehr heftig“, sagte ein Beamter. Bei der Attacke erlitt der Henstedt-Ulzburger schwere innere Verletzungen und Wunden am Kopf. Die Täter flüchteten mit Schmuck und 1000 Euro Bargeld.

Ähnlich gingen die Räuber in Breiholz (Kreis Rendsburg-Eckernförde) vor. Opfer war dort eine 83-jährige Frau, die die drei maskierten Täter in den Morgenstunden des 7. September 2021 im Schlaf überraschten. Noch während der Tat gelang es ihr, zu einem Nachbarn zu flüchten, der die Polizei alarmierte. Geraubt wurden Schmuck und Bargeld.

In Stapel (Kreis Schleswig-Flensburg) kam es am 1. November 2021 zu einem weiteren Fall. Die Übereinstimmungen mit dem Raub in Henstedt-Ulzburg sind auffällig. Auch in Stapel seien die Täter „sehr brutal“ vorgegangen, heißt es bei der Polizei. Drei Männer waren gegen 21 Uhr in den abgelegenen Hof eingedrungen, überwältigten und fesselten das 78 und 80 Jahre alte Ehepaar. Danach entkamen die Täter mit mehreren 100 Euro und einem Tresor. Ihre Opfer ließen sie gefesselt zurück. „Wegen der Brutalität der Täter hat die Staatsanwaltschaft Flensburg eine Belohnung von 5000 Euro ausgesetzt“, sagt ein Polizeisprecher.

Polizei ermittelt auch wegen Überfalls in Norderstedt

Die Norderstedter Kripo, die den Fall in Henstedt-Ulzburg bearbeitet, sieht deutliche Übereinstimmungen mit dem Geschehen in Breiholz. „Wir prüfen Zusammenhänge mit dem Fall und betrachten auch den Überfall in Neumünster“, sagte Kripo-Chef Uwe Brümmer, der davon ausgeht, dass eine professionelle Bande durch den Norden zieht. „Noch haben wir aber keinen heißen Anfasser, um die Täter zu fassen“, sagte Brümmer.

Er und seine Kollegen ermitteln auch wegen eines Überfalls in Norderstedt (Kreis Segeberg). Am 4. Januar bedrohte ein bislang unbekannter Mann eine 92 Jahre alte Seniorin in ihrem Reihenhaus und zwang sie zur Herausgabe von Schmuck und Bargeld. Nach Polizeiangaben wehrte sich die Rentnerin, doch der Täter konnte das Haus mit dem Portemonnaie der Frau verlassen. Das Vorgehen des Einzeltäters stimme nicht mit dem der anderen Fälle überein, sagte Brümmer, dem mittlerweile ein Phantombild des Täters vorliegt. Es zeigt den Mann mit einer medizinischen Maske.

Fälle wecken Erinnerungen an eine Serie vor neun Jahren

Die Taten wecken bei Kripo-Beamten Erinnerungen an eine Serie von Raub­überfällen vor etwa neun Jahren, bei der die Täter ebenfalls mit massiver Gewalt gegen alte Menschen in ihren Häusern vorgegangen waren. In Oersdorf bei Kaltenkirchen (Kreis Segeberg) überfielen die Täter im August 2013 ein schlafendes Ehepaar. Weitere Tatorte waren seinerzeit Bimöhlen (Kreis Segeberg), Tangstedt (Kreis Stormarn) und Henstedt-Ulzburg. Die Ermittlungen übernahm damals zentral eine Spezialdienststelle für Serien- und Bandenkriminalität in Kiel. Die Belohnung lag bei 1500 Euro, doch die Fälle wurden nicht aufgeklärt. Schon damals äußerten Ermittler den Verdacht, dass wechselnde Mitglieder einer Bande für die Überfälle verantwortlich waren.