Kiel. Minister spricht von Versorgungsengpässen. Impfzentren werden 2020 nicht mehr in Betrieb gehen. 602 neue Fälle in Schleswig-Holstein.

In den Kreisen Stormarn und Pinneberg spitzt sich die Corona-Lage zu. „In den Kliniken gibt es erste Versorgungsengpässe“, sagte Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) am Donnerstag im Sozialausschuss des Landtages. Die beiden Stormarner Krankenhäuser in Bad Oldesloe und Reinbek, die für die Notfallversorgung zuständig seien, hätten sich „schon mehrfach“ wegen Überlastung aus dieser Notfallversorgung abmelden müssen.

Schleswig-Holsteien: Sieben-Tage-Inzidenz innerhalb einer Woche fast verdoppelt

Garg sagte, er habe wegen dieser Engpässe bereits mit Hamburgs Gesundheitssenatorin Melanie Leonhard (SPD) telefoniert. Über den konkreten Inhalt und das Ergebnis des Gesprächs war allerdings zunächst nichts zu erfahren. Im nördlichsten Bundesland steigt die Zahl der Neuinfektionen stark an.

Die Sieben-Tage-Inzidenz hat sich innerhalb einer Woche nahezu verdoppelt: von 58,5 am Mittwoch vergangener Woche auf 92,1 an diesem Mittwoch. Vergangene Woche lagen noch sechs der 15 Kreise und kreisfreien Städte unter der 50er-Marke, fünf davon sogar unter der 35er-Marke. Nun sind es laut Robert-Koch-Institut nur noch zwei Kreise. In Schleswig-Holstein wurden am Donnerstagabend 602 neue Fälle innerhalb eines Tages gemeldet (14 Prozent mehr als am Donnerstag vor einer Woche).

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Zuerst werden Menschen im Alter ab 80 Jahren geimpft

Die Impfzentren des Landes werden vermutlich in diesem Jahr nicht mehr in Betrieb gehen. Ursache: Der Biontech-Impfstoff, der in den kommenden Tagen zugelassen werden soll, wird zunächst nur in geringer Menge ausgeliefert werden können. Garg sagte, man werde zwar voraussichtlich am 26. Dezember Impfstoff bekommen und am 27. Dezember mit dem Injizieren beginnen können, aber wohl zunächst nur „einige Tausend Dosen“ erhalten. Weil der Stoff pro Person zweimal verimpft werden müsse und man nicht wisse, wann es weitere Lieferungen gebe, müsse man von dieser ersten Lieferung Dosen zurückhalten. Nur so könne man garantieren, dass die zweite Impfung zum richtigen Zeitpunkt erfolgen könne. Zudem gibt es eine bundesweite Priorisierung – also eine Reihenfolge, die bestimmt, wer den Corona-Schutz zuerst bekommt.

Ganz vorn dran sind diejenigen, die besonders gefährdet sind, weil bei ihnen eine Corona-Infektion rasch zum Tod führen kann: Menschen, die 80 Jahre und älter sind. Sie sollen von mobilen Teams geimpft werden – also nicht in den Impfzentren. Laut Pflegestatistik des Statistikamts Nord gab es 2017 rund 39.000 Pflegebedürftige in dieser Altersgruppe. Rund 16.000 wurden ambulant versorgt, 23.000 lebten in Heimen. Sollte Schleswig-Holstein in diesem Jahr 20.000 Dosen bekommen – was nicht gesichert ist –, könnten also 10.000 Menschen geimpft werden. Das ist nur etwa ein Viertel der Menschen, für die der Impfschutz besonders wichtig wäre.

Gesundheitsamt im Kreis Pinneberg an seinen Grenzen

Das Land plant, innerhalb dieser Gruppe eine weitere Priorisierung vorzunehmen. In einer Pressemitteilung des Gesundheitsministeriums heißt es dazu: „Auch in Schleswig-Holstein sollen entsprechend der bundesweiten Vorgaben insbesondere Hochbetagte in Pflegeeinrichtungen prioritär geimpft werden, beispielsweise auch Personen mit Demenzerkrankungen, denen die Einhaltung von Schutzmaßnahmen naturgemäß schwerer fällt.“ Ferner könnten auch „die Inzidenzzahlen der Kreise/ kreisfreien Stadt in die Priorisierung einfließen, sodass Gebiete mit hoher Inzidenz Berücksichtigung finden“. Mit anderen Worten: Ein Demenzerkrankter im Alter von über 80, der in Lübeck wohnt, der Stadt mit der höchsten Inzidenz in Schleswig-Holstein, dürfte bald vor Corona geschützt werden.

Im Kreis Pinneberg wird der Impfstoff sehnlichst erwartet. Die Leiterin des Gesundheitsamts veröffentlichte am Mittwoch einen ungewöhnlichen Hilferuf: „Das Gesundheitsamt ist an seinen Grenzen, und auch in den Kliniken werden immer mehr Erkrankte stationär aufgenommen“, hieß es in einer Pressemitteilung. „Die täglichen Zahlen steigen weiter. Das bereitet ernsthaft Sorge.“