Neumünster. Auf mehr als 6000 Quadratmetern soll Cannabis in einer Indoor-Produktionsanlage für medizinische Zwecke angebaut werden.
Zwei Jahre nach der Freigabe von Cannabis als Arzneimittel will die Aphria Deutschland GmbH aus Bad Bramstedt im Kreis Segeberg dort künftig das erste in Deutschland angebaute medizinische Cannabis ernten. Hinter 24 Zentimeter dicken Stahlbetonwänden und unter hohen Sicherheitsvorkehrungen soll mitten in Schleswig-Holstein eine Cannabis-Plantage entstehen.
Seit März 2017 können Ärzte ihren Patienten in Deutschland medizinisches Cannabis auf Kosten der Krankenkasse verschreiben. Cannabis kann zum Beispiel Spastiken bei Multipler Sklerose oder chronische Schmerzen lindern. Teils ist die medizinische Wirkung aber nur wenig belegt, etwa bei Übelkeit und Erbrechen nach Chemotherapien oder beim Tourette-Syndrom, wie die Bundesärztekammer betont.
Erste deutsche Cannabis-Ernte Ende 2020
Bisher werden Cannabis-Blüten für medizinische Zwecke aus dem Ausland importiert. Im Herbst soll der Rohbau des Gewächshauses in Neumünster fertiggestellt und Ende 2020 die erste Ernte eingefahren werden. "Die Sicherheitsvorkehrungen sind ähnlich hoch wie beim Tresorraum einer Bank", sagt Geschäftsführer Hendrik Knopp. Außerdem würden die Pflanzen nicht ein einziges Mal das Sonnenlicht sehen, sie werden stattdessen in riesigen Indoor-Produktionsanlagen wachsen.
Aufwendige Technik tauscht die Luft in den Anlagen 90 Mal pro Stunde und hält die Temperatur bei konstanten 23 Grad Celsius mit einer maximalen Luftfeuchtigkeit von 55 Prozent. "Wir erreichen in dieser Anlage fünf bis sechs Ernten pro Jahr. Das schaffen wir, indem wir den Tag-Nacht-Zyklus verkürzen", erklärt Kopp.
Zwei deutsche Unternehmen dürfen Cannabis anbauen
Mitte April hatte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte bekanntgegeben, dass Aphria und ein Berliner Unternehmen in Deutschland zusammen künftig mehrere Tonnen Cannabis für medizinische Zwecke anbauen dürfen. In Schleswig-Holstein ist vier Jahre lang zunächst der Anbau von jährlich 800 Kilogramm erlaubt. Weitere 200 Kilogramm könnten nach einer gerichtlichen Klärung noch hinzukommen.
Aphria muss wegen möglicher genetischer Veränderungen der Pflanzen und strenger Vorgaben des Bundesamts jede Ernte überprüfen. "Denn der Gehalt der Wirkstoffe Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) darf bei unserer Ware nur um bis zu zehn Prozent schwanken", sagt Knopp. Beide Gehalte sind bei medizinischem Cannabis konstant und variieren nicht so stark wie illegale Produkte im Straßenverkauf.
Neue Arbeitsplätze für die Region
Neumünsters Oberbürgermeister Olaf Tauras (CDU) freut sich über die Ansiedlung des Unternehmens und die wichtige Schaffung von Arbeitsplätzen in der Stadt. Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) spricht von einem "großen Glücksfall für den Wirtschafts- und Gesundheitsstandort Schleswig-Holstein".
Parallel zum Cannabis-Anbau in Neumünster soll in Bad Bramstedt ein Tresor entstehen. Dort will das Unternehmen medizinisches Cannabis von seiner Mutterfirma aus Kanada importieren und zwischenlagern. Diese baut nicht nur drei verschiedene Sorten an wie das Unternehmen in Neumünster, sondern mehr als zwei Dutzend.
Cannabis wird nicht nur zu medizinischen Zwecken genutzt, sondern auch als Bestandteil von Kosmetik, Textilien oder als Zugabe im Kuchen verwendet. Bei einer Hanfmesse in Dortmund stellten Unternehmen Anfang Mai ihre Produkte vor. Vertreten waren auch Aussteller wie das Selbsthilfenetzwerk Cannabis Medizin (SCM), der Deutsche Hanfverband oder die Cannabis Patientenhilfe.