List. Richtfest für den Lanserhof auf Sylt. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident gratuliert Mit-Investor Johannes B. Kerner am Handy.
Zugegeben, bei den 100 Millionen Euro sei es nicht ganz geblieben. Wie viel teurer der Lanserhof auf Sylt genau wird, wollte Christian Harisch nur ungefähr beziffern: „Ein bisschen mehr, nicht viel.“ Doch um Kosten sollte es an diesem Tag nicht gehen, sondern um einen Dank an die Handwerker, die aus einem Loch im Dünensand auf Sylt ein spektakuläres Wellness-Resort fertigen inklusive dem größten Reetdach der Welt, einer Wendeltreppe mit sechs Meter Umfang über fünf Stockwerke, dem ersten Sylter Tunnel und einer unterirdischen Hauptvorfahrt zur Rezeption.
„Die Dimensionen sind gewaltig, so etwas werden wir nie wieder machen. Lanserhof Sylt stellt unser Masterpiece dar“, sagte Harisch, CEO der Lanserhof-Gruppe, der von den 100 Gästen nicht nur Glückwünsche in Empfang nahm. Lists Bürgermeister übergab das Stadtwappen, Nachbarn hatten Flaggen gehisst und schenkten gerahmte Fotos der Baustelle, Mit-Investor Johannes B. Kerner reichte mal eben sein Handy an Harisch weiter: Am anderen Ende der Leitung war Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther, der dem Hausherrn alles Gute auf Sylt wünschte.
Lanserhof auf Sylt – Johannes B. Kerner holt Daniel Günther ans Handy
100 Gäste hatten sich auf der „aufwendigsten Baustelle Europas“ (Projektleiter Moritz Krogmann) versammelt und alle (einschließlich der Planer!) schienen überrascht darüber, dass diese Mammut-Konstruktion auf Sylt tatsächlich Formen annimmt. Er erlebe eine Mischung aus Demut und Stolz, so Harisch: „Ich wusste, es wird herausfordernd, doch nun stehe ich hier und denke: Wie ist das möglich?“ Durch Hartnäckigkeit, einen langen Atem bei den Verhandlungen und einen Architekten, der bereit war, trotz Naturschutz, Dünenschutz, Küstenschutz, Vogelschutz, Denkmalschutz und anderen Hürden aus einem ehemaligen Offiziersheim auf Sylt eine Luxus-Klinik zu machen.
Christoph Ingenhoven traute es sich zu, verspürte beim Richtfest aber noch keine Euphorie: „Ich bin eher vorsichtig zufrieden.“ Zu viel Weg liegt noch vor und bereits hinter ihm, den Lanserhof am Tegernsee baute Ingenhoven in 24 Monaten, hier auf Sylt verschlang allein das Genehmigungsverfahren so viel Zeit. Und dann sei das 5900 Quadratmeter große Reetdach auf dem Haupthaus ja auch erst im Werden. Eine derartige Konstruktion wie die auf Sylt habe es auf der Welt seines Wissens noch nie gegeben, erklärte der 60-Jährige, der galant jeden Schnaps umging. Würden Architekten bei jedem Richtfest trinken – nun denn.
Die Kartoffelsuppe tat es auch. Zurück zu Ingenhovens gigantischer Premiere: Das Reetdach hat keinen einzigen rechten Winkel, die geschwungenen Formen sollen sich an die Sylter Dünen anpassen. Die Zimmerleute erklärten, im Dachstuhl werden elf Kilometer Sparren verbaut, bei dem kein Sparren einem anderen gleicht. Muss man erst mal schaffen.
Und man muss in Zeiten von Corona auch erst mal 100.000 Bünde Reet nach Sylt bekommen. Ursprünglich sollte das Material aus Estland kommen, dann aus China. Als dort die Expansion mit dem Lockdown gestoppt wurde, wurde man in Kasachstan fündig. Weichheit und Formbarkeit seien ausgezeichnet, sagte Ingenhoven: „Wir arbeiten mit altem Material, machen es aber zeitgenössischer, größer und dennoch so, dass es zu Sylt passen wird.“
Lanserhof auf Sylt: Wenig Zimmer auf großer Fläche
Die Zahl der Gäste-Suiten schwankt zwischen 67 und 69, so genau wisse es niemand, sagte Dr. Jan Stritzke lachend, das hänge davon ab, wer gerade die Pläne in der Hand halte. Bei einer Grundfläche von 20.000 Quadratmetern auffallend wenig Zimmer, allerdings entfallen allein 5.000 Quadratmeter auf Behandlungs- und Therapieräume.
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Stritzke wird die Klinik leiten, im Moment arbeitet er noch im Lanserhof am Tegernsee. Im September 2021 möchte der 47-Jährige auf Sylt die ersten Patienten empfangen, der Fokus liegt auf kardiologischer Rehabilitation bei akuten oder chronischen Erkrankungen, sowie der Behandlung von Atemwegs- und Hauterkrankungen. Der ärztliche Direktor hofft auf möglichst viele internationale Gäste und betont, auch die Sylter hätten etwas von dem neuen Health Resort.
„Wir bringen viel Hightech-Medizin auf die Insel, haben zum Beispiel das modernste CT und das modernste MRT bestellt. Außerhalb schaffen wir hier bis zu 120 Arbeitsplätze.“ Die ersten Bewerbungen gingen bei Stritzke bereits ein, als die Pläne für den Lanserhof 2016 zum ersten Mal in der Zeitung verkündet wurden. Beim Richtfest strahlte der Mediziner, als er durch den Rohbau spazierte: „Mich hat die Faszination gepackt. Außerdem werde ich hier beim Arbeiten in die Sylter Dünen gucken. Das wird mit Abstand das schönste Arztzimmer, das ich je hatte.“
Unter den Gästen war auch Lists‘ Bürgermeister Ronald Benck, der schon die eine oder andere Auseinandersetzung mit Christian Harisch auf Sylt führte, nun aber bestens gelaunt neben ihm das Hissen der Kränze beklatschte. Nach dem Spatenstich im November 2017 hatte es lange so ausgesehen, als passiere gar nichts auf der Baustelle in Deutschlands nördlichster Gemeinde. „Da dreht sich einmal am Tag ein Kran“, schimpften manche Sylter.
Wissenswertes über Sylt
- Sylt ist mit einer Fläche von 99,14 km Deutschlands viertgrößte Insel und die größte deutsche Nordseeinsel
- Die Insel ist durch den mehr als elf Kilometer langen Hindenburgdamm seit 1927 mit dem Festland verbunden
- Sylt ist 38 Kilometer lang und an der schmalsten Stelle nur 320 Meter breit
- Die Hin- und Rückfahrt mit dem Autozug von Niebüll nach Westerland und zurück kostet derzeit knapp 100 Euro
- Eine einfache Fahrt mit dem Regionalzug von Hamburg-Altona nach Westerland au Sylt kostet rund 32 Euro
Doch nun freuten sich fast alle auf die zusätzlichen Arbeitsplätze und die neuen Gäste, die der Lanserhof Sylt bringen werde, erklärte Benck. Bei großen Projekten sei es doch immer das gleiche: „Beim Hafenausbau, beim Arosa, jetzt beim Lanserhof: Erst gibt es viel Gegenwehr, und jetzt sind alle froh, denn das Konzept passt genau zu unserer touristischen Sylter Leitlinie: Qualität statt Quantität.“