Neumünster. Die Grünen stimmen für Koalitionsverhandlungen mit CDU und FDP in Schleswig-Holstein. Doch es gibt auch Bedenken.

Den Ton hatte Robert Habeck, der Chefstratege der schleswig-holsteinischen Grünen, schon vor dem Parteitag angeschlagen. „Es liegt jetzt an uns“, hatte er wenige Stunden vor der Abstimmung auf seiner Internetseite geschrieben: „Was wir immer gesucht haben, ist Verantwortung.“

In der Neumünsteraner Stadthalle fanden die Grünen jede Menge Verantwortung: 112 von 129 Delegierten votierten am Dienstag für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit CDU und FDP. Die Grünen segeln mit dem Rückenwind einer satten Mehrheit Richtung „Jamaika“. Unklar ist dennoch, ob sie dort auch ankommen werden.

Koalitionsverhandlungen nicht ohne Bauschmerzen

Denn es gibt auch Bedenken. „Angesichts der großen inhaltlichen Unterschiede wird das Aushandeln eines Koalitionsvertrags eine sportliche Aufgabe“, sagte Monika Heinold, Spitzenkandidatin und Verhandlungsführerin der Grünen. „Wir sind nicht zu allem bereit, wir sind nicht das Stützrad von Schwarz-Gelb.“ Heinold plädierte dennoch dafür, die Koalitionsverhandlungen aufzunehmen. „Fordern wir CDU und FDP heraus!“, sagte sie. Die Verhandlungen seien zunächst unverbindlich. „Wir können jederzeit Stopp sagen“, so Heinold. Am Ende sollen die Mitglieder entscheiden, ob die Grünen einen „Jamaika“-Koalitionsvertrag unterschreiben. Die Abstimmung soll übers Internet erfolgen.

So stimmten CDU und FDP

Beim Parteitag bot sich folgendes Bild: Viele Redner plädierten für Koalitionsverhandlungen, bekannten aber auch, Bauchschmerzen zu haben. Man müsse „jederzeit ausstiegsbereit“ sein, sagte eine Delegierte. Was zähle, sei ausschließlich das Ergebnis der Verhandlungen, sagte ein anderer. Der Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz, Unterstützer von Verhandlungen, sagte: „Wir können auch sehr selbstbewusst Nein sagen.“ Der Landtagsabgeordnete Rasmus Andresen fand, der CDU-Spitzenkandidat Daniel Günther habe „viele Leichen im Keller“. Seine Kollegin Marret Bohn erklärte: „Jamaika ist ganz weit weg, ich fahre lieber nach Föhr.“ Dennoch müsse man verhandeln.

Druck auf die Grünen gestiegen

Nur wenige Delegierte lehnten Verhandlungen rundweg ab. Eine Grüne aus dem Kreis Steinburg sagte, sie werde ihre Ämter und Mandaten zur Verfügung stellen, wenn es zu „Jamaika“ käme. Es blieb eine Einzelstimme.

Der Druck auf die Grünen, in Koalitionsverhandlungen einzutreten, war zuletzt beständig gestiegen, denn rein rechnerisch gibt es im Kieler Landtag durchaus noch andere Wege zur Regierungsmehrheit. Nur scheitern sie allesamt an Konflikten personeller oder inhaltlicher Art. Mit der AfD will niemand koalieren. Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW), mit zwei Sitzen im Parlament, hatte schon vor der Wahl gesagt, dass er in die Opposition gehen werde, falls die Küstenkoalition mit SPD und Grünen keine Mehrheit finden sollte. Eine Große Koalition (CDU und SPD) scheitert sowohl an der CDU als auch an der SPD. Komplett ausgeschlossen wurde sie am Ende von den Sozialdemokraten.

Eine ebenfalls mögliche Ampel-Koalition (SPD, Grüne, FDP) zersägte die FDP mit immer neuen Presseverlautbarungen lustvoll in immer kleinere Stücke – eine salamitaktische Meisterleistung. Schließlich blieb nur noch „Jamaika“ übrig – oder eben Neuwahlen. Sie kämen allerdings erstens einer politischen Bankrotterklärung gleich und wären zweitens wohl nur mit den Stimmen der AfD erreichbar. Denn zur Auflösung des Parlaments bedarf es einer Zweidrittelmehrheit – und die SPD hat bereits erklärt, hierbei nicht mitspielen zu wollen.

Ziel ist es, bis Ende Juni einen Koalitionsvertrag vorzulegen

Scheitern die „Jamaika“-Verhandlungen, schlittert Schleswig-Holstein deshalb wohl in ein Machtvakuum. Der Ministerpräsident Torsten Albig bliebe mit seiner Landesregierung im Amt, könnte aber kaum etwas entscheiden, weil ihm die Parlamentsmehrheit fehlt. Dieser Zustand wird erst dann beendet, wenn sich irgendwann eine Zweidrittelmehrheit für Neuwahlen finden sollte – oder wenn es nach dem Verstreichen einer sommerlichen Schamfrist doch noch Gespräche über eine Ampel-Koalition geben sollte.

Aber so weit ist es noch nicht. In der kommenden Wochen beginnen nun die Koalitionsgespräche. Ende Juni könnte Daniel Günther (CDU) zum Ministerpräsidenten gewählt werden – falls die Reise nach Jamaika gelingt.