Falshöft. Gerd Nagel, Ex-Bürgermeister von Pommerby in der Geltinger Bucht, hat das emotionale Wahrzeichen für die Gemeinde gerettet.

Man kann Gerd Nagel stundenlang zuhören, wenn er Geschichten über den Leuchtturm erzählt – und die Menschen, die er hier getraut hat. Da gab es das Paar, das ihn anrief, weil es unbedingt am 4.4 2004 in Falshöft heiraten wollte. Die Schwierigkeit, dass dieser Tag ein Sonntag war, konnte Nagel ausräumen. „An solchen besonderen Daten habe ich immer eine Ausnahme gemacht.“ Doch dann habe der Mann gesagt, er habe da noch eine Frage. „Wär auch eine Trauung um 4.04 Uhr möglich?“ Klar, antwortete Nagel, auch wenn er das für eine Schnapsidee hielt. „Aber meine eigene Meinung halte ich dann doch lieber zurück“, so der ehemalige Standesbeamte.

Also habe er sich am besagten 4.4. einen Wecker auf 2.30 Uhr gestellt. Einen Kaffee getrunken. Und dann wenig später dem total übermüdeten Paar gegenübergesessen. „Im Nachhinein war den beiden auch klar, dass das nicht die ideale Zeit war“, sagt Nagel und lacht. „Sie konnten hinterher ja nicht einmal irgendwo frühstücken gehen.“ Er selbst sei nach Hause gefahren, habe ein Bier getrunken („um müde zu werden“) und sich wieder ins Bett gelegt.

Gerd Nagel, Vorsitzender des Fördervereins Leuchtturm Falshöft e.V.
Gerd Nagel, Vorsitzender des Fördervereins Leuchtturm Falshöft e.V. © A.Laible | Andreas Laible

Als das Leuchtfeuer erlosch, kamen die Hochzeitspaare

Von diesen Erlebnissen gibt es unzählige. Nur ist an dieser Stelle nicht genug Platz dafür. Nagel hat so viele Menschen getroffen in seiner Zeit als Standesbeamter. So viele Liebesgeschichten gehört. Noch heute trifft Nagel nicht selten Paare wieder, die er in Falshöft getraut hat. Das eine oder andere lässt sich zur Silberhochzeit oder zum zehnten Hochzeitstag in einer Zeremonie von ihm ehren. Bald kommt ein Paar zur diamantenen Hochzeit. „Die habe ich aber nicht getraut“, sagt Nagel.

Er ist seit zwölf Jahren kein Standesbeamter mehr. So lange ist es her, dass er das Bürgermeisteramt in Pommerby, einem Dorf unweit von Kappeln an der Ostsee, aufgegeben hat – und damit auch die Erlaubnis, Paare zu trauen. Mit dem Leuchtturm ist er weiter eng verbunden. „Das ist mein Kind“, sagt er. Solange er könne, werde er versuchen, sich für das Wahrzeichen zu engagieren. Heute eben als Vorsitzender des Fördervereins Leuchtturm Falshöft e. V.

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Der Leuchtturm brauchte eine neue Aufgabe

Angefangen hat die Liebe zwischen Nagel und seinem Leuchtturm unspektakulär. „Ich habe Ende der 90er-Jahre einen Kursus zum Standesbeamten gemacht.“ Das aber eigentlich nur, um ein wenig Abwechslung in den täglichen Polizeidienst zu bringen, gibt er heute zu. Wenig später habe er erste Anfragen für Trauungen bekommen. „Doch ich hatte ja keinen Raum für eine solche Zeremonie“, so Nagel. Also habe er behelfsmäßig sein Amtszimmer umgebaut – und am 9.9.1999 um 9.09 Uhr das erste Paar getraut. „Als dann im darauffolgenden Jahr weitere Anfragen eintrudelten, war mir klar, dass ich einen passenden Ort finden muss.“

Eines Nachts, als das Licht des Leuchtturms in sein Zimmer fiel, sei ihm spontan die Idee gekommen: Warum nutzen wir nicht den Turm dafür? Es muss doch einfach großartig sein, dort zu heiraten. Schließlich wurde das alte Quermarkenfeuer am Eingang der Flensburger Förde im Jahr 2000 abgeschaltet – und stand quasi ohne Funktion direkt am Strand.

2002 wurde das rot-weiße Wahrzeichen zum Verkauf ausgeschrieben

Nagel telefonierte und organisierte. Lud die zuständigen Behörden in den Turm – und hatte zwei Monate später geschafft, was keiner für möglich gehalten hätte. Bereits im April konnten im eiligst erschaffenen Trauzimmer die ersten Zeremonien abgehalten werden. „Ich hätte allerdings niemals geahnt, dass das nur der Anfang von allem war“, sagt Nagel heute. „Jetzt begann erst die richtige Arbeit.“ Zum einen die Arbeit für die unzähligen Paare, die in den kommenden Jahren kommen würden – und zum anderen die Arbeit für den Leuchtturm.

Im Jahr 2002 wurde das rot-weiße Wahrzeichen nämlich zum Verkauf ausgeschrieben. „Es gehörte dem Bund, und der hat sich von allen Bauten getrennt, die keine Funktion mehr hatten.“ Der Turm landete im Netz. „Ich habe sofort einen Brief an den Bundesfinanzminister geschrieben und ihm angeboten, dass unsere Gemeinde ihn übernehmen würde.“ Die Antwort war enttäuschend. „Dort hieß es, man könne uns den Turm nicht verkaufen, weil es keinen festen Preis gebe.“ Erst einmal müsse ein Bieterverfahren abgewartet werden, um den Wert bestimmen zu können. „Zum Glück hatten wir ein Vorkaufsrecht.“ Denn Interessenten und Bieter für das alte Leuchtfeuer gab es schnell.

