Ostsee. Axel Kramer aus Dahme macht aus einem Spaziergang am Meer in der Dunkelheit ein kleines Abenteuer – mit sehr spannenden Geschichten.

Lange hält sich die Fackel nicht. Leider. Der Wind aus Westen ist an diesem Freitagabend zu stark und bläst das Feuer aus. Zu gefährlich ist das, und so startet Axel Kramer seine Fackelwanderung statt im Feuerschein im bunten Licht künstlicher Leuchtstäbe. Den Kindern scheint das egal zu sein. Rund 60 Erwachsene und Kinder sind gekommen, um mehr über die Ostsee in der Jungsteinzeit zu erfahren. Das ist nur ein Thema der regelmäßigen Fackelwanderungen in Grömitz und an anderen Stränden der Ostsee.

„Kinder habt ihr Lust?“ „Ja“, rufen einige im Chor. Klar, freuen sie sich darauf, mit ihren Leuchtstäben, die sie nach der Tour behalten dürfen, an der Wasserkante entlangzulaufen, und zwar im Dunkeln. Wann dürfen sie das schon? Und Axel Kramer verspricht: „Da gibt es was zu essen. Muscheln! Die könnt ihr sammeln und essen, wie vor 5000 Jahren, egal wie alt die sind. Die Frischen nehmt ihr, die Alten kriegen die Eltern. Ohne Messer und Gabel!“ Der Wind weht ganz ordentlich unten an der Wasserkante. Unten in Dunkeln liegt überall Seegras. Eine Steilvorlage für Axel Kramer: „Kinder, nehmt euch ordentlich was mit, stopft damit eure Kopfkissen damit aus. Das funktioniert.“

Ostsee: Strandspaziergang mit Fackel in der Dunkelheit

Es gibt diese Menschen, die gut erzählen können und denen schnell die Aufmerksamkeit gilt. Axel Kramer ist so einer. Der 62-Jährige aus Dahme an der Ostsee kann gut schnacken. Ein Sprücheklopfer mit Sachverstand, der aus einem Strandspaziergang ein kleines Abenteuer machen kann – für diejenigen, die sich darauf einlassen wollen.

Allerdings kann das manchmal sehr schwer sein, denn die Fackelwanderungen, zu denen sich die Teilnehmer in Grömitz nicht anmelden müssen, erleben in Zeiten der Pandemie und in Zeiten, in denen das eigene Land und die Natur vermehrt entdeckt werden, einen extremen Zulauf. „Wir haben schon immer Outdoorangebote, aber seit Corona nehmen die Leute das mehr an, wollen raus und entdecken Deutschland“, sagt Jacqueline Felsmann vom Tourismus-Service Grömitz.

Kramer, Vater von zwei erwachsenen Töchtern, kann mehr als nur Rumflachsen. „Unsere letzte Eiszeit ist erst bummelig vor 10.000 Jahren zu Ende gegangen. Der älteste Fund eines menschlichen Schädels ist der Gruber Schädel, ein paar Kilometer von hier. Vor 10.000 Jahren war hier Besiedlung, das ist der Nachweis der frühesten Geschichte Nordeuropas und das war hier bei uns!“, erzählt er und muss dann doch scherzhaft hinzufügen: „Die haben hier ja fast schon Badeurlaub gemacht. Das einzige Problem war damals, dass die Ostsee noch viel weiter hinten lag. Die Leute konnten noch nach Mecklenburg-Vorpommern gehen.“ Die Becken der Ostsee haben sich erst nach der Eiszeit gefüllt.

Thema der Wanderung: Leben in der Jungsteinzeit

„Die Menschen der Jungsteinzeit haben hier, wo wir stehen, gelebt. Und haben auch ihr Werkzeug liegen gelassen. Was wir heute hier liegenlassen, ist nicht okay“, sagt Kramer. Wer Glück hat, sagt er, finde noch Schaber aus der Steinzeit, er hat einige dabei aus seiner umfangreichen Sammlung. Geschichte zum Anfassen. Er bückt sich zu den Kindern herunter und zeigt seine Schätze. Man müsse nur die Augen aufhaben, dann gebe es so viel zu entdecken. Draußen, wo heute die Ostsee ist, schufen die Menschen in der Jungsteinzeit Hünengräber für ihre Verstorbenen. Krämer vermittelt den Kindern und Erwachsenen, welch Anstrengung das damals war, die Findlinge zu bewegen.

Es war eine Gemeinschaftsleistung. Der Steinzeitmensch war sesshaft geworden, hatte mit Ackerbau und Viehzucht begonnen. Mit den einfachen Gesetzen der Physik war das Bewegen der gigantischen Steine möglich: „Mit Seilen zogen unsere Vorfahren die Findlinge, wuchteten sie auf Baumstämme, die als Schienen und Rollen dienten. Zum Aufrichten nutzten sie Muskelkraft und Hebelwirkung“, so Kramer.

Grömitz an der Ostsee: „Es gibt keinen schöneren Platz auf der Welt“

Kinder, ältere Leute – alle sind bei solchen Thementouren im Feuerschein dabei. „Ich hatte eine Familie, die Tochter war neun, und der Vater hatte Tränen in den Augen, weil er so gern einmal eine Fackel tragen wollte. Das ist ja woanders nicht möglich. Hier haben wir eine Ausnahmegenehmigung.“ Die Leute, sagt Axel Kramer, kommen raus. „Und machen aktive Arbeit gegen Corona, stärken ihr Immunsystem. Einmal am Strand entlang, hat den gleichen Effekt wie in der Salzgrotte.“ Gibt es eigentlich einen schöneren Platz auf der Welt als hier in Grömitz um 19.30 Uhr mit dem Meer vor uns, die unendliche Weite?, fragt Axel Kramer irgendwann in die Dunkelheit. Die Antwort gibt er sich selbst: „Eigentlich nicht.“

Die Themen-Fackelwanderungen finden jeden ersten und dritten Freitag im Monat statt. „Die Ostsee und wie sie funktioniert“ ist am Freitag, 3. Dezember von 19 bis 20.30 Uhr das Thema. Treffpunkt: Strandhaus, Kurpromenade 20. in Grömitz. Ohne Anmeldung, kostenlos. www.groemitz.de/veranstaltungen

Auch in der Lübecker Bucht gibt es Fackelwanderungen nach vorheriger Anmeldung, Erwachsene zahlen fünf, Kinder zwei Euro. Am 3. Dezember und 7. Januar jeweils in Sierksdorf. In Pelzerhaken am 4. Dezember und 1. Januar jeweils 18.30 Uhr. In Scharbeutz am 10. Dezember und 14. Januar. In Rettin am 11. Dezember und 8. Januar. In Haffkrug am 17. Dezember und 21. Januar. Anmeldung unter