Neumünster. Namhafte Sozialdemokraten fordern neue Führung. Der Parteichef will erst Ende 2018 entscheiden.

Nach einer Serie von Wahlniederlagen in den vergangenen Jahren wird in der schleswig-holsteinischen SPD die Führungsfrage gestellt. Erstmals auf einem Parteitag formulierten namhafte Sozialdemokraten am Sonnabend in Neumünster offene Rückzugsappelle an den seit 2007 amtierenden Landesvorsitzenden Ralf Stegner. Der Landtagsfraktionschef sagte darauf, die nächste Vorstandswahl stehe im April 2019 an.

Landesvorstandsmitglied Frank Nägele sagte zu einer personellen Erneuerung: „Lasst uns das an den Gliedern, aber lasst uns das auch am Haupt tun.“ Dies dürfe auch nicht erst 2021 geschehen, sondern müsse früher passieren, sagte der Ex-Wirtschaftsstaats­sekretär. 2022 ist die nächste Landtagswahl. Der 58 Jahre alte Stegner strebt für 2021 einen Mitgliederentscheid über die Spitzenkandidatur an. Er selbst will dafür nicht antreten.

Auch Ex-Wirtschaftsminister Reinhard Meyer legte Stegner in der ungewöhnlich kritischen Debatte nahe, in absehbarer Zeit den Weg freizumachen. „Es muss einen klaren Zeitplan der personellen Erneuerung geben“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Meyer: „Wenn sich nichts ändert, reden wir nicht von fünf Jahren Opposition, sondern von zehn.“ Wer bei der SPD etwas werde, regele die Partei durch geheime Wahlen, sagte Stegner. Dabei entscheide die Mehrheit. Mit Blick auf die Vorstandswahl 2019 sagte Stegner nach der Debatte: „Wer kandidieren möchte, meldet sich.“ Er will nicht vor Ende 2018 bekannt geben, ob er wieder antritt.

SPD hofft auch Kommunalwahl

Zu den öffentlichen Rückzugs­forderungen sagte er, mit kritischen Diskussionen habe er kein Problem: „Das ist okay.“ Bei der Wiederwahl zum Landesvorsitzenden Ende Januar dieses Jahres hatte er 91,4 Prozent bekommen.

Die SPD hatte die Landtagswahl im Mai deutlich verloren und musste in die Opposition. Dies habe sie selbst verschuldet, sagte Meyer. Die Niederlage bei der Bundestagswahl im September bedeutete einen weiteren Rückschlag für die SPD. Sie hofft, bei der Kommunalwahl in einem halben Jahr wieder in die Erfolgsspur zu kommen.

Die SPD sollte ihre Führung in Hände von Menschen geben, die Wahlen gewinnen können, sagte Nägele und nannte erfolgreiche Kommunalpolitiker, darunter die Oberbürgermeister Simone Lange (Flensburg) und Ulf Kämpfer (Kiel).

„Ich habe gespürt, dass die Partei viel Zuneigung hat zu frischen, sympathischen und wählbaren Gesichtern“, sagte Ex-Innenminister Andreas Breitner. Er denke unter anderem an Lange und den Bundestagsabgeordneten Sönke Rix.

Dieser verwies zurückhaltend auf die Vorstandswahl 2019. Aktuell gehe es darum, wie sich die SPD als Oppositionspartei aufstelle und Fehler der Vergangenheit aufarbeite.

Selbstkritik fange in der Führung an, sagte Stegner. „Also auch bei mir.“ An den Wahlniederlagen gebe es nichts zu beschönigen. Inhaltliche Impulse zu geben sei aber wichtiger, als zu diskutieren, „wer etwas wird oder bleibt“. Erneuerung heiße nicht, dass alles Neue gut und alles Alte schlecht sei. „Die Gegner sind nicht in der eigenen Partei“, betonte Stegner.

Stegner distanziert sich von Schröders „Agenda“-Politik

Im Wahlkampf Gerechtigkeitsfragen in den Mittelpunkt zu stellen sei richtig gewesen­. „Manchmal war es zu wenig konkret, manchmal fehlte die Zuspitzung.“ Stegner plädierte dafür, sich für die Lage-Analyse ausreichend Zeit zu nehmen. Der Bundestagsabgeordnete Ernst-Dieter Rossmann kritisierte, es habe eine fast zwanghafte Fixierung auf den Begriff Gerechtigkeit gegeben. Gefehlt habe der Bezug zu Schleswig-Holstein.

„Nichts von dem, was Ralf gesagt hat, ist falsch“, sagte Flensburgs Oberbürgermeisterin Lange. Die Parteiprogramme seien gut. „Trotzdem verlieren wir seit Jahren in Schleswig-Holstein Wahlen.“ Im Blick auf die Zukunft müsse die SPD Lösungen finden, personell und inhaltlich. Ohne Stegner beim Namen zu nennen, fragte der Delegierte Björn Uhde, weshalb er sich erst jetzt an die Spitze der Erneuerung stellen wolle und nicht bereits vor zwei, drei Jahren.

Ein Rechtsruck dürfe nicht die Antwort sein

Der SPD-Bundesvize Stegner machte deutlich, dass sich die Partei nach seiner Überzeugung weiterhin als linke Volkspartei profilieren muss. Er distanzierte sich von der Agendapolitik unter Gerhard Schröder. Das Schröder/Blair-Papier und andere Dinge seien neoliberale Verirrungen gewesen. „Wir müssen uns davon abwenden.“ Die deutsche Sozialdemokratie stehe am Scheideweg, sagte Stegner auch im Blick auf Europa insgesamt.

Ein Rechtsruck wie bei den Genossen in Dänemark oder Österreich dürfe nicht die Antwort sein, sagte Stegner. Die SPD müsse sich wieder stärker um die konkreten Alltagssorgen der Menschen kümmern.