Kiel. Beim ersten Mal sei er noch “bannig nervös“ gewesen, gestand der scheidende Umweltminister, der nach Berlin geht.

Großes Aufheben will er nicht um seine 227. Rede im Landtag und den nahenden Abschied nach Berlin machen. „Heute ist das ein normaler Arbeitstag“, sagt Schleswig-Holsteins scheidender Umweltminister Robert Habeck. Jeans, weißes Hemd, dunkles Sakko. Exakt achteinhalb Minuten dauert der voraussichtlich letzte Auftritt am Rednerpult des Parlaments an der Förde. Sachlich zieht Habeck Bilanz bei seinem Herzensthema Energiewende. Dann geht das Kapitel Landtag im Leben des Grünen-Bundesvorsitzenden zu Ende.

Wohl selten zuvor hat der selbst ernannte „Draußenminister“ in dem gläsernen Plenarsaal derart viel Applaus bekommen wie an diesem Donnerstag. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) herzt ihn anschließend auf der Regierungsbank als erster. Habecks (Noch)-Ministerkollegen folgen. Und reichlich Geschenke: Sonnenblumen der Grünen-Fraktion und gleich mehrere Präsentkörbe.

"Kein Moment für Pathos"

Sein letzter Tag im Parlament sei „kein Moment für Pathos“ oder große Abschiede. Noch bis Ende August gehört der Vater von vier Söhnen der Landesregierung an. Und hat noch Aufgaben. „Ich habe den Schreibtisch noch voller Arbeit“, sagt Habeck und nennt die Kartierung der Windflächen, die Kormoran-Verordnung und das Dauergrünlandgesetz.

Laut Landtagsverwaltung hat er in den vergangenen neun Jahren 227 Mal vor dem Landtag gesprochen. Zum Vergleich: Seit 2009 hat das Parlament insgesamt 257 Sitzungstage abgehalten. Nach der Wahl 2012 wurde Habeck Umweltminister der Regierung von Torsten Albig (SPD) und behielt den Job auch nach dem Regierungswechsel 2017.

Drei Rügen in 227 Reden

Habecks Landtags-„Personalakte“ weist aber auch drei Rügen auf. Zuletzt hatte das Präsidium im April 2014 seine Äußerung „Hören Sie doch mit dem Quatsch auf“ in Richtung des FDP-Abgeordneten Oliver Kumbartzky beanstandet. Zuvor hatte sich Habeck bereits mit zwei anderen Äußerungen Tadel eingefangen. Dazu gibt es am Donnerstag aber keinen Anlass.

„Das erste Mal war ich bannig nervös“, gesteht der „Draußenminister“. 2009 war er Fraktionschef, seine Grünen noch in der Opposition. Seine erste Landtagsrede war die Antwort auf die Regierungserklärung des damaligen Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen (CDU). Mittlerweile regieren Grüne und Union gemeinsam mit der FDP. Und das im Gegensatz zur aktuellen Politik auf Bundesebene weitgehend ohne Störgeräusche.

Der zweite Wechsel aus Kiel nach Berlin

Für die hat Habeck kein Verständnis. „Wer jetzt noch holzt, wie es früher gang und gäbe war, der hat nicht verstanden, was sich hier verändert hat“, sagt Habeck. Doch nun zieht es ihn nach Berlin. Zum 1. September gibt Habeck seinen Ministerposten an den bisherigen Grünen-Europaabgeordneten Jan Philipp Albrecht ab und konzentriert sich ganz auf den Bundesvorsitz seiner Partei. Das hatte die Parteibasis von ihm verlangt.

Nach dem langjährigen FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki wechselt binnen Monaten nun der zweite Spitzenpolitiker aus dem Norden nach Berlin. Bei seinen letzten Sätzen vor dem Kieler Parlament habe er sich beeilen müssen, damit er „nicht feuchte Augen gekriegt hat“, sagt Habeck. Er habe lange mit sich gerungen, die Arbeit in Kiel gegen den Bundesvorsitz einzutauschen. „Aber ich muss das machen, um mir treu zu bleiben.“ Das sei zwar ein bisschen absurd. Aber: „Ich muss jetzt gehen, um weitermachen zu können.“ Doch die Gummistiefel, die Habeck in den vergangenen Jahren bei Terminen auf dem Land oder am Meer getragen hat, die bleiben hier.