Sylt . “Arme Sylter“ werden durch „reiche Fremde“ vertrieben? Nein, so ein Ex-Bauamtsleiter der Insel. Es würden bewusst Regeln unterlaufen.

In mangelndem Unrechtsbewusstsein und dem Unterlaufen von Regeln sieht der langjährige Sylter Bauamtsleiter Wolfgang Knuth Gründe für den Mangel an bezahlbarem Wohnraum auf der Nordseeinsel. „Unter den Beteiligten ist weder ein Unrechtsbewusstsein noch eine Solidarität zugunsten einer gesunden Entwicklung der Insel zu erkennen“, sagte Knuth. Dabei gebe es längst Regelungen, die dauerhaft Wohnraum sichern sollen. Doch nicht jeder halte sich daran. Der gebürtige Sylter war über 30 Jahre Leiter des Westerländer Bauamtes.

In Rantum lebten früher 50 Familien

Sein Geburtsort Rantum sei früher ein belebtes Dorf mit einem Kern von 50 einheimischen Familien gewesen. Heute lebten keine fünf mehr dort, bilanzierte Knuth die Entwicklung. In Klagen über die Vertreibung der „armen Sylter“ durch „reiche Ortsfremde“ stimmt der 67-jährige indes nicht ein. „Mir ist kein Fall bekannt, in dem ein Sylter von einem reichen Festländer aus dem Haus getrieben wurde.“

Auch das Klischee des Sylters, der „Kasse machen“ wolle, lässt er nicht gelten. „Der Radius der Menschen hat sich vergrößert. Viele Kinder gehen von der Insel, studieren, bauen sich auf dem Festland ein Leben auf. Da zieht man jenseits der 50 nicht mehr in sein Elternhaus ein.“ Und wenn doch bliebe die Problematik, Geschwister aufgrund der hohen Immobilienpreise nicht auszahlen zu können.

Ein kleines Haus kostet mindestens 500.000 Euro

Auf Sylt sind selbst kleine Reihenhäuser kaum noch für unter 500.000 Euro zu haben. Grenzen nach oben gibt es kaum, Folge: die Einheimischen wandern ab. Allein Niebüll registrierte in den vergangenen fünf Jahren 500 Zuzüge von Sylt. „Das Spannungsfeld zwischen Dauerwohnen, touristischem Wohnen und eigengenutztem Zweitwohnen führt in allen Fremdenverkehrsregionen zu Problemen.“

Regelungen, die eine Mischung zwischen Ferien- und Dauerwohnungen erhalten sollen, gibt es schon seit Anfang der 1980er Jahre. „Die Erhaltungssatzungen (§ 172 BauGB) regeln, dass bei Abrissen oder Umnutzungen von Gebäuden mindestens eine Dauerwohnung für Insulaner zu erhalten ist.“

Ein Wohnung pro Haus für Insulaner

Wird ein Einfamilienhaus verkauft, das bisher von einer Sylter Familie bewohnt wurde, müsste der Käufer eine Dauerwohnung von mindestens 70 Quadratmetern neu schaffen. Ein weiteres Gesetz solle den Abriss intakter Einfamilienhäuser zugunsten hauptsächlich selbstgenutzter Zweitwohnungen mit separatem Grundbuch verhindern. „Seit der Einführung der Gesetze wird mit allen Mitteln versucht, diese zu unterwandern“, sagt Knuth. Beispiel: Statt eine Wohnung fest an Insulaner zu vermieten, wird eine pensionierte Tante mit Erstwohnsitz in der Wohnung angemeldet. „Wie wollen Sie überprüfen, ob eine Wohnung dauerhaft genutzt wird?“, sagt Knuth.

Mittlerweile wird ein vom Land Schleswig-Holstein gefördertes Wohnraumentwicklungsprogramm umgesetzt. Knapp 3000 Dauerwohnungen sollen bis zum Jahr 2025 entstehen. „Allerdings verzichten einige Gemeinden ganz darauf, auch private Eigentümer in die Pflicht zu nehmen.“ Die Gemeinde Sylt hat sich nach langer Diskussion zu einem Kompromiss für Neubauten durchgerungen: Wer größer als 130 Quadratmeter baut, muss mindestens 60 Prozent der Fläche als Dauerwohnung zur Verfügung stellen. Ein stumpfes Schwert, findet Knuth. Ohne die Herstellung eines Mindestmaßes an Solidarität, die unter anderem auch alle am Immobilienhandel beteiligten Akteure einbezieht, werde es keinen wirklichen Durchbruch geben, ist er überzeugt.

Der Bürgermeister der Gemeinde Sylt, Nikolas Häckel, sieht das ganz ähnlich. „Bezahlbaren Wohnraum zu schaffen kann nicht allein die Aufgabe der Kommune sein. Wenn wir die Sylter auf der Insel halten und ein belebtes Sylt wollen, dann ist das eine gesellschaftliche Aufgabe.“ Rechtlich könne man das Schaffen von Dauerwohnraum nicht erzwingen, jeder einzelne müsse sich da in der Verantwortung sehen, so Häckel.