Westerland. Die Lieblingsinsel der Hamburger ist nur sehr schwer zu erreichen – ausgerechnet am ersten frühlingshaften Wochenende.

Die Ferien haben begonnen, und manch Hamburger mag sich denken: Nichts wie ab nach Sylt. Doch Autofahrer haben da ein Problem: An diesem Sonnabend wird der Autozug-Verkehr für 18 Stunden komplett eingestellt. Der letzte Zug fährt um 17.35 Uhr in Niebüll ab. Danach ist Schluss. Der erste Zug ab Niebüll startet erst wieder am Sonntag um 12.35 Uhr. Grund sind Bauarbeiten im Keitumer Bahnhof.

Für die Touristeninsel Sylt ist das eine schlechte Nachricht. Sie reiht sich ein in eine ganze Serie von schlechten Nachrichten, die die Insulaner in den vergangenen Monaten zu verkraften hatten. Die Lebensader der Insel, der Hindenburgdamm, wird immer mehr zum Hindernis. Manche Hotels sind schon dazu übergegangen, Mitarbeitern, die auf dem Festland wohnen, zur Übernachtung ein Hotelzimmer anzubieten – damit sie am nächsten Tag wieder rechtzeitig am Arbeitsplatz sein können, ohne Stunden im Zug zu verbringen. Im Westerländer Hotel Stadt Hamburg ist das zum Beispiel so. Direktor Hans-Christian Wirsich spricht nicht gern darüber. Er sagt nur: „Das ist doch selbstverständlich, dass wir unseren Mitarbeitern helfen.“

Ausgerechnet jetzt fällt auch die Fähre aus

„Die Situation ist sehr misslich“, sagt Peter Schnittgard, Bürgervorsteher der Gemeinde Sylt. An diesem Wochenende ist sie vor allem deshalb misslich, weil auch der zweite Transportweg versperrt ist. Die Autofähre, die zwischen der dänischen Insel Romo und List auf Sylt verkehrt, hat ausgerechnet jetzt ihren alljährlichen Werftaufenthalt. „Das ist einfach schlechte Koordination“, findet Schnittgard. Offen bleibt, wer für eine bessere Abstimmung hätte sorgen müssen.

Die Deutsche Bahn (DB), die für die Bahnstrecke verantwortlich ist, sieht sich nicht als zuständig. „Die Koordination ist nicht unsere Aufgabe“, sagt Bahnsprecher Egbert Meyer-Lovis. Die Aufträge für die Arbeiten in Keitum seien längst vergeben, eine Verschiebung nicht möglich. Der Termin stünde überdies schon seit Monaten fest. Ähnlich argumentiert die Fährreederei. Der Aufenthalt in der Werft werde sehr frühzeitig gebucht, eine Verschiebung sei schon allein deshalb ausgeschlossen, weil auch die Werft einen Belegungsplan habe, der kurzfristige Änderungen unmöglich mache. Schnittgard folgert: „Da müssen wir jetzt wohl durch.“

Bahn setzt „historisches Fahrzeugmaterial“ ein

So geht das nun schon eine Weile. Die Bahnverbindung liefert immer neuen Gesprächsstoff. Beispiel RDC: Das kleine Eisenbahnunternehmen gewann zwar bei der letzten Ausschreibung einige Autozugstrecken und wollte dort alles besser machen als der Konkurrent Deutsche Bahn, brauchte aber Monate, um überhaupt provisorisch umgebaute Waggons über den Hindenburgdamm zu schicken.

Beispiel DB: Sie gewann zwar bei der letzten Ausschreibung die Strecke Hamburg-Westerland, erbte vom Vorgänger aber eine nicht einsatzbereite Waggonflotte – und ist seitdem bemüht, wenigstens einen Ersatzverkehr mit Zugmaterial sicherzustellen, das aus der gesamten Bundesrepublik zusammengesucht wurde. „Wir fahren dort jetzt mit sieben verschiedenen Personenwaggon-Bauarten“, sagt Bahnsprecher Meyer-Lovis.

Immer wieder Ärger über die Bahnwaggons

Dennis Fiedel von der landeseigenen Verkehrsgesellschaft, die den ÖPNV in Schleswig-Holstein organisiert, spricht von „historischem Fahrzeugmaterial“. Angesichts der Umstände ist es durchaus verwunderlich, dass die Pünktlichkeit auf der Strecke bei 95 Prozent liegt. Dennoch: Mal sind ungeheizte Waggons unterwegs, mal sind Züge zu kurz, dass Passagiere nicht mitkommen, mal ist das „historische Material“ einfach nicht einsatzbereit.

Bessern wird sich das erst, wenn die 90 modernen Bombardier-Waggons wieder fahren können. Sie werden derzeit auf Kupplungsschäden untersucht. Ein Gutachten dazu soll im März vorgelegt werden. Die Hoffnung ist, dass wenigstens ein Teil der Flotte wieder verkehren kann. „Wir gehen davon aus, dass etwa die Hälfte der Kupplungen in Ordnung sind“, sagt Dennis Fiedel. „Diese Waggons könnten wir dann wieder zu Zügen zusammenbauen.“ Der Bürgervorsteher Peter Schnittgard glaubt, dass das zu einer schlagartigen Verbesserung führen würde. „Entspannung ist in Aussicht“, sagt er. Nach derzeitigem Kenntnisstand könnten die Waggons mit intakten Kupplungen Ende April oder Anfang Mai wieder fahren, alle anderen dürften frühestens im Herbst einsatzbereit sein.

Zunächst aber gilt für die Sylter und für Touristen: Da müssen sie jetzt durch. Dieses Wochenende mit dem Ausfall der Autozüge ist nur ein Vorgeschmack auf das Wochenende 1./2. April. Nicht nur die Autozüge verkehren dann nach 19.30 Uhr nicht. In der Nacht wird auch der Personenverkehr eingestellt: Keine Züge am 2. April zwischen 0.30 Uhr und 9 Uhr. „Wir bauen alte Stellwerkstechnik ab und schalten aufs Stellwerk Husum um“, erklärt Bahnsprecher Meyer-Lovis.