Missunde/Schlei. Wilfried Erdmann beschreibt in seinem Buch „Warum wir immer weitersegeln“ seine jüngste Reise – und Segeln im Alter.
Viel Sonne, ab und an Hitze. Wenig Westwind, manchmal Flaute, kaum Regen. Motortage und Rauschefahrt unter Segeln, wie es schöner nicht geht. Fünf Kirchen angeschaut und zwölfmal im Restaurant gegessen. 1540 Seemeilen in 100 Tagen in Deutschland, Dänemark und Schweden achteraus gelassen. Das ist das neue Buch von Wilfried Erdmann in Zahlen. Aus den Zeilen von Deutschlands erfahrenstem Segler spricht die lebenslange Begeisterung für Boote, Wind und Meer.
Zusammen mit seiner Frau Astrid ist Erdmann im karibischen Sommer 2018 von Missunde an der Schlei nach Schweden gesegelt. Ziel sollte Gotland sein. Aber noch besser die kleine Insel Fårö etwas nördlicher. Dort kann man Ingmar Bergman und Elvis Presley begegnen. Und für den, so Astrid, „würde ich sogar noch mal um die Welt segeln“.
Beiden Stars wurde auf der Insel ausgiebig gehuldigt. Und noch etwas hat Fårö zu bieten: bis zu zehn Meter hohe Kalksteinsäulen, die unmittelbar am Wasser stehen, sowie becherförmige Korallenstöcke. „Diese spektakulären Gebilde“, schreibt der Autor, „sind einzigartig im ganzen Ostseeraum.“
Der 79-Jährige segelt seit 50 Jahren
„Es war eine tolle Reise“, sagt Erdmann dem Abendblatt. Der mittlerweile 79-Jährige segelt seit mehr als 50 Jahren, schaffte von 1966 bis 1968 als erster Deutscher eine Einhand-Weltumseglung. War mehr als 200.000 Seemeilen auf drei Ozeanen unterwegs. Mit Familie und Gästen und bei drei Weltumseglungen mit dem und gegen den Wind allein.
„Mit Astrid ist das Bordleben so schön, auch wenn wir manchmal nicht viel reden.“ Nach 50 Ehejahren versteht man sich auch ohne Worte. Bewundernswert: Astrid Erdmann geht eisern mit auf Törn und steuert das Boot, obwohl sie immer seekrank wird und dann sehr leidet.
Die „Kathena Nui“ wurde 1984 aus Aluminium gebaut
Schwimmendes Zuhause ist seit vielen Jahren die „Kathena Nui“, gebaut 1984 aus Aluminium bei Dübbel & Jesse auf Norderney. 10,6 Meter lang, 3,25 Meter breit, Tiefgang von 1,70 Metern. Zwei Kojen, Kochecke und Kartentisch. Kein WC, aber seit einiger Zeit motorisiert. „Sind ja nur 15 PS, aber schon sehr willkommen bei Flaute und bei Hafenmanövern“, sagt Erdmann.
Das Boot macht ihm immer noch viel Freude. „Nichts ging verloren, nichts war zu reparieren. Selbst meine Segel, Jahrgang 1985 und 2000, haben den Sommer bestanden.“
Ein schöner Törnbericht über die Zeit in den Häfen
Und so ist „Warum wir immer weitersegeln“ nicht nur ein Loblied auf 100 Tage Ostsee, Schweden, Dänemark und Mecklenburg-Vorpommern, ein schöner Törnbericht über die Zeit in den Häfen und im Schärengarten, über Wilfrieds heiß geliebten Porridge und Astrids Navigation auf dem iPad, über wenig Wind und viel Hitze, sondern auch über Lust und Last der Landfahrt im Alter. „Manches geht nicht mehr so schnell, aber das ist eben so“, sagt Erdmann.
Segeln habe immer noch mit Schönheit und Leichtigkeit zu tun, „heißt erleben, weil man unterwegs Zeit hat, sich einzuprägen, was an einem vorbeizieht.“ Und deshalb war dies wohl auch nicht die letzte Reise der Erdmanns und vielleicht auch nicht das letzte Buch.
Das Dasein auf dem Meer und an Land
Stürme und Katastrophen gab es nicht, deshalb kommen sie nicht zur Sprache. Stattdessen lebt das Buch von klugen Gedanken über das Dasein auf dem Meer und an Land. 60 Fotos und Abbildungen machen die Reise plakativ, im Anhang finden sich Listen und Tipps und ein sehr eindringliches Kapitel zum Thema UV-Schutz und Segeln. Denn immer noch gibt es Segler, die mit freiem Oberkörper auf ihren Booten zugange sind und Sonnenschutz für Teufelszeug halten. Kym Erdmann hat wie alle Werke seines Vaters auch dieses Buch gestaltet.
Die Schriftstellerei hat Wilfried Erdmann denn auch in diesem Jahr am Segeln gehindert. „Ich war bis Juni mit dem Buch beschäftigt, und wir sind keine Wochenendsegler.“ Als blieb „Kathena Nui“ hoch und trocken in der Bootshalle an der Schlei. Und nächstes Jahr? Der Buchtitel spricht ja eigentlich für sich.