Neumünster. Auf der Landesvertreterversammlung der CDU Schleswig-Holstein hielt er eine besondere Rede. Daniel Günther “Bock auf Wahlkampf“.
In knapp einem Jahr wird in Schleswig-Holstein ein neuer Landtag gewählt. Natürlich kann heute noch niemand sagen, wer gewinnt und wer verliert. Klar ist aber: Der Landtag wird sich – anders als nach der Wahl in Jahr 2017 – neu organisieren müssen.
Denn zwei altgediente Strippenzieher werden nicht mehr dabei sein. Der Landtagspräsident Klaus Schlie (CDU) geht in den Ruhestand. Und Ralf Stegner, der SPD-Fraktionschef, wird, wenn alles gut geht, schon im September als Abgeordneter in den Berliner Bundestag wechseln.
Schleswig-Holstein: Macht der CDU in Wahlkreisen bröckelt
Beide, Schlie wie Stegner, stehen noch für den alten, konfrontativen Stil, den CDU und SPD im Norden lange genussvoll gepflegt hatten. Beide waren auch Innenminister, beide haben ihre Partei über Jahrzehnte hinweg geprägt. Daniel Günther (47) wäre 2017 nie CDU-Spitzenkandidat geworden, wenn Klaus Schlie (67) das nicht befürwortet hätte. Serpil Midyatli (45) wäre 2019 nie neue SPD-Parteivorsitzende geworden, wenn Ralf Stegner (61) nicht eingewilligt hätte. Doch diese Zeit geht nun zu Ende. Die Jungen kommen. Was nicht automatisch bedeutet, dass sie es besser als die Alten machen werden.
Und noch etwas ändert sich gerade. Die Macht der CDU in den Wahlkreisen beginnt zu bröckeln. Die Christdemokraten konnten sich bisher immer darauf verlassen, dass ihre Direktkandidaten die Wahlkreise gewinnen würden.
CDU-Nord – Liste erstmals paritätisch besetzt
Nur in den Städten grätschte manchmal ein SPD-Kandidat dazwischen. Die CDU-Landesliste spielte eigentlich keine Rolle. Doch nun sehen einige Wahlplattformen durchaus die Möglichkeit, dass auch die Grünen Bundestagswahlkreise direkt gewinnen könnten – etwa Robert Habeck in Flensburg. Es wäre eine Sensation im vielleicht bald nicht mehr konservativ geprägten Norden.
In solchen Zeiten wird die früher kaum mehr als pflichtgemäße Aufstellung der CDU-Landesliste zu einem ungewohnt folgenreichen Unterfangen. Am Sonnabend war es soweit. Monatelang hatten sich die Parteimitglieder zu Hause eingeigelt und die Pandemie abgewettert, nun trafen 230 quicklebendige Delegierte erstmals wieder in einem Saal aufeinander, um ein vom Parteivorstand vorbereitetes Personaltableau abzunicken – oder eben auch nicht.
13 Wahlkreise: 13 Männer und null Frauen aufgestellt
Der Vorstand um den Landeschef Daniel Günther ging damit durchaus ein gewisses Risiko ein. Denn erstmals in der Geschichte der Nord-CDU ist die Liste paritätisch besetzt – auf jeden Mann folgt eine Frau. Günther hatte zuvor für diese Vorgehensweise geworben. Sie sei ihm „Herzensangelegenheit“, sagte er. „Es geht hier nicht um Symbolpolitik wie etwa Gender-Sternchen. Die Hälfte der Macht muss von Frauen vertreten sein, daran kann es keinen Zweifel geben.“
Dies gelte übrigens auch für die Landtagswahl. Und da gibt es eine unerfreuliche Entwicklung. „Wir haben bislang in 13 Wahlkreisen 13 Männer und null Frauen aufgestellt“, so Günther. „Ich appelliere an die übrigen Kreisverbände, möglichst viele starke Frauen zu nominieren.“
Günther: Ich werde für jeden Kandidaten auf der Liste kämpfen
Geht der Wunsch in Erfüllung, dürfte die nächste CDU-Landtagsfraktion ein völlig anderes Gesicht haben. Derzeit sind von den 25 Landtagsabgeordneten nur vier weiblich.
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Bei der Bundestagswahlliste ging am Sonnabend alles glatt. Eine sehr ernst vorgetragene Mahnung von Günther reichte dazu offenbar. „Ich werde für jeden Kandidaten auf der Liste kämpfen, falls das notwendig sein sollte“, hatte er gesagt. Nein, es wurde nicht notwendig. Es gab keine Gegenkandidaten, sondern eine große Mehrheit für das Vorstandstableau.
Laschet erinneret an Günthers Sieg in Schleswig-Holstein
Vielleicht hatte das auch an Armin Laschet gelegen. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und CDU-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl zeigte zu Beginn mit einer vor Ort vorgetragenen Rede, dass mit ihm zu rechnen ist. Er erinnerte an die CDU-Wahlsiege des Jahres 2017, an Daniel Günthers Sieg in Schleswig-Holstein und an seinen in Nordrhein-Westfalen.
