Hamburg. Die neue Tourismuschefin Verena Butler will das Seebad an der Ostseeküste ganzjährig noch besser vermarkten. Das sind ihre Pläne.
Ein paar Jahre ist es her, als Urlauber etwas abgekämpft vor ihr standen und ihr berichteten, sie seien zuvor in Heiligendamm in Mecklenburg-Vorpommern gewesen. Irrtümlich! Denn gebucht hatten sie ein Hotelzimmer an der Ostseeküste im schleswig-holsteinischen Heiligenhafen. „Seitdem ist viel passiert, und Heiligenhafen konnte auf der touristischen Landkarte gerade zuletzt durch den coronaforcierten Inlandsurlaub etabliert werden“, sagt Verena Butler, die neue Tourismuschefin von Heiligenhafen.
Die 38-Jährige ist in der kleinen Stadt aufgewachsen. Als sie ihr Abi in der Tasche hatte, habe es sie in die Welt hinaus gedrängt, sagt sie. Ihre erste Station war Berlin, „die kleine große Welt“, sagt Butler, wo sie im Four Seasons (heute Regent Berlin) eine Ausbildung zur Hotelfachfrau absolvierte. „Mit 19 und aus einer Kleinstadt stammend, war das schon ein extremer Wechsel.“ Viele ihrer Kollegen dort hatten ausländische Wurzeln, das Hotel sei sehr international ausgerichtet gewesen. Das habe ihren Horizont sehr erweitert.
Letztlich reichte ihr auch die Hauptstadt nicht, sondern war nur ihr Sprungbrett in die USA, wo sie in einem großen Resort im kalifornischen Palm Springs mit 500 Zimmern arbeitete. Zurück nach Deutschland ging sie, um die Hotelfachschule in Hamburg zu besuchen – und schloss als Jahrgangsbeste ab. „Damals gab es vier Klassen mit je 20 bis 25 Schülern, heute mit Glück die Hälfte, aber teilweise auch nur noch eine Klasse“, sagt Butler, die in den USA ihren Mann Bruce kennengelernt hatte und seinen Namen trägt.
Ostsee: Heiligenhafen soll ganzjährig besser vermarktet werden
Nach der Hochzeit entschied sich das Paar, in den USA zu leben. Auch ihr Mann arbeitete in derselben Branche. „Wir hatten aber in all den 19 Jahren, die ich in der Hotellerie war, nur zweimal denselben Arbeitgeber“, sagt Butler und lacht. Schließlich war es ihre familiäre Situation, die sie nach sieben Jahren dazu brachten, über eine Rückkehr nach Deutschland nachzudenken. Die soziale Absicherung in Deutschland sei dabei ein wichtiger Grund gewesen, sagt Butler, deren Kinder (6 und 8) in den USA geboren wurden.
Die Familie ihres Mannes hätte bei der Kinderbetreuung in Notfällen keine Hilfe sein können, „sie lebten alle zu weit entfernt“, sagt sie, ihre Eltern in Heiligenhafen dagegen waren bereits im Ruhestand. Just zu der Zeit wurde das Beach Motel eröffnet, und Verena Butler heuerte als stellvertretende Hoteldirektorin an. Nach Stationen als Hoteldirektorin in Hamburg (Sir Nikolai) und Neustadt in Holstein (Arborea) ist sie nun seit August 2021 Leiterin für die Bereiche Tourismus & Personalplanung bei der Heiligenhafener Verkehrsbetriebe GmbH & Co. KG, einem städtischen Tochterunternehmen. Sie trägt zudem für die gesamte GmbH Personalverantwortung – für etwa 90 Mitarbeiter.
„Ich habe immer schon gesagt, wenn ich zurückkehre in meine Heimatstadt, würde ich gern Einfluss nehmen können, ohne hundertprozentig politisch werden zu müssen“, sagt die Ostholsteinerin, „eine Funktion innezuhaben, bei der man mitbestimmen und Impulse geben kann.“ Zwischen Hotellerie und Tourismus gebe es viele Schnittstellen.