Der Turm gehört dem Amt Geltinger Bucht

Nagel gab nicht auf. „Zuerst einmal musste ich die Gemeinde davon überzeugen, dass ein solcher Kauf lohnenswert ist.“ Viele Kollegen hielten die Idee von Nagel für Quatsch, das Risiko für zu groß. „Erst als die Zusage kam, dass wir vom Land 60.000 Euro Zuschuss bekommen würden, erklärte sich das Amt Gelting bereit, weitere 30.000 beizusteuern.“ Der Haken: Für einen vollständigen Kauf musste Nagel es schaffen, noch einmal 30.000 Euro an Spenden zu sammeln – und das in wenigen Monaten. Eigentlich eine unmögliche Aufgabe. Nicht für Nagel. Der fühlte sich jetzt erst so richtig gefordert.

Also machte er sich auf, sprach Unternehmen an. Warb auf den Volksfesten der Umgebung für seinen Plan – und bekam tatsächlich die nötigen 30.000 Euro zusammen. Seitdem gehört der Turm dem Amt Geltinger Bucht. Und wie Nagel sagt: „Heute freuen sich alle Beteiligten darüber.“ Schließlich bescheren die Hochzeiten dem Amt jährlich ordentliche Einnahmen.

Mehr als 300 Trauungen pro Jahr im Turm

Das Interesse an den Hochzeiten im Turm stieg nämlich rasant. Bereits 2003 waren es mehr als 100 Trauungen. Mittlerweile sind es jährlich mehr als 300. Dabei kommt etwa ein Drittel der Paare aus der Umgebung. Ein weiteres Drittel aus Schleswig-Holstein und Hamburg. Und die übrigen aus der ganzen Repu­blik. Bis zum Jahr 2008 stemmte Nagel einen Großteil der Zeremonien selbst. „Das war mir ein persönliches Anliegen“, sagt er. Auch wenn es zwischenzeitlich in echte Arbeit ausgeartet sei. „Ich wollte immer mehr bieten als nur eine schlichte standesamtliche Trauung.“ Dafür habe er ein Traugespräch mit dem Paar geführt. Und dann für jede Trauung eine persönliche Rede geschrieben. „Bis heute sind das mehr als 1000 Ansprachen.“

Jede einzelne bewahre er ordentlich abgeheftet auf. „So habe ich etwa sieben Stunden Arbeit pro Hochzeit gehabt.“ An manchen Wochenenden habe er bis zu acht Zeremonien abgehalten. „Sie können sich vorstellen, wie viel Zeit das beansprucht hat.“ Doch es habe ihm zu jeder Zeit einfach riesigen Spaß gemacht.

Trauzimmer für rund 10.000 Euro umgestaltet

Heute übernehmen vier Standesbeamtinnen abwechselnd die Aufgaben im Leuchtturm. Nagel ist nur noch in seiner Funktion als Vorsitzender des Fördervereins zuständig. Wobei „nur“ noch reichlich untertrieben ist. Stück für Stück hat er dafür gesorgt, dass der Turm von innen renoviert und restauriert wurde. Da gibt es im Erdgeschoss einen Ausstellungsraum, der die Geschichte des Leuchtfeuers erzählt. Einen Stock darüber scheint die Zeit in den 50er-Jahren stehen geblieben zu sein. Hier ist das ehemalige Zimmer der Leuchtturmwärter. Ein Doppelstockbett, eine Waschnische und ein Tisch mit drei Stühlen. Hier lebten die beiden zuständigen Wärter und sorgten dafür, dass das Feuer nie erlosch. Erst 1963 hielt die Elektrizität Einzug.

Im dritten Stock des Turmes befindet sich das wichtigste Zimmer, das Trauzimmer. Für rund 10.000 Euro wurde es umgestaltet und mit Heizung und Klimaanlage versehen. Von hier aus können die Paare dann ein Stockwerk nach oben steigen und in einem Raum mit bis zu zehn Menschen auf die Trauung anstoßen. Ganz oben befindet sich der Technikraum, auch ein Relikt aus alten Tagen. Von hier aus können die Gäste auf den äußeren Rundweg treten, für einen Blick über Land und Meer. Und für Hochzeitsbilder.

Video-Installation in der Ausstellung im Erdgeschoss geplant

Gerade erst hat Nagel mit seinem Team den Vorplatz des Turmes umgestaltet. Ein neuer Zaun wurde gezogen. Auf Bänken kann ein Snack eingenommen werden. Und bei schlechtem Wetter gibt es einen Pavillon für den Sekt nach der Trauung. Natürlich fehlt auch ein kleiner Kiosk nicht. Die Einnahmen sind wichtig, sie finanzieren den Erhalt des Turmes. Insgesamt teilen sich der Förderverein und das Amt die Kosten. „Streng genommen kommt die Gemeinde für den Erhalt auf, und wir kümmern uns um die Verschönerungen.“ Das laufe seit Jahren in großem Einvernehmen.

Als Nächstes plant Nagel eine Video-Installation in der Ausstellung im Erdgeschoss. Die Anträge dafür sind in Planung. Und auch die Außenanlage soll weiter verschönert werden. „Es gibt immer etwas zu tun hier“, sagt er. Damit der Turm auch in den kommenden Jahrzehnten ein Besuchermagnet bleibt.