Büsum. Der Badeort erneuert sich in moderatem Tempo, ohne diejenigen zu verprellen, die den etwas trutschigen Charme so mögen.
Ich verfluche den Kollegen, der mir das eingebrockt hat: „Du musst auch nach Büsum. Das gilt als trutschig, aber da entsteht richtig was“, hat er gesagt. Bei mir entsteht erst nur Frust. Ich passiere biedere Geschäfte, dann einen biederen Deichweg, ein paar biedere Schiffe, die im Hafenkanal wackeln. „Das letzte Bier vor der Fähre“, steht eine Gasse weiter an einer Kneipe, als sei es besser, schnell weiterzureisen und jede Erinnerung mit Alkohol zu vernichten.
Das soll der krönende Abschluss sein? Ich denke zurück an St. Peter-Ording, Amrum, Sylt, Fehmarn und Timmendorf. Wenn meine Reise als Strandreporter ein Pferderennen wäre, sind das die Zuchthengste, sanft gestriegelt, mehr oder minder voll im Saft. Und Büsum doch bloß der aschgraue Stallgaul, denke ich, als ich erneut um die Ecke biege …
Das Lighthouse Hotel Spa bringt frischen Wind
Und mein Herz einen kleinen Sprung macht. Da ragt eine edle skandinavische Lady von einer Häuserfront auf, aus zwei Boutiquen im Erdgeschoss schallt Musik, links strahlt der Leuchtturm. Schaulustige umkreisen den Neubau wie ein Raumschiff. Ein paar Treppen weiter blicke ich plötzlich auf Strandkörbe auf satten Wiesen, die fast direkt in die weite See hineinkippen. Ein älteres Paar stößt laut an, „auf den Abend, meine Liebe!“
Manchmal können Klischees ja gleichzeitig wahr und überholt sein. Und manchmal machen sich alte Pferde heimlich wieder topfit, um das Rennen ihres Lebens zu laufen. Mich zieht es direkt in den Bauch des neuen Komplexes, „Lighthouse Hotel Spa“ steht über dem Eingang. Die Vizedirektorin Maria Stein empfängt mich, sagt „es läuft alles auf Hochtouren“, erst in einer Woche wird eröffnet. Hinter dem Viersternehaus stecken dieselben Macher wie hinter dem Beach Motel in St. Peter-Ording (genau, das oberhippe Hotel unter lässiger Leitung von „dem Matze“, über das ich zuletzt schrieb).
Stylisches Lighthouse
Und ähnlich wie in „SPO“ soll auch in Büsum das neue Hotel endgültig eine neue Zeit einläuten. Dafür ist das Hotel nun das Erste unter Gleichen im Ort. Es durfte mitten in den Weg des Leuchtturmstrahls gebaut werden – das Licht wird auf einer Seite aufgefangen und auf der anderen Seite wieder abgestrahlt — und ein Tunnel soll es in Zukunft direkt mit dem noch altbackenen Schwimmbad „Piratenmeer“ verbinden, das demnächst komplett saniert wird.
„Natürlich kann einem etwas Neues auch immer ein bisschen Angst machen. Und das Publikum ist eben etwas älter hier“, sagt die Vizehotelchefin, als wir aus einem Zimmer auf die Häuserfront gegenüber blicken. Da steht noch „Café Knüppel“ in großmütterlicher Schrift an der Fassade, seit 100 Jahren eine Institution am Leuchtturm. Seit dem vergangenen Jahr ist es aber kein Café mehr, sondern nur noch eine Zimmervermietung. Die Frau dort am Tresen wägt ihre Worte, als ich sie nach ihrer Meinung frage. Dann sagt sie: „Wir finden das schon gut, dass sich etwas tut.“ Genug Gäste habe das Traditionsbad aber sowieso schon.