Damals seien zuvor die Umfragen auch schlecht gewesen, so Laschet. „Da kamen manche zu mir, die gesagt haben: ,Du brauchst jetzt irgendein Mobilisierungsthema. Rede doch zum Beispiel über den Islam.‘ Aber wir haben gesagt: Nein, das machen wir nicht. Wir bleiben bei unseren Themen: Innere Sicherheit, Bildung, wirtschaftliche Stärke.“
Die Grünen waren immer wieder Thema in Laschets Rede
Laschets Rede kurz vor der Veröffentlichung des CDU-Bundestagswahlprogramms zeigte: Auch 2021 will der Spitzenkandidat mit diesen Themen punkten. Die Wirtschaft müsse wieder anspringen, deshalb seien Steuererhöhungen „verrückt“, sagte Laschet. Die Neigung aus Pandemie-Zeiten, alles mit Verordnungen regeln zu wollen, dürfe sich jetzt nicht auf anderen Politikfeldern fortsetzen, sagte er: „Der Staat muss sich jetzt wieder zurücknehmen.“ Plan- und Genehmigungsverfahren müssten beschleunigt werden, sagte er, die Kräfte des Landes müssten „entfesselt“ werden „Wenn die Energiewende wirklich so wichtig ist, dann müssen wir sie schnell planen können.“
Vielleicht war es ein Zufall, dass Laschet formulierte, er wolle „Ökonomie und Ökologie“ miteinander verbinden. Vielleicht aber auch nicht. Es ist das Motto der Kieler „Jamaika“-Koalition aus CDU, Grünen und FDP. Die Grünen waren immer wieder Thema in Laschets Rede, die SPD war es selten, die FDP gar nicht.
In Neumünster traf Laschet den Nerv der 230 Delegierten
Der Eindruck entstand: Der Mann steuert im Bund auf einen Koalition mit den Grünen zu. Und er kümmert sich um die wichtigen Themen der Zeit, zu denen für Laschet das Gendern nicht gehört. „Ich will mich da nicht verkämpfen“, sagte er. „Aber es ist jedenfalls Quatsch zu sagen, dass man das Gendern verbieten soll.“ Hamburgs CDU-Chef Christoph Ploß hatte unlängst ein solcher Verbot gefordert. Es sollte auch ins CDU-Wahlprogramm aufgenommen werden, hatte er vorgeschlagen. Prognose: Daraus wird wohl nichts werden.
In Neumünster traf Laschet mit seinem Sound vertrauter Wahlkampfthemen jedenfalls den Nerv der 230 Delegierten. Nach der rund 35-minütigen Rede hielt der Applaus sehr lange an.
Günther: „Ich habe Bock, wieder Wahlkampf zu machen“
Vor Laschet hatte Daniel Günther die Aufwärm-Rede gehalten. „Machen sie sich mal richtig locker“, sagte er. „Es ist schön, dass wir wieder zusammen sind.“ Viele seien „ausgehungert“ nach Politik und Begegnungen. „Ich habe Bock, wieder Wahlkampf zu machen“, sagte er. „Ich werde mit ganzer Kraft dafür werben, dass wir mit Abstand stärkste Kraft werden.“
Laut einer aktuellen NDR-Umfrage könnte das bei der Landtagswahl gar nicht so einfach werden. Demnach sind 72 Prozent der Befragten mit der Arbeit des Ministerpräsidenten Günther sehr zufrieden oder zufrieden – gut für die Christdemokraten. Bei der Sonntagsfrage allerdings kommt die Partei nur auf 28 Prozent, dicht gefolgt von den Grünen mit 27 Prozent – schlecht, sehr schlecht für die Christdemokraten. Seit 1954 haben sie bei Landtagswahlen immer über 30 Prozent gelegen. In Hochphasen kamen sie sogar auf knapp über 50 Prozent.
CDU: Sonntagsfrage – Umfrage könne so nicht richtig sein
Nun also unter 30 Prozent? Bei der CDU hält man das kaum für vorstellbar. Einfachste Erklärung: Die Umfrage könne so nicht richtig sein. Sie gebe nur eine allgemeine politische Stimmung wieder, heißt es in der Partei, da spielten auch welt- und bundespolitische Ereignisse eine Rolle. Eine Mischkalkulation eben. Vor der Landtagswahl im Mai 2022 werde sicherlich eine andere Rechnung aufgemacht werden.
Klar ist, dass in dieser Rechnung auch die Bundestagswahl eine Rolle spielen wird. Gewinnt die CDU, macht Laschet anschließend eine gute Figur als erster Kanzler nach Angela Merkel? Kein Zweifel: Daniel Günther würde das im Landtagswahlkampf helfen. Und so war das Treffen in Neumünster auch die Begegnung zweier Politiker, die aufeinander angewiesen sind.