Travemünde. Corona verlangt den Ferienzielen am Meer viel ab. Wie funktioniert der Urlaub in der Pandemie? Teil 8 unserer Serie: Jan Lindenau.

Jan Lindenau nimmt in der Reihe der Bäderbürgermeister eine Sonderrolle ein. Der 41-Jährige ist Verwaltungschef der Hansestadt Lübeck, zu der auch das Ostseebad Travemünde gehört. Rund 216.000 Einwohner hat Lübeck, es ist die zweitgrößte Stadt in Schleswig-Holstein. Tourismus ist für Lindenau nur eine Aufgabe unter vielen. Der Sozialdemokrat ist seit 2018 im Amt. Er hat einen Sohn und liebt Magie und Poesie des Zirkus – als Bürgermeister einer hoch verschuldeten Stadt eine nicht zu unterschätzende Fähigkeit.

Wie ist bei Ihnen im Ort aktuell die Lage?

Travemünde kann in diesem Jahr vor allem durch seine Weitläufigkeit punkten. Insbesondere die breiten Sandstrände und die drei großzügigen Promenaden führen dazu, dass das zum Teil in anderen Seebädern als problematisch empfundene hohe Tagesgästeaufkommen weniger konzentriert auftritt. Die Herausforderung in Travemünde liegt vielmehr an den Verkehrsknotenpunkten Vorderreihe und Travefähren.

Haben Sie zu viele oder zu wenige Badegäste?

Unsere Unterkünfte und Beherbergungsbetriebe sind gut bis sehr gut gebucht, unsere Badegäste bestehen aus Bürgern, den Tages- und Übernachtungsgästen. Wir bitten alle Badegäste um Achtsamkeit und Rücksichtnahme. Bislang haben wir hier kaum negative Erfahrungen sammeln können. Insofern kann man von der genau richtigen Menge an Badegästen sprechen.

Warum sollten wir in Ihrem Ort Urlaub machen?

Travemünde präsentiert sich nach umfänglichen Investitionen in die Infrastruktur als urbanes Seebad an der Ostsee. Hier trifft die klassische Seebadarchitektur auf eine moderne Architektursprache. Diese Gegensätze sind ausgesprochen reizvoll. Travemünde ist ein Ort voller Überraschungen, die großen Pötte sorgen zum Beispiel immer für Staunen. Aber auch die historische Altstadt, der bunte Fischereihafen, die neu gestaltete Beach Bay auf dem Priwall und die abwechslungsreiche Landschaft, die das Seebad umgibt, überzeugen jedes Jahr unsere Gäste, immer wiederzukommen.

Urlaub 2020 an Nordsee und Ostsee

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    Was ist das Highlight in dieser Saison?

    Da Großveranstaltungen in diesem Jahr aus bekannten Gründen nicht möglich sind, inszenieren wir Travemünde an vielen Stellen mit kleinen Elementen und Dekorationen und zeigen damit die verborgene Schönheit des Seebades. Hierbei geht es nicht um das eine große Event, sondern vielmehr wollen wir unseren Gästen immer wieder ein Lächeln aufs Gesicht zaubern. Vielfalt ist mit Abstand das Highlight.

    Wie lang ist Ihr Strand?

    Der Kurstrand misst rund 1,7 Kilometer Länge und bis zu 170 Meter Breite. Der Priwall östlich der Travemündung kann mit 1,5 Kilometern Länge und bis zu 90 Metern Breite aufwarten. Kleinere Naturstrände runden das Angebot ab.

    Was tun Sie, wenn er überfüllt sein sollte?

    Da nicht explizit unsere Strände, sondern vielmehr die Überfüllung des gesamten Ortes die Herausforderung darstellen könnte, würden wir mit Straßensperren am Ortseingang arbeiten und unsere Gäste über die Medien informieren. Bisher war das aber nicht nötig.

    Wo baden Sie selbst am liebsten?

    In meiner Badewanne – weil ein Bürgermeister auch mal etwas Ruhe braucht. Meine Familie nutzt gerne den Kur­strand und baut eine Sandburg oder „erforscht“, was das Meer so anspült.

    Nennen Sie die drei am häufigsten zu hörenden Vorurteile über Touristen.

    Auf Vorurteile gebe ich nicht viel, da sie meistens nicht stimmen.

    Interaktiv – Deutschlands Urlaubsgebiete im Corona-Vergleich:

    Wo muss Ihr Ort besser werden, um mehr Touristen anzulocken?

    Wir wollen gar nicht mehr Touristen anlocken, vielmehr liegt uns daran, dass Gäste- und Bürgerinteressen gut harmonieren. Qualität geht vor Quantität. In den nächsten Jahren werden wir verstärkt die Zielgruppe der Entschleuniger ansprechen, die bereits sehr gut zum Reiseprodukt Travemünde passen. Hier können wir aber noch stärker in die Aufenthaltsqualität investieren und somit ein schönes Gesamtbild schaffen.

    Was wäre Ihr Ort ohne Touristen?

    Nicht Travemünde, so wie wir es kennen – also gar nicht vorstellbar.

    Was wird sich in den kommenden Jahren in Ihrem Ort ändern?

    Nachhaltigkeit und Klimaschutz werden gesamtstädtisch eine zentrale Rolle einnehmen, dies wird auch das touristische Erleben von Travemünde verändern. Zudem wollen wir die Travepromenade neu gestalten und somit unser neues Alleinstellungsmerkmal an der Ostseeküste, den Promenadenrundlauf zu beiden Seiten der Trave, noch mehr in den Fokus rücken.

    Welche wirtschaftlichen Folgen hat Corona für Ihren Ort?

    Der Tourismus ist ein entscheidender Wirtschaftsfaktor nicht nur für Travemünde, sondern auch für die ganze Stadt. Insbesondere die vom Tourismus abhängigen Branchen der Gastronomie, aber auch der Einzelhandel und der Kulturbetrieb, haben vielfach existenz­bedrohende Umsatzeinbußen erlitten.

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    Wann sind diese Folgen überwunden?

    Wir müssen davon ausgehen, dass einige Betriebe die derzeitige Krise nicht überstehen werden. Allerdings ist das Interesse an unserem Standort ungebrochen, der mit Gesundheitswirtschaft, Ernährungswirtschaft, Logistik und Tourismus in den Zukunftsfeldern unterwegs ist, die während und auch nach Corona gebraucht werden.

    Wo machen Sie Urlaub – und wann?

    Ich arbeite dort, wo andere Urlaub machen – wer will da schon weg? Vielleicht im Herbst, aber wo, weiß ich noch nicht.