Hamburg/Kiel. Wegen ständiger Zugausfälle hagelte es Kritik, vor allem vom Ministerpräsidenten. Die Skepsis vor Ort bleibt trotz der Sanierungspläne.

Erst traten Kupplungsprobleme bei vielen Waggons auf, dann mussten die Lokomotiven dringend repariert werden, und schließlich kam es vor einigen Wochen wegen etlicher Haarrisse in den Schienen zu einer „Großstörung“, wie die Bahn teils chaotische Verhältnisse auf der Strecke Hamburg–Sylt umschrieb. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sprach indes von „katastrophalen Zuständen“, mit denen Touristen und Sylt-Pendler seit mehr als einem Jahr zu kämpfen hätten.

Inzwischen hat die Bahn reagiert und stellte am gestrigen Donnerstag in Kiel vor, wie sie die Probleme auf der Strecke der sogenannten Marschbahn in Griff bekommen will, die sie erst 2016 von der Nord-Ostsee-Bahn (NOB) übernommen hatte.

Mit einer „Investitionsoffensive“ bis 2022 sollen demnach in den nächsten Jahren rund 200 Kilometer Gleise und mehr als 30 Weichen erneuert werden, teilte das Eisenbahnunternehmen mit. Ziel sei eine „Grundsanierung“ und ein Abbau des Investitionsstaus auf diesem Bahnabschnitt. Statt wie bisher geplant 53 Millionen Euro werde die Bahn jetzt knapp 160 Millionen Euro in die Sanierung der Strecke investieren – also mehr als 100 Millionen zusätzlich.

Ziel: Stabiler Zugverkehr für Bewohner, Pendler und Touristen

Zudem sollen auch Bahnübergänge, Leit- und Sicherungsanlagen sowie Brücken saniert werden. „Damit ermöglichen wir einen stabilen Zugverkehr für Inselbewohner, Pendler und Touristen“, sagte Volker Hentschel, Vorstand Produktion der DB Netz AG. Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Bernd Buch-holz (FDP) reagierte verhalten positiv: „Das ist ein ordentlicher Schluck aus der Pulle und ein gutes Zeichen für die Region“, sagte er. Die Höhe der Investitionen zeige aber auch, wie notwendig es sei, „endlich Geld in die Sanierung der Marschbahnstrecke zu stecken.“

Die Grundsanierung soll nun über vier Jahre angesetzt werden, um den Zugverkehr dort nicht noch weiter zu belasten, heißt es in einer Mitteilung der Bahn weiter. „Erforderliche Sperrpausen“ und andere Einschränkungen werde man frühzeitig abstimmen. Und auch nach der Sanierung wolle die Bahn dort weiter investieren. Von 2023 an seien Instandhaltung und Ersatzinvestitionen als „Regelprozess der standardisierten Oberbaupflege“ vorgesehen, so die Bahn. Was nichts anderes heißen dürfte, als dass die Bahn die Strecke nicht wieder herunterwirtschaften will – was Bahnkunden wohl als selbverständlich erachten dürften.

Wichtige Forderung bleibt weiter offen

Eine wichtige Forderung aus der Region bleibt unteressen auch nach Ankündigung zur „Investitionsoffensive“ weiter offen: Der zweigleisige Ausbau zwischen Niebüll und Klanxbüll auf dem Festland sei zwar „möglich“, teilte die Bahn am Donnerstag mit. Doch dazu müsste erst eine Entscheidung des Bundes abgewartet werden.

Doch gerade dieser zweigleisige Ausbau der kurzen Strecke kurz vor dem dann zweigleisigen Hindenburgdamm sei eine wichtige Voraussetzung, um die Probleme zu lösen, heißt es im Landkreis Nordfriesland. Diese Maßnahme müsse endlich in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans, sagte Landkreissprecher Hans-Martin Slopianka dem Abendblatt. Alles andere sei eher ein „Herumdoktern“ am eigentlichen Problem. Der Landkreis hoffe daher auf eine für die Region positive Entscheidung, die man noch für das zweite Halbjahr erwarte.

Sylts Bürgermeister nennt Offensive „Augenwischerei“

Noch drastischer äußerte sich der Bürgermeister der Gemeinde Sylt, Nikolas Häckel, gegenüber dem Abendblatt. Die jetzt angekündigte Investitionsoffensive sei doch nichts weiter als „Augenwischerei“. „Die Züge sind schlecht, die Gleise sind schlecht, der Unterbau ist schlecht“, so Häckel. Am schlimmsten aber sei die Kommunikation seitens der Bahn, die nicht einmal genauere Zahlen liefere, wie viele Fahrgäste Sylt mit dem Zug erreichen.

Katastrophal seit zwei Jahren sei der Zustand vor allem für die rund 4500 Pendler, die auf der Insel arbeiten und auf dem Festland wohnen und daher auf eine verlässliche Verbindung angewiesen sind. Häckel: „Uns laufen daher die Arbeitskräfte weg.“ Die Forderung auf Sylt sei daher ebenfalls ein zweigleisiger Ausbau – nicht nur auf dem Festland bei Niebüll, sondern auch auf Sylt, wo die Strecke bisher ebenfalls nur eingleisig sei. Häckel: „Unsere Bahnverbindung ist einfach desaströs.“

Tatsächlich hatte die Bahn im Frühsommer zwischen Hamburg und Sylt nur noch Pünktlichkeitswerte von weniger als 65 Prozent erreicht. Züge waren verspätet, fielen aus – oder Hamburger mussten erst nach Elmshorn mit einem anderen (und oft überfüllten) Zug fahren, um einen Anschluss zu bekommen.

Aktuell habe sich der Zustand etwas verbessert, teilte die Bahn auf Anfrage am Donnerstag mit und spricht von „stabilen Verkehrsverhältnissen ohne besondere Vorkommnisse“ sowie einer Pünktlichkeitsquote von mehr als 80 Prozent.