Timmendorfer Strand. Robert Wagner will Bürgermeister von Timmendorfer Strand bleiben – und den Abwahltermin verschieben lassen.

Die Plakate sind aufgestellt, die Wahlvorstände benannt, die Wahlurnen stehen bereit: Am kommenden Sonntag geht es im idyllischen Ostseebad Timmendorfer Strand um den Posten den Bürgermeisters. Wird Robert Wagner, seit 2018 im Amt, abgewählt? Die Antwort ist offen – und nun ist eine zweite, noch drängendere Frage hinzugekommen: Findet die Abstimmung überhaupt statt?

Denn Wagners Hamburger Rechtsanwalt Gerhard Strate will vor dem Verwaltungsgericht Schleswig erreichen, dass die Wahl verschoben wird. Die Gemeindevertretung habe im Rahmen des Abwahlverfahrens gegen das Sachlichkeitsgebot verstoßen, sagt Strate. Die Verwendung des Begriffs „Stallgaul“ spielt in seiner Argumentation eine zentrale Rolle. Das Verwaltungsgericht will dem Vernehmen nach noch vor dem Wahltermin entscheiden, ob es dieser Argumentation folgen kann.

Mit dem Antrag auf einstweilige Anordnung geht der Kampf ums Bürgermeisteramt in eine weitere Runde. Zwischen Wagner, einem Großteil der Gemeindevertreter und einem Teil der Einwohner ist das Tischtuch schon seit Längerem zerschnitten. Dabei wollte er ein „neues Miteinander“ schaffen – jedenfalls hatte er das nach seiner Wahl im April 2018 versprochen.

Im Wahlkampf zeigte Wagner noch Entertainer-Qualitäten

Im Wahlkampf hatte er noch Entertainer-Qualitäten gezeigt, manche fühlten sich gar an den Showmaster Thomas Gottschalk erinnert. Doch in der kleinen Verwaltung des Badeorts machte er sich rasch Gegner. Ein Jahr lang ließ sich Wagner die komplette Hauspost vorlegen – um, wie er sagt, „die Arbeitsweisen und Leistungsfähigkeit der einzelnen Beschäftigten messen zu können“. Die Krankheitsfälle nahmen zu, die Fluktuation wuchs. Und auch mit der Gemeindevertretung gab es wenig Harmonie. Die Politiker fühlten sich immer wieder schlecht informiert. Wagner wiederum beklagte, dass die Politik „gern einmal das Bürgermeisterbüro umgehen“ und sich an andere Mitarbeiter der Verwaltung wenden würde.

Der Teepavillon in Timmendorfer Strand. Er sollte, so wünschte es sich Erbauer Jürgen Hunke, für Harmonie stehen. Doch daran mangelt es derzeit.
Der Teepavillon in Timmendorfer Strand. Er sollte, so wünschte es sich Erbauer Jürgen Hunke, für Harmonie stehen. Doch daran mangelt es derzeit. © Klaus Bodig

Es war ein Zwist, der sich offenbar nicht kitten ließ. Die Gemeinvertretung versuchte am 3. Juni, ein Abwahlverfahren in Gang zu setzen. Das scheiterte an der CDU. Sie stimmte nicht mit, so wurde die erforderliche Zweidrittelmehrheit verfehlt. Danach geschah zweierlei: Wagner war monatelang krank – und eine Bürgerinitiative sammelte Stimmen für eine Abwahl. Dabei kamen genug Unterschriften zusammen. Deshalb fanden die Timmendorfer bald Wahlunterlagen im Briefkästen. Dazu gehörten auch eine Stellungnahme der Bürgerinitiative und eine der Gemeindevertretung. Beide waren im Wesentlichen gleichlautend: Man möge doch bitte für die Abwahl des Bürgermeisters stimmen.

Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot

Nur in der Stellungnahme der Gemeindevertreter war folgender Satz über Wagner zu lesen: „Er selbst bezeichnete seine Mitarbeiter öffentlich als ,Stallgäule‘.“ Der Satz bezog sich auf die Gemeindevertretersitzung am 3. Juni. Laut Protokoll hatte Wagner dort aber über die Verwaltung gesagt: „Herr Bürgermeister Wagner führte mittels einer Metapher aus, dass er bei der Amtsübernahme einen ,Stallgaul‘ übernommen hat und daraus ein ,Rennpferd‘ machen sollte.“ Von einzelnen Mitarbeitern war in der Tat nicht die Rede.

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Für Strate reicht das, um einen Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot festzustellen. „Die angebliche öffentliche Bezeichnung seiner Mitarbeiter als ,Stallgäule‘ lässt Herrn Wagner als jemand erscheinen, der sich über seine Mitarbeiter coram publico beleidigend, ja abfällig äußert“, sagt er. „Das hat er nicht getan.“ Das Gericht müsse verhindern, dass die Abstimmung über die Abwahl unter dem Einfluss einer offenkundig unwahren Stellungnahme stattfinde. Strate fordert eine Verschiebung um drei Monate und eine korrigierte Stellungnahme.

Und so kommt es, dass das Verwaltungsgericht nun unter anderem auch über ein Kuriosum entscheiden muss. Denn Bürgermeister Wagner klagt gegen „die Gemeinde Timmendorfer Strand – vertreten durch den Bürgermeister“, wie es in der Sprache der Justiz heißt. Robert Wagner könnte als „Mann, der gegen sich selbst klagte“, in die Annalen des Ostseebades eingehen.