Norderstedt. CDU-Mitglieder stimmen mit deutlicher Mehrheit für den 24-Jährigen aus Norderstedt. Er könnte 2022 in den Landtag einziehen.
Als ein älteres CDU-Mitglied die Tribüne im Edmund-Plambeck-Stadion verlässt, spricht der Mann aus, was viele Anwesende wohl denken. „Das ist eine Sensation!“ Soeben hatten die Christdemokraten bei der Abstimmung über die Landtagskandidatur im Wahlkreis 27 „Norderstedt und Umland“ ihre Wechselstimmung zum Ausdruck gebracht. Und waren dann über das Ergebnis möglicherweise selbst überrascht. Denn es wird Patrick Pender sein, der 24 Jahre alte Stadtvertreter aus Norderstedt, der im nächsten Jahr um das Direktmandat kämpft. In der Stichwahl setzte er sich gegen Katja Rathje-Hoffmann, Landtagsabgeordnete seit 2009, mit 75 zu 45 Stimmen durch – im ersten Wahlgang war bereits der Norderstedter CDU-Chef Thorsten Borchers gescheitert (34 Stimmen).
Norderstedter CDU wollte Kandidaten aus der Stadt
Selbstbewusst hatte Pender, ein studierter Betriebswirt, in seiner Rede für sich geworben. „Norderstedt ist mein Zuhause, ich bin hier aufgewachsen, bin hier verwurzelt“, seine Schwerpunkte seien „Wirtschaft, Bildung, Verkehr“. Die Region sei der „zweitstärkste Wirtschaftsraum im Land“, sie könne das „Silicon Valley des Nordens sein“. Wie seine Konkurrenten hatte Pender in den letzten Monaten nicht nur in Norderstedt, sondern auch in den Dörfern des Wahlkreises (Tangstedt, Kattendorf, Kisdorf, Oersdorf, Wakendorf II, Winsen) mit vielen Parteifreunden gesprochen.
Einige hatten dem Abendblatt gegenüber im Vorfeld signalisiert, dass sie ein neues Gesicht wählen würden. „Wir brauchen frischen Wind für den Wahlkreis. Ich trete für eine Politik von Morgen an“, so schloss Pender seine Bewerbung. Und betonte: „Wir müssen einen Wahlkampf mit Leidenschaft, von Tür zu Tür, machen.“
Er bestritt nicht, Außenseiter gewesen zu sein. „Aber die Herzen standen hier für den Herausforderer. Das deutliche Ergebnis spricht für sich. Ich glaube, die Gemeinden haben den Ausschlag gegeben. Es gibt große Erwartungen an mich, und die möchte ich mit größter Kraft umsetzen.“
Dass indes gerade die Norderstedter CDU unbedingt einen Kandidaten aus der Stadt haben wollte, war kein Geheimnis. „Ich bin froh, dass es so gekommen ist. Patrick ist eine sehr gute Wahl. Das Ergebnis hatte ich so deutlich nicht erwartet“, sagte der Fraktionsvorsitzende in der Stadtvertretung, Peter Holle. Und der unterlegene Thorsten Borchers? Der Diplom-Volkswirt hatte auf langjährige Führungserfahrung im Beruf und bei der Bundeswehr verwiesen, „ich stehe für traditionelle Werte, aber nicht für ein ‘Weiter so’“, sagte er, auch die Frage nach der Kreisfreiheit Norderstedts sprach der 50-Jährige an, er wolle in Kiel für „mehr Unterstützung“ werben.
„Es war wahrscheinlich der Wunsch nach einem Generationswechsel da. Es ist Patrick Pender offenbar gelungen, seine Anhängerschaft zu mobilisieren“, konstatierte Borchers. „Auch aus den übrigen Orten. Als Ortsvorsitzender werde ich ihn unterstützen, für den Ortsverband ist es ein Erfolg.“
Landespolitische Themen spielen geringere Rolle
Katja Rathje-Hoffmann hatte ihre politische Bilanz, die drei direkt gewonnenen Mandate, angeführt. „Die Jamaika-Koalition arbeitet hervorragend“, sagte die sozialpolitische Sprecherin ihrer Landtagsfraktion. „Fast täglich bin ich mit Ministern, mit Staatssekretären zusammen“, die Entlastung von Eltern durch die Kita-Reform sei ein großes Ziel gewesen, die Abschaffung des Schulgelds in Gesundheitsberufen. Und das Norderstedter Corona-Impfzentrum, um das sie im Dezember erfolgreich gekämpft hatte. „Da hatte der Landrat erst gesagt: Ist nicht so wichtig.“ Wenige Tage später habe ihr Gesundheitsminister Heiner Garg dann zugesagt: „Katja, du bekommst dein Impfzentrum.“ Sogar Ministerpräsident Daniel Günther hatte ihr über Facebook „Viel Erfolg“ gewünscht, schrieb dort: „Wir brauchen dich und deine starke Stimme für soziale Themen im Landtag.“
Doch dass die 57-Jährige, immerhin ehemalige Ortsvorsitzende in Norderstedt, eben in Nahe lebt, war für einige Norderstedter offenkundig ein Ausschlusskriterium. „Ich bin über das Ergebnis überrascht. Ich hatte viel Zuspruch, es hat leider nicht geklappt. Aber das ist Demokratie, damit muss ich rechnen. Das Leben geht weiter, und ich bin ja noch ein Jahr Abgeordnete“, sagte Rathje-Hoffmann. Was sie allerdings ärgerte, war die unzuverlässige Technik. Das Problem hatten zwar alle Kandidaten, doch insbesondere ihre Bewerbungsrede wurde von Mikrofon-Aussetzern behindert. Das gab kein gutes Bild für die Kreis-CDU ab. „Das war nicht professionell genug, so etwas checkt man vorher durch.“
Wahlentscheidend war das jedoch nicht, vermutlich hatten die meisten CDU-Mitglieder ihre Präferenz schon vorher festgelegt. Wie unerwartet das Ergebnis war, darauf ließ die kurze Abschlussrede des Kreisvorsitzenden Gero Storjohann deuten. Der machte aus seiner Unterstützung für die aktuelle Landtagsabgeordnete keinen Hehl. „Ich bedaure, dass hier eine andere Entscheidung getroffen wurde“, sagte er zum Schluss der Versammlung. „Wir brauchen jetzt ein, zwei Wochen, um das Ergebnis zu verarbeiten und Kraft zu schöpfen. Das wird wichtig, um den Wahlkreis wieder zu gewinnen.“