Busdorf/Hamburg. Schleswig-Holstein freut sich über den Titel für die beiden Wikingerstätten. Eine Forderung: Auf Windräder in der Region verzichten.

Am Sonntagnachmittag wollte Professor Claus von Carnap-Bornheim nur noch entspannen. „Jetzt werde ich in der Schlei schwimmen und abends Fußball gucken“, sagte der Chef des Archäologischen Landesamts Schleswig-Holsteins nach dem letzten offiziellen Termin am Vormittag mit Karin Prien, Landesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur.

Freude: Claus von Carnap-Bornheim und Karin Prien
Freude: Claus von Carnap-Bornheim und Karin Prien © dpa | Markus Scholz

Am Tag zuvor hatte von Carnap-Bornheim die wohl spannendsten Stunden seiner Karriere erlebt. In seinem Haus in der kleinen Gemeinde Fahrdorf verfolgte er gemeinsam mit seiner Frau den Livestream der Sitzung des Welterbekomitees der Unesco in der bahrainischen Hauptstadt Manama. Seine Anspannung löste sich erst, als gegen 16.45 Uhr der Hammer der Sitzungsleiterin fiel: „Inscribed.“ Eingetragen also. Damit dürfen sich die Wikingerstätten Haithabu und Danewerk ab sofort mit dem Titel „Weltkulturerbe“ schmücken. Die Stätte sei ein einzigartiges Zeugnis der Wikingerzeit und ihrer kulturellen Traditionen, hieß es zur Begründung.

Vor dem Erfolg kam eine Niederlage

Zwar galt die Aufnahme nach der Empfehlung durch den Weltdenkmalrat als fast sicher. „Aber man ist vor negativen Überraschungen nie gefeit“, sagt von Carnap-Bornheim.

Hier lebten einst die Wikinger. Jetzt ist Haithabu offiziell ein Weltkulturerbe
Hier lebten einst die Wikinger. Jetzt ist Haithabu offiziell ein Weltkulturerbe © TA CAPS / Thorsten Ahlf | TA CAPS / Thorsten Ahlf

Was in der Ärchäologieszene kaum jemand besser weiß als er. Denn mit der Unesco verbindet der Wissenschaftler auch eine ganz bittere Erfahrung. 2015 wähnten sich Haithabu und Danewerk ebenfalls fast schon als Sieger, die gemeinsame internationale Bewerbung Island, Dänemark, Lettland und Norwegen galt als wegweisend. Doch dann wies das Welterbekomitee den Antrag zur weiteren Überarbeitung zurück. „Wir sind als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet“, sagt von Carnap-Bornheim, in Personalunion auch Direktor der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf.

Drei ausgezeichnete Stätten

Er habe zwei bis drei Monate gebraucht­, um die Resignation zu überwinden. Doch dann setzte sich sein Kampfgeist durch. Schnell entschieden sich die Schleswig-Holsteiner, auf eine deutsche Einzelbewerbung zu gehen.

„Ein Ziel fest vor Augen beharrlich gemeinsam zu verfolgen, nicht aufzugeben, auch wenn die Dinge mal nicht zu klappen scheinen, war auch hier das Erfolgskonzept“, sagte Ministerin Prien und sprach von einem Sieg der Kategorie „Weltklasse“. Mit der hansestädtischen Altstadt von Lübeck und mit dem Weltnaturerbe Wattenmeer hat ihr Bundesland nun drei von der Unesco ausgezeichnete Stätten. Auch die deutsche Unesco-Chefin Maria Böhmer freute sich: „14 Jahre Arbeit an dieser herausragenden Nominierung sind damit erfolgreich zu Ende gegangen.“ Jetzt gelte es, Haithabu­ und das Danewerk als Erbe der Menschheit zu erhalten. „Die Stätte macht deutlich, dass unsere Geschichte seit jeher vom Handel und Austausch über nationalstaatliche Grenzen hinweg geprägt ist.“

Wichtig für Erforschung der Wikingerzeit

Die Befestigungsanlage Danewerk und der Handelsplatz Haithabu in Schleswig-Holstein gehören zu den bedeutendsten archäologischen Zeugnissen Nordeuropas. Das Danewerk bestand im Mittelalter aus Erdwällen, Mauern, Gräben und einem Sperrwerk in der Schlei. Das Verteidigungssystem sicherte die Grenze des dänischen Reichs.

Die Wikingerstadt Haithabu bei Schleswig war vom neunten bis elften Jahrhundert eines der bedeutendsten Handelszentren Nordeuropas. Sie lag zwischen dem fränkischen Reich und dem dänischen Reich auf einer wichtigen Route zwischen Nord- und Ostsee. 1897 wurde sie wiederentdeckt.

Die ersten Ausgrabungen begannen um 1900. Die Stätte sei wegen ihrer reichen archäologischen Funde von wesentlicher Bedeutung für die Erforschung der Wikingerzeit, sagte Böhmer.

Forderung: Auf Windräder verzichten

Von Carnap-Bornheim sieht den Titel als Ansporn und Verpflichtung: „Unsere Gäste werden jetzt mit einem neuen Bewusstsein kommen. Und ich hoffe auf einen Erkenntnisgewinn, wie wichtig unsere Arbeit ist.“ Der Museumschef appelliert an die Region, diesen Titel nun touristisch angemessen zu nutzen: „Da geht es nicht darum, ein weiteres Plastikschild irgendwo zu befestigen.“ Bei der Ausrichtung müssten drei Kriterien gelten: „Qualität, Qualität, Qualität.“

Dazu gehöre auch, weiter auf Windräder in der Region zu verzichten. Ministerin Prien versprach bei der Windenergieplanung: „Wir werden das bei der Landesplanung berücksichtigen, damit wir der Verantwortung, die wir übernommen haben, auch gerecht werden können.“

„Das Danewerk hat über Jahrhunderte wie kein anderes Wahrzeichen die Abgrenzung zum Deutschen verkörpert“, sagte der Vorsitzende des kulturellen Dachverbands der dänischen Minderheit (Südschleswigscher Verein/SSF), Jon Hardon Hansen. „Deshalb ist es eine Ironie und ein Segen der Geschichte, wenn wir heute gemeinsam feiern, dass wir das Danewerk in deutsch-dänischer Eintracht bis hin zum Weltkulturerbe getragen haben.“

Mit Spannung wartet von Carnap-Bornheim nun auf die Plakette, die mit der Auszeichnung verbunden ist. Er rechnet fest mit zwei Exemplaren, schließlich wären sowohl das Danewerk als auch Haithabu angemessen zu würdigen: „Wir werden angemessene Plätze dafür finden.“

Das Wikinger-Museum Haithabu liegt etwa vier Kilometer südöstlich von Schloss Gottorf entfernt in der Gemeinde Busdorf, Ortsteil Haddeby. Eintritt: Erwachsene 7 Euro, Kinder 5 Euro.
Das Danewerk-Museum liegt in der Nähe der A-7-Ausfahrt Schleswig/Jagel. Eintritt: Erwachsene 3 Euro, Kinder 1 Euro