Elpersbüttel/Berlin. Die Polizei hatte die aus dem Irak stammenden Kurden in Dithmarschen festgenommen. Sie sollen einen Anschlag geplant haben.

Sie lasen Anleitungen zum Bombenbau, bestellten schon Zünder und wollten eine Pistole kaufen: Die Polizei hat in Meldorf und Elpersbüttel im Kreis Dithmarschen drei mutmaßliche Islamisten aus dem Irak festgenommen, die einen Terroranschlag in Deutschland geplant haben sollen. An dem Zugriff waren auch Spezialkräfte der GSG 9 beteiligt.

Zwei der Terrorverdächtigen, die 23 Jahre alten Shahin F. und Hersh F., sitzen seit Mittwochabend in Untersuchungshaft. Das hatte ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe entschieden. Der 36 Jahre alte Rauf S. soll bei den Anschlagsplanungen geholfen haben. Gegen ihn wurde am Donnerstag ebenfalls Haftbefehl erlassen.

Erster Hinweis kam vom Verfassungsschutz

Nach Abendblatt-Informationen handelt es sich bei den Männern um Kurden, die im Jahr 2015 als Flüchtlinge eingereist waren. Shahin F. und Hersh F. wird die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat zur Last gelegt. Rauf S., soll Beihilfe geleistet haben, indem er versuchte, eine Pistole zu besorgen.

Zudem habe das Trio erwogen, bei dem Anschlag ein Auto einzusetzen. Einer der Männer nahm bereits Theoriestunden in einer nahen Fahrschule. Ob sie in eine terroristische Vereinigung eingebunden sind, müssten die Ermittlungen klären. Bisher gibt es dafür keine konkreten Hinweise.

Die beiden jüngeren Männer sollen sich Ende 2018 entschlossen haben, einen Anschlag zu verüben. Die Pläne standen aber noch am Anfang, ein konkretes Ziel hatten sie offenbar noch nicht im Visier. Laut Innenminister Horst Seehofer (CSU) kam der erste Hinweis auf die Männer vom Verfassungsschutz.

Bestürzung in Dithmarschen nach Anti-Terror-Einsatz

In Dithmarschen löste der Zugriff Bestürzung aus. „Hier kennt man sich. Wir sind schockiert“, so der Bürgermeister von Elpersbüttel, Sven Karstens. Die Nachbarn im 900-Einwohner-Dorf Elpersbüttel nahe der Nordseeküste merkten schon vor Wochen, dass etwas nicht stimmt.

Da waren merkwürdige Autos, die immer wieder durchs Dorf fuhren, sagt Karstens. „Wir konnten uns nur keinen richtigen Reim darauf machen.“ Bis am Mittwochmorgen die Spezialkräfte der GSG 9 anrückten, an dem Haus neben der Hauptstraße im Kreis Dithmarschen.

Was die Menschen in dem kleinen Ort in Schleswig-Holstein stutzig gemacht hatte, waren wohl die Dienstwagen der Staatsschützer. Nach Wochen der Observation nahmen die Beamten in Elpersbüttel und der benachbarten Stadt Meldorf drei irakische Kurden fest. Am frühen Mittwochmorgen stürmten Spezialkräfte die Wohnungen der Beschuldigten. Sie stehen unter Terrorverdacht.

Verdächtige gingen nicht sehr professionell vor

Zwar waren die drei Tatverdächtigen nach Angaben von Ermittlern entschlossen – allerdings in ihren Plänen für einen Anschlag noch nicht sehr konkret. Die Polizei hat keine Hinweise darauf, dass ein Ort oder eine Veranstaltung im Visier der Männer gestanden hat. Sehr professionell seien die Iraker auch bei ihren Versuchen, eine Bombe zu bauen, nicht vorgegangen, berichten die Sicherheitsbehörden.