Tourismus wächst in Büsum
Ich klettere hinauf auf die Promenade, um zu sehen, wie weit der Wandel schon ist. Die Wege blitzen überwiegend wie neu verlegt, das Watt glitzert in der Vormittagssonne, auf dem Platz hinter dem „Lighthouse“ stehen Bratwurst-Buden und ein Shantychor singt von der Bühne. Es ist belebt, aber selbst an diesem Sonnabend nicht übervoll. Dabei wächst der Tourismus in Büsum seit einigen Jahren wieder stetig. Die leeren Strandkörbe werden nicht verschlossen, an vielen der besetzten Exemplare wehen kleine Flaggen von Fußballvereinen. In mir kommt ein wohliges Gefühl auf, als hätte mich jemand mit einer nagelneuen Zeitmaschine zurück zu glücklichen Ferien mit Oma gebeamt.
Auch wenn die Wiesen statt richtigen Sandes (Ach, Amrum ...) natürlich Geschmacksache bleiben wie die Wahl zwischen Freibad und Beach-Club in Hamburg, ist eine Wattwanderung entlang der zart geschwungenen Wasserfront indiskutabel ein Erlebnis – und der Boden weniger schlammig als anderswo an der Nordsee.
Gastronomie auf gehobenem Niveau
In den beiden anderen Strandreporter-Hauptkategorien schlägt sich das gute alte Büsum ebenfalls sehr ordentlich: Die Gastronomie bietet meist Klassiker (etwa Pizza in der „Osteria“) auf gehobenem Niveau, die Preise sind dabei durchschnittlich. Bestimmte Souvenirs sind an der Alleestraße sogar nur halb so teuer wie auf Sylt – und jede Menge Bodenständigkeit inbegriffen (das Geschäft für Mitbringsel heißt, nun ja, einfach „Mitbringsel“). Während vereinzelt neue Boutiquen blitzen, singt der Shantychor nach Stunden immer noch. Daneben steht auf Plakaten schon, dass bald der Star-DJ Mike Perry am Strand auflegen wird. Büsum ist im Moment ein Ort ohne festgelegtes Alter.
Ich folge dem Weg entlang der Küste, und wieder wandelt sich die Szenerie. Die „Familienlagune“ liegt da wie ein perfekt konzipiertes Abenteuerland: ein oval abfallender Platz zur Seeseite, ein Beckenbereich für Strandsurfer gegenüber, in der Mitte ein Spielplatz, Beachvolleyballfelder, sogar ein kleiner Sandstrand, an dem Kinder planschen. „Für uns ist das perfekt hier“, sagt mir eine Mutter, die mit ihren kleinen Mädels regelmäßig aus Hamburg herkommt.
Ein Ort für klassische Ferien an der Nordsee
Sie macht dann noch einen Witz im gütigen Tonfall darüber, dass es jetzt in Büsum Zeit für ein schönes Stück Kuchen wäre. Ein paar Meter weiter kommt mir ein Großvater entgegen, der seinen Enkel für ein YouTube-Video filmt (Enkel: „Lasst mir eure Likes und Thoughts in den Comments da!“ – Großvater: „Was sind denn Kommänts, Jakob?!“). Väter lassen sich im grau-matschigen Sand begraben. Das Glück ist oft mit denen, die nicht (mehr) unbedingt cool sein wollen. Im Hintergrund der Lagune steht die „Küstenperle“, das erste Hotel der neuen Ära in Büsum.
Bevor ich die Deichtreppen heruntersteige, sehe ich mich ein letztes Mal um: Dutzende Winddrachen sind aufgestiegen, die Sonne geht unter. Ein Postkartenmotiv, herrlich trutschig. Ein Mittzwanziger-Pärchen kommt mir entgegen, noch eben von Wacken hinübergefahren, an den Ort, an dem sie als Kinder schon im Urlaub waren. Sie holen sich erst einmal einen Kaffee im neuen „Deli“ direkt am Campingplatz. Ich wünsche beiden von Herzen viel Vergnügen.
Mein Fazit: Trotz vieler Neuerungen bleibt Büsum ein Ort für klassische Ferien an der Nordsee – und besonders für Familien und ältere Menschen geeignet.