Hamburg. Wer ist der Mann, der Schleswig-Holsteins nächster Ministerpräsident werden könnte? Ein Porträt über einen leisen Politiker

Es ist in der Politik kein schweres Schicksal, unterschätzt zu werden. Helmut Kohl, die verlachte „Birne“ aus der Pfalz, wählten die Bundesbürger ebenso zum Bundeskanzler wie „Kohls Mädchen“ Angela Merkel. Und der „verklemmte Oberschüler“ Christian Wulff wurde erst Ministerpräsident und später Staatsoberhaupt. Nun macht Daniel Günther Karriere.

Das Unscheinbare, Schüchterne, fast Jungenhafte hat der 43-Jährige nicht versucht zu überspielen, er hat es in einen Vorteil umgemünzt. „Ich will nicht der bekannteste Schleswig-Holsteiner werden, sondern das Land gut regieren“, sagte er gern. Günther gehört zu den Politikern, die sich zurücknehmen können, zuhören – der geschlagene Ministerpräsident Torsten Albig stand im Ruf, sich am liebsten selbst reden zu hören. Günther war eher leise, nur selten scharf, dafür in der Sache konkret. Das machte ihn zu einem Herausforderer, dessen Gefährlichkeit der Gegner zu lange übersah. Selbst der Vorwurf einer Gewerkschafterin und SPD-Lokalpolitikerin in der NDR-Wahlarena, Günther habe sie als „Ver.di-Schlampe“ beleidigt, half dem Herausforderer sogar. Sie konnte die Unterstellung nicht beweisen. Wähler kamen zu dem Schluss, das passe nicht zu Günther, trauten der Konkurrenz hingegen plötzlich alles zu.

Er läuft gern und viel – und vor allem schnell

Albig hätte gewarnt sein können, denn Günther ist Ausdauersportler. Er läuft gern und viel – und vor allem schnell. Die Zehn-Kilometer absolviert er normalerweise in weniger als 45 Minuten, nur beim Volkslauf in Flensburg im März musste er sich wegen einer Zerrung überholen und verspotten lassen. Sein Wahlkampf glich sogar einem Marathon: Über Wochen fuhr er Tausende Kilometer durchs Land, traf sich mit Vereinen und Verbänden, setzte sich auf Podien in Dorfgasthöfen und trat immer wieder in seinen eigenen, arg amerikanisch angehauchten Wahlkampfarenen auf. Jeden Tag von morgens um 7 Uhr bis abends um 23 Uhr, bis an die Grenzen der Belastbarkeit. Auch für die Familie: Günther hat eine 15 Monate alte Tochter, die seine Gattin, eine Kinderärztin, zuletzt oft alleine erziehen musste. „Wenn Frieda mich im Fernseher sieht, winkt sie“, erzählt er. Und tröstet sich: „Es entscheiden nicht die vielen Stunden, sondern die intensiven.“

Günther ist ein Familienmensch. Der überzeugte Katholik („Der Glaube ist für mich wahnsinnig wichtig, auch bei meiner politischen Arbeit“) ist heimatverbunden. Seine Eltern haben ihre Wurzeln in Mecklenburg und Ostpreußen, Günther selbst ist überzeugter Schleswig-Holsteiner. Er wuchs in Eckernförde auf, baute dort sein Abitur, lebt bis heute in dem Ostseebad. In Kiel studierte er Politikwissenschaft, Volkswirtschaftslehre und Psychologie. Schon ein Jahr nach dem Abitur (Note 3,4) wird er Kreisvorsitzender der Jungen Union Rendsburg-Eckernförde und steigt danach rasch auf – mit 25 Jahren wird er stellvertretender Kreisvorsitzender der CDU Rendsburg-Eckernförde und Ratsherr seiner Heimatstadt. 2005 wird er Landesgeschäftsführer der Union, 2009 zieht er in den Landtag, 2014 übernimmt er den Fraktionsvorsitz. Als der designierte Spitzenkandidat Ingbert Liebing im Oktober 2016 überraschend hinwirft, läuft alles auf Daniel Günther hinaus. Zunächst hadert er mit der Blitzkarriere, macht deutlich, dass diese Aufgabe für ihn arg früh komme.

Offensiv wirbt Günther für die Rechte von Homosexuellen

Inhaltlich passt der mögliche neue Ministerpräsident nicht ins klassische Links-Rechts-Schema. Offensiv wirbt Günther im konservativen Norden für die Rechte von Homosexuellen; zugleich machte er sich für Schweinefleisch in Kantinen stark. „Wenn mein muslimischer Nachbar zum Grillen kommt, gibt es für ihn Lamm, aber ich darf doch trotzdem Schweinefleisch essen“, sagt er heute. Ihm ging es in der Integrationsdebatte um das Signal: Jetzt ist es auch mal gut. Zwar hat er sein Wahlziel „35 Plus“ um drei Prozentpunkte verfehlt, geht aber in der Pole Position in Koalitionsverhandlungen. Ob es am Ende reicht, hängt nun an Grünen und Liberalen.