Sie sammelten aus Silvesterraketen Schwarzpulver, schauten sich im Internet Anleitungen zum Bombenbasteln an, machten erste Tests. In Großbritannien bestellten sie Zünder – die Auslieferung verhinderten die dortigen Sicherheitsbehörden. Auch die Sprengwirkung des Schwarzpulvers sei eher überschaubar gewesen, berichtet ein Ermittler. „Die Gruppe war selbst enttäuscht.“

Eine Pistole war den Terror-Verdächtigen zu teuer

Offenbar suchten die Tatverdächtigen nach anderen Wegen, ihre Anschlagspläne umzusetzen. In Ludwigslust in Mecklenburg-Vorpommern wurde eine weitere Wohnung durchsucht. Dort lebt der Anbieter der Pistole vom Typ Makarow, Kaliber 9 Millimeter, Walid Khaled Y.Y., der selbst bislang nicht als Islamist bekannt war. Er werde „gesondert verfolgt“, teilte der Generalbundesanwalt mit.

Y. bot den Männern die Waffe offenbar erst für 1500 Euro, dann für 1200 Euro an. Doch den Verdächtigen war das zu teuer. Offenbar schwenkten die beiden Hauptbeschuldigten dann um: Der neue Plan – ein Anschlag mit einem Auto. Einer der Männer nahm Fahrunterricht. Interessant dabei ist ein Kontakt der Tatverdächtigen zu einer Person über den verschlüsselten Chat-Dienst Telegram. Die unbekannte Person soll den Männern geholfen haben. Zudem wurde die Wohnung eines weiteren Mannes in Baden-Württemberg durchsucht, der als Zeuge gilt.

Erst in Deutschland radikalisierten die Kurden sich

Laut „Spiegel“ soll einer der Verdächtigen geäußert haben, möglichst viele „Ungläubige, aber keine Kinder“ treffen zu wollen. Wie es aus Behördenkreisen heißt, wandten sich die Männer erst in Deutschland dem islamistischen Gedankengut zu. Im Fokus der Ermittler sind seit Längerem immer wieder einzelne junge Männer oder Gruppen von zwei, drei Personen, die auf eigene Faust losschlagen wollen. Häufig radikalisieren sie sich unbemerkt von Nachbarn, Mitschülern oder Arbeitskollegen durch gezielte Propaganda im Internet oder Kontakte zu anderen Dschihadisten über Chat-Programme.

Für Polizei und Nachrichtendienste sind diese Extremisten in der Nische oft schwer zu kontrollieren – denn sie fallen nicht in Moscheen auf oder haben Kontakt zu islamistischen Szene-Größen. In einem Fall in Schwerin war ein junger Syrer nur deshalb ins Visier der Ermittler geraten, weil er mit seiner E-Mail-Adresse Stoffe für den Bau einer Bombe bestellte. Einem ausländischen Geheimdienst fielen die Bestellungen auf. Der Terror-Plot flog auf. Laut Innenminister Horst Seehofer (CSU) kam in diesem Fall in Schleswig-Holstein der erste Hinweis auf die Tatverdächtigen vom Verfassungsschutz. Kurz danach begann die Polizei, das Haus und die Kommunikation der Tatverdächtigen zu überwachen.

In Elpersbüttel hatte niemand Kontakt zu den Verdächtigen

Im Dorf Elpersbüttel heißt es, in dem Haus an der Hauptstraße hätten seit mindestens zwei Jahren mehrere Iraker gelebt. Das Gebäude gehört einer Frau aus dem Landkreis und sei regulär an die Männer vermietet worden. „Man hat sie öfter auf Fahrrädern entlang der Hauptstraße fahren sehen“, sagt Bürgermeister Karstens.

Ein knappes Dutzend Flüchtlinge lebe im Dorf. Drei Eritreer, die bemüht seien, etwa Hilfe beim Laubfegen angeboten haben, aber nicht arbeiten dürfen. Eine Familie, die schon Anschluss gefunden hat. Und die jungen Männer aus dem Haus. Bürgermeister Karstens sagt: „Eigentlich kennt man hier von jedem Nachbarn die Lebensgeschichte und den Kontostand, könnte man sagen. Von diesen Herren wusste man nichts, und es hatte auch niemand wirklich Kontakt zu ihnen, soweit ich weiß.“