Schleswig-Holstein/Hamburg. Hamburger Ferienhauseigentümer fühlen sich ungerecht behandelt. Nun wurden die Regeln für den Aufenthalt wieder geändert.

Eigentlich hatten Sabine und Jochen von Holdt die nächsten Wochen in ihrem Ferienhaus in St. Peter Ording verbringen wollen. Doch dann kam am vergangenen Freitag die Aufforderung des Kreises Nordfrieslandes, dass alle Eigentümer von sogenannten Nebenwohnungen das Gebiet angesichts der Corona-Epidemie „unverzüglich“ zu verlassen haben.

„Es wurde mit Bußgeldern von bis zu 25.000 Euro gedroht. Also sind wir schweren Herzens abgereist“, sagen die von Holdts. Und fühlen sich heute „schlichtweg veräppelt“, weil inzwischen die Regeln für den Aufenthalt in Ferienhäusern wieder geändert wurden: Wer am Wochenende geblieben ist, darf nun weiter bleiben. „Die, die sich der Verordnung des Landrates widersetzt haben, sind die Gewinner. Was ist das für ein Rechtssystem, in dem die Gesetzestreuen bestraft werden?“, fragen die von Holdts.

Schleswig-Holstein entschuldigt sich bei Hamburgern

Sie sind nicht die Einzigen. Am Tag, nachdem Schleswig-Holsteins Landesregierung eine einheitliche Regelung für die Nutzung von Ferienimmobilien auf den Weg gebracht hat, haben die Landkreise von Ostholstein bis Nordfriesland die entsprechenden Allgemeinverfügungen angepasst.

Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) und Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) hatten sich bei Hamburgern, die von Schleswig-Holsteinern angefeindet oder beschimpft worden waren, entschuldigt.

Tschentscher: „Eine unfreundliche Episode"

„Das war eine sehr unfreundliche Episode“, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) zu den Vorgängen in Schleswig-Holstein. „Ich habe gestern Morgen gleich mit Daniel Günther telefoniert und ihm berichtet, wie das hier wahrgenommen wird. Er hat gesehen, dass das etwas ist, was das freundschaftliche Verhältnis in der Metropolregion durchaus belastet. Er hat sich bemüht, das aufzuklären und eine Klarstellung veröffentlicht.“

Es gehe den Schleswig-Holsteinern darum, dass keine zusätzliche Bewegung in touristische Orte gewünscht ist, sagte Tschentscher. „Aber es ist klargestellt worden, dass diejenigen, die sich schon in den Kurorten und ihren Zweitwohnsitzen befinden, jetzt nicht, wie es wohl im Einzelfall geschehen ist, nach Hamburg zurückgeschickt werden.“ Die Situation müsse man jetzt „in aller Freundschaft und Ruhe“ betrachten. Sein Fazit aus dem Gespräch mit Günther: „Er sieht es genauso wie ich. Ich bin froh, dass die schleswig-holsteinische Landesregierung das klargestellt hat.“

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Räumung von Ferienwohnungen nicht rechtens?

Die Entschuldigung Schleswig-Holsteins sei "sicherlich gut und ernst gemeint und trägt hoffentlich zum Abkühlen der Gemüter vor Ort bei“, sagt der Hamburger Rechtsanwalt Professor Dr. Felix Reiche, der am Wochenende auch sein Ferienhaus in St. Peter Ording überstürzt geräumt hatte.

