Westerland. Omikron breitet sich auf Sylt rasant aus. Wirte und Tourismusagentur ziehen die Reißleine. Gesundheitsamt überlastet.
Die Omikron-Variante des Coronavirus breitet sich in Norddeutschland derzeit rasant aus. Insbesondere auf Sylt schnellen die Zahlen nach oben. Das Gesundheitsamt des Kreises Nordfriesland kommt mit der Kontaktnachverfolgung nicht mehr hinterher. Zum Schutz von Mitarbeitern und Gästen schließen viele Gastronomen auf der Insel vorübergehend ihren Betrieb – von einem Urlaub auf Sylt will das Insel-Marketing trotzdem nicht abraten.
"Bisher haben wir fast jeden Betroffenen persönlich angerufen, um ihn zu informieren und oft auch viele Fragen zu beantworten. Inzwischen sind unsere täglichen Fallzahlen aber so angewachsen, dass das nicht mehr leistbar ist", sagt Nina Rahder, die den Corona-Stab des Kreises Nordfriesland leitet. Fällt ein PCR-Test positiv aus, wird der Betroffene künftig per SMS informiert und aufgerufen, sich in Quarantäne zu begeben.
Sylt: Corona belastet Gastronomie und Gesundheitsamt
Zuletzt meldete der Kreis Nordfriesland eine Inzidenz von 689,2. Als Hotspot gilt die Insel Sylt. Dort gelten derzeit 476 Bewohner als infiziert – also jeder 30. Insulaner. Die Inzidenz auf der Insel liegt bei mehr als 1500. 572 Sylter befinden sich derzeit in Quarantäne.
Trotz dieser geradezu dramatischen Zahlen bleibt Bürgermeister Nikolas Häckel (parteilos) gelassen: "Es ist alles unspektakulär, unaufgeregt und im Griff." Zudem teilt der Verwaltungschef auf Abendblatt-Anfrage mit, dass ihn die aktuelle Lage nach der Weihnachts- und Silvesterzeit mit den vielen Gästen nicht überrasche. "Da wir nun in der Nachsaison sind, in der traditionell viele Betriebe geschlossen sind, macht sich die Lage aktuell kaum bemerkbar", sagt Häckel. Zudem sei auch die kritische Infrastruktur nicht beeinträchtigt. Derzeit haben laut Sylt Marketing "mehr als 20 Sylter Gastronomie- und Hotelbetriebe" ihren Betrieb vorläufig eingestellt – wie viele Schließungen auf Corona-Ausfälle zurückgehen und wie viele der Winterpause nach dem Jahreswechsel geschuldet sind, wurde nicht erläutert.
Weniger entspannt sehen offenbar die Gastronomen selbst die Situation auf Sylt. "Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht, aber da die 'Lage' auf unserer schönen Insel in unseren Augen leider gerade unaufhaltsame Ausmaße annimmt, werden wir ab morgen, 03.01.2022, vorzeitig in unsere Betriebsferien gehen!" – mit diesen Worten verkündet der Betreiber des „Tobis Hüs“ in Westerland die Schließung seines Lokals vor einer Woche und begründet seine Entscheidung unter anderem damit, zum Schutz der Gäste und der Mitarbeiter auf Nummer Sicher gehen zu wollen.
Gastronomen auf Sylt schließen "zum Schutz" ihre Betriebe
Auch Antje und Wolfgang Metz, die das Pane e Vino in Westerland betreiben, gehen früher als geplant in die Betriebsferien. "Auch wenn wir glücklicherweise von Corona nicht geplagt sind, muss auch bei uns Vernunft an erster Stelle stehen. Die Zahlen auf der Insel sind so hoch und werden wohl auch noch steigen", postet das Paar auf Facebook und fügt hinzu: "Zum Schutz für unsere Gäste und auch uns selber schließen wir deshalb die Türe ab und ziehen unsere Betriebsferien vor."
