Hamburg/Kiel. Hindenburgdamm soll entlastet werden. Buchholz spricht über Verzicht auf „Sylt Shuttle plus“. Was Fahrgäste jetzt wissen müssen.

Gäbe es eine Auszeichnung für die unzuverlässigste Bahnstrecke in Deutschland: Die Strecke HamburgWesterland, die sogenannte Marschbahn, wäre sicher vorn mit dabei. Rund 300 Pendler, Politiker und Bahninteressierte sind am Dienstag in eine Niebüller Aula gekommen, um mal wieder über das zu sprechen, was insbesondere auf den Gleisen zwischen Niebüll und Westerland nicht funktioniert. Und das ist eine ganze Menge. Der Landesverkehrsminister Bernd Buchholz (FDP) fasste es so zusammen: „Stabiler Verkehr sieht anders aus.“ Buchholz will nun versuchen, den Bahnverkehr auf dem Hindenburgdamm grundsätzlich neu zu organisieren – von einem „Bahnfrieden“ ist die Rede. Doch der Friedensschluss dürfte nicht ganz einfach werden.

Die Probleme auf der Marschbahn sind bekannt: marode Gleisanlagen, defekte Loks, Waggons mit Türen, die Probleme beim Schließen haben. Auf dem Hindenburgdamm wird dies alles noch verschärft durch zwei konkurrierende Autozugbetreiber und einen eingleisigen Abschnitt vor dem Damm. Kein Wunder, dass der Pünktlichkeitswert mal wieder im Keller ist. In der vergangenen Woche lag er bei nur 57,4 Prozent.

Marschbahn: Fast jeder zweite Zug war verspätet oder fiel aus

Das bedeutet: Fast jeder zweite Zug war stark verspätet oder fiel ganz aus. Unter anderem deshalb, weil eine Weiche unweit des Niebüller Bahnhofs defekt war. Irgendetwas, so scheint es, ist immer defekt im nördlichsten Zipfel des Deutsche-Bahn-Reichs. Die Marschbahn liegt schon seit Langem unter den Pünktlichkeitswerten für ganz Schleswig-Holstein. Die größte Annäherung seit Anfang 2018 gab es im März dieses Jahres (3,4 Prozentpunkte), die größte Differenz im März 2018 (20,7). Bernd Buchholz will sich damit nicht mehr abfinden. „Es gibt viel Schatten“, sagt er, „die Pendler sind zu Recht sauer. In den vergangenen Wochen war die Pünktlichkeit inakzeptabel.“

Mit einem „Bahnfrieden“ will er gegensteuern. Dieser analog zum „Schulfrieden“ in Hamburg gebildete Begriff zielt auf die Organisation des Bahnverkehrs auf dem Hindenburgdamm ab. Der Damm ist überlastet, zu viele Züge benutzen ihn. Seit 2015 ist das so. Damals waren die Autozugverbindungen zwischen Niebüll und Westerland neu ausgeschrieben worden. Es entwickelte sich ein Bieterkampf, in dem der Bahnriese DB eine bittere Niederlage hinnehmen musste. Das im Vergleich zur Bahn klitzekleine Konkurrenzunternehmen RDC bekam einige Verbindungen zugesprochen.

Seitdem sind auf dem Damm zwei Autozüge unterwegs. Hinzu kommt noch ein Angebot, das die Bahn nach Ansicht vieler Beobachter einzig und allein ins Leben gerufen hat, um die Vergabe von noch mehr Verbindungen an RDC unmöglich zu machen – einen kombinierten Auto-und-Personen-Zug. Die Abteile sind oft leer, denn Fahrgäste ohne Autos müssen dort mehr zahlen als in anderen Zügen.

„Sylt Shuttle plus“ ist dem Verkehrsminister ein Dorn im Auge

Gerade dieser sogenannte „Sylt Shuttle plus“ ist Buchholz ein Dorn im Auge. „Wenn die DB auf diesen aus rein markttaktischen Erwägungen eingesetzten Geisterzug zumindest vorübergehend verzichten würde, dann gäbe es deutlich mehr Spielraum, um die angespannte Lage auf der Strecke zumindest ein wenig zu entspannen“, sagte er. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass kein anderes Bahnunternehmen – etwa RDC – die entstehende Lücke für ein eigenes Angebot ausnutze. Er bot an, hierüber gemeinsam mit den Vertretern der Bahnunternehmen ein Gespräch mit der zuständigen Bundesnetzagentur zu führen.

Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Bernd Buchholz.
Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Bernd Buchholz. © Unbekannt | dpa

Die Pendler stehen dem Vorschlag mit einer gewissen Skepsis gegenüber. „Was Buchholz plant, ist sehr, sehr schwierig“, sagte Achim Bonnichsen von der Pendlerinitiative Sylt.

 Im November werden viele Züge gar nicht verkehren können

In der Tat gibt es da noch viele offenen Fragen. Das ist auch dem Ministerium klar. „Wer bestellte Trassen nicht nutzt, muss sie grundsätzlich zumindest bezahlen. Wie genau die Situation aufzulösen ist, ist noch zu klären.“, sagte der Ministeriumssprecher Harald Haase. „Dazu gehört die Frage, wie sich vermeiden lässt, dass Dritte dann frei werdende Trassen nutzen.“

Das sind Gespräche, die dauern können. Terminiert ist noch nichts. Zwischen Niebüll und der Insel geht es jetzt erst einmal mit einer Baustelle weiter. Im November werden viele Züge gar nicht verkehren können, Busse müssen aushelfen. Zum Fahrplanwechsel im Dezember plant die Bahn offenbar, die Ersatzloks und -waggons abzuziehen, die derzeit auf der Insel und auf dem Festland stationiert sind. Aus DB-Sicht hat sich die Situation verbessert. Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen, denn in den ersten acht Monaten dieses Jahres war die Marschbahn pünktlicher als in den Vorjahresmonaten.

Buchholz sieht das anders. „Es ist immer noch deutlich zu viel Luft nach oben“, sagte er – und drohte damit, erneut Strafzahlungen gegen die Deutsche Bahn zu verhängen.