Das eigentliche rechtliche und moralische Problem, „die Verletzung der verfassungsrechtlich garantierten Rechte auf Freizügigkeit und Eigentumsschutz aus unsolidarischen und sachlich falschen Erwägungen“, werde für die Zweitwohnungsinhaber, die jetzt nicht mehr vor Ort sind, aber noch schlimmer: „Diejenigen, die die Allgemeinverfügung des Kreises Nordfriesland am Wochenende befolgt haben und abgereist sind, sollen nun bis auf Weiteres unter Strafandrohung nicht zu ihrem Zweitwohnsitz fahren dürfen.“

Hamburger Rechtsanwalt klagt gegen Landkreis

Mit anderen Worten: „Wer als braver Bürger die Verfügungen der Obrigkeit befolgt hat und heimgefahren ist, wird nun fortgesetzt in seinen Grundrechten verletzt. Ich habe keine Idee, wie ich meinen Kindern erklären soll, dass man sich in Deutschland an die Regeln halten soll, wenn man dann dafür gegenüber denen, die sich in strafbarer Weise nicht an diese Regeln halten, massiv beteiligt wird.“

Reiche will deshalb weiter rechtlich gegen den Landkreis vorgehen: Eine Klage gegen die erste Allgemeinverfügung hat er bereits beim Verwaltungsgericht in Schleswig eingereicht, eine weitere gegen die neue Allgemeinverfügung soll folgen. „Nachdem die Wogen vor Ort hoffentlich einigermaßen geglättet sind, kommt jetzt die mindestens genauso wichtige Aufgabe: den Rechtsstaat gegen totalitäre Angriffe und Freiheitsbeschränkungswahn zu verteidigen.“

Angespannte Situation in Schleswig-Holstein

Wie seltsam die Situation in den vergangenen Tagen zwischen Schleswig-Holsteinern und Hamburgern zum Teil war, haben erneut mehrere Leser dem Hamburger Abendblatt geschildert.

Eine Hamburgerin erzählt, dass sie sich in ihrem Haus im Kreis Ostholstein mehr oder weniger versteckt und abends kein Licht mehr angemacht habe: „Es ist echt schade, wie sich die Stimmung zwischen den Hamburgern und den Einheimischen zur Zeit entwickelt. Als Zweitwohnungsbesitzer hat man das Gefühl, dass es in Ordnung ist, wenn man sein Geld in Schleswig-Holstein lässt, dass man aber sonst nicht willkommen ist – wie Bürger zweiter Klasse.“

"Bürger zweiter Klasse", "Unsolidarität", "Ausgrenzung"

Jens Möller schreibt: „Das ist das Allerletzte. Menschen, die schon seit Jahrzehnten Häuser oder Wohnungen in Schleswig-Holstein besitzen, die Nutzung ihres Eigentums zu untersagen.“

Und Künstler Rocko Schamoni sagt: „Das Schlimmste an all dem ist das Gefühl der Unsolidarität, der Eindruck von Ausgrenzung und Denunziation. Denn nun beginnen Beschimpfungen und Verhetzungen von Menschen mit fremden Nummernschildern! Wie kann es bei uns so schnell wieder so weit kommen, während die Menschen im Süden sich gegenseitig Mut zu singen?“

Auch die von Holdts kamen sich „vom Gefühl her schon vor wie Schwerverbrecher, obwohl wir rational gar nicht wussten, wieso: Solche Erlasse und Verfügungen machen etwas mit Menschen, und dann muss man sich nicht wundern, dass es zu Zerwürfnissen kommt.“

Mecklenburg-Vorpommern: Regeln für Zweitwohnungen

Es geht, zum Glück, auch anders: Eine Abendblatt-Leserin aus Glücksburg berichtet, dass Nachbarn, die ihren Erstwohnsitz dort haben, ihnen am Wochenende angeboten hätten, „unser Auto mit Hamburger Kennzeichen in ihre Garage zu stellen“. Im Tausch hätten die Hamburger dann mit dem Fahrzeug der Glücksburger – also mit SL-Kennzeichen – ihre Einkäufe machen sollen: „Das hat uns echt gerührt“, sagen die Hamburger.

In Mecklenburg-Vorpommern, wo auch viele Hamburger Ferienwohnungen haben, ist das Thema Ferienwohnungen übrigens anders geregelt. Personen, die dort eine Zweitwohnung haben, dürfen nur anreisen, wenn sie beruflich etwas zu erledigen haben. Eine entsprechende Bestätigung des Arbeitgebers müssen sie mitführen.

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