Das Kaffeehaus Mateika in Westerland verkündet, dass am 9. Januar die letzten Hotelgäste abgereist sind und das Lokal erstmal geschlossen bleibt. "Wie viele Kollegen ziehen auch wir unsere Betriebsferien aufgrund der aktuellen Coronalage sicherheitshalber vor", heißt es von den Betreibern.
Dorfkrug in Kampen auf Sylt schließt ebenfalls vorübergehend
Auch in anderen Orten auf der Insel gehen in vielen Restaurants wegen der rasant steigenden Corona-Zahlen vorübergehend die Lichter aus. Der Dorfkrug in Kampen hat seine Türen geschlossen.
Die Familie Sprengkamp, Inhaber der Kleinen Küchenkate in Keitum, verkünden auf ihrer Website, dass das Lokal geschlossen bleibt. Dort ist bei mehreren Mitarbeitern eine Corona-Infektion via PCR-Test nachgewiesen worden. Auch den Außer-Haus-Verkauf mussten die Wirte deswegen einstellen.
Sylt Marketing rät nicht von Urlaub auf der Insel ab
Nicht nur die Gastronomen ziehen nun Konsequenzen. Der Tourismus-Service teilt am Montag mit, dass bis Ende Januar alle Sportangebote, zu denen auch das Baby- und Kleinkinderschwimmen sowie die Rheumaliga-Gruppen zaählen, im Syltness Center ausfallen. „Trotz der strikten Einhaltung aller Vorsichtsmaßnahmen und intensivster Hygieneregeln sind Übertragungen momentan nicht auszuschließen, da eine Infektion nicht immer sofort erkennbar ist. Um weitere Infektionen zu vermeiden ist besondere Vorsicht geboten. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden bis Ende Januar alle Sportkurse abzusagen.“, sagt Christine Kühn, sportliche Leitung beim Insel Sylt Tourismus-Service (ISTS).
Von einem Urlaub auf der Insel will Sylt Marketing derzeit trotzdem nicht abraten, auf Abendblatt-Anfrage heißt es, es gäbe keine nennenswerten Einschränkungen: "Ergänzend dazu wird auf der Insel eine gut ausgebaute Testinfrastruktur vorgehalten. Insofern kann unter Einhaltung der geforderten Maßnahmen ein sicherer und in dieser Jahreszeit ohnehin reduzierter Tourismus stattfinden." Dass Urlauber ihren Aufenthalt auf Sylt wegen der angespannten Corona-Lage abbrechen, sei bisher nicht bekannt.
Grund für die nahezu explodierenden Corona-Zahlen auf Sylt dürften Partys an Weihnachten gewesen sein. Ein Superspreader-Event war etwa die Feier an Heiligabend im Club "Rotes Kliff" im Kampen. Trotz der 2G-plus-Regel haben sich dort zahlreiche Gäste mit dem Coronavirus infiziert. Der Nobel-Club hat bereits am 28. Dezember die Reißleine gezogen und seine Türen geschlossen.
In Schleswig-Holstein gelten strengere Corona-Regeln
Seit dem 4. Januar gelten in Schleswig-Holstein strengere Regeln. So dürfen sich auch draußen nur maximal zehn Menschen treffen. Zudem wird die Zahl der Gäste bei Veranstaltungen begrenzt. in geschlossenen Räumen dürfen sich maximal 50 Menschen treffen. Draußen können bis zu 100 Gäste zusammenkommen. Wer in eine Diskothek möchte, braucht einen negativen PCR-Test, der nicht älter als 24 Stunden ist.
Das sind die wichtigsten neuen Regeln, gültig bis zum 18. Januar:
- Maximal 10 Personen dürfen sich draußen treffen
- Bei Veranstaltungen sind maximal 50 Personen innen und 100 draußen erlaubt
- In Diskotheken sind es maximal 50 Personen und es gilt die 2G-plus-Regel (PCR-Test)