Tourismuschefin: Heiligenhafen ist aus dem Dornröschenschlaf erwacht
Empfand sie Heiligenhafen früher als Stadt im Dornröschenschlaf, so lobt sie nun das stimmige Konzept, das die Stadt und ihr Vorgänger Manfred Wohnrade im vergangenen Jahrzehnt umgesetzt haben. Heiligenhafen baute eine Erlebnis-Seebrücke mit Liegen, Spielplatz und einer Lounge, in der man auch heiraten kann. Dazu kamen moderne Hotels wie Beach Motel, Bretterbude und Meereszeiten, außerdem das moderne Ferienhausgebiet Strand Resort an der Marina und eine Promenade, auf der man kilometerlang an der Ostsee entlang spazieren kann.
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Durch diese Projekte sei viel Qualität reingekommen, ohne überkandidelt zu sein, sagt Butler. Und auch wenn es in der Stadt voll sei, sei am Strand immer noch genug Platz. Im Ferienpark sei eine andere Klientel als an der 2012 erbauten Seebrücke, auch das habe seine Berechtigung.
Trotz der Neubauten sei die Bettenzahl in dem Seebad mit etwa 8000 nicht höher als in den 1980er-Jahren, sagt die neue Tourismuschefin. Neben den 1222 Hotelbetten gibt es 6846 Betten in Ferienwohnungen, -häusern und Privatzimmern.
Butler will den Ganzjahrestourismus stärken
Die großen Leuchtturmprojekte sind also gesetzt, für Butler geht es nun darum, den Ort ganzjährig für Urlauber attraktiv zu machen. „Es wäre schön, ein Schwimmbad zu haben, um mehr Ganzjahrestourismus zu haben“, sagt sie. Doch bekanntlich wurde das kombinierte Hotel- und Thermenprojekt von der Bevölkerung mehrheitlich abgelehnt.
Eine neue Idee, die von der Politik gerade diskutiert werde, sei der Bau eines Schwimmbades beim Aktiv Hus am Binnenhafen. „Dort gibt es ein kleines Schwimmbad für die Schwimmerziehung, aber nicht zum Bahnenschwimmen. Dort könnte man ein neues Gebäude dransetzen, aber eben ohne Hotel“, sagt Butler. Betreiber könnte die Stadt selbst sein. Alternativ würde man nur den bestehenden Wellnessbereich sanieren. Man nehme die Anliegen der Einwohner ernst, und deren Akzeptanz sei entscheidend, das habe die Erfahrung gezeigt.
Klar sei aber auch, dass viele Wirtschaftsbereiche vom Tourismus profitieren, darunter der Einzelhandel, aber auch das Handwerk in der Stadt. Während früher zwischen Januar und März viele Gastgeber Betriebsferien machten, seien nun in diesen Monaten auch die Wochenenden stark nachgefragt. Nur während der Woche sei wenig los. Butler ist sicher: „Um für diese Zeit Gäste zu generieren, wäre ein Schwimmbad ideal.“
Die Pandemie hat sich auch in Heiligenhafen auf die Gästezahlen ausgewirkt. Waren es 2019 noch 884.795 Übernachtungen, so sank diese Zahl in 2020 auf 808.949. Besonders die Monate Juni bis Oktober waren im vergangenen Jahr aber noch besser als im Jahr davor. Für die Bilanz 2021 ist es noch zu früh, allerdings kamen in den Sommermonaten erneut sehr viele Gäste. Der diesjährige Sommer sei sogar besser als 2019, „weil der Inlandstourismus durch Corona boomt“, sagt Butler. Auch die durchschnittliche Aufenthaltsdauer ist leicht gestiegen auf 5,38 Tage (nach 4,59 im Jahr 2019).
Neues Mobilitätskonzept soll Leben noch angenehmer machen
Die neue Tourismusverantwortliche sieht als weitere wichtige Aufgabe an, mit einem neuen Mobilitätskonzept das Leben in dem Seebad noch angenehmer zu machen. Das käme Urlaubern wie Einwohnern zugute, sagt sie. Viele Urlauber und auch Tagesgäste kommen mit dem Auto, weil Heiligenhafen keine Bahnanbindung hat. Aber während ihres Aufenthalts, so die Idealvorstellung von Butler, sollten sich die Gäste auch ohne eigenes Fahrzeug gut fortbewegen können.
„Es gibt viel zu tun“, sagt sie. Diesbezüglich hat Heiligendamm Heiligenhafen tatsächlich etwas voraus – dort bringt die historische Schmalspurbahn Molli die Gäste von Bad Doberan ins Ostseebad. Nach Heiligenhafen muss man die letzten Kilometer mit dem Bus zurücklegen.