Niendorf/Ostsee. Abendblatt-Redakteurin Geneviève Wood macht den Test. Weltweit erster Schlafstrandkorb ist kuschelig. Doch eine Nacht ist nicht genug.
Der Sekt ist kalt gestellt, dazu liegt hier am Niendorfer Strand in der Lübecker Bucht Marzipan bereit. Natürlich das aus Lübeck! Es war ein schöner Tag mit Sonnenschein und Ostwind. Dieser typische Ostseegeruch nach Tang liegt in der Luft, und das Binnenmeer macht ein bisschen auf Nordsee und zeigt sich von der rauen Seite. Dazu geht bilderbuchmäßig die Sonne in Richtung Timmendorfer Strand unter. Ein perfekter Abend. Doch wie wird die Nacht? Eine Nacht im weltweit ersten Schlafstrandkorb.
Das Abendblatt durfte exklusiv den SSK (Schlafstrandkorb) vorab testen. Der Ostwind mag für die Kitesurfer, die am Abend noch auf der Ostsee unterwegs sind, perfekt sein, aber für eine Übernachtung am Strand könnten die Bedingungen ruhiger sein. Die Brandung ist laut, es ist kühl und windig. Aber hey, es regnet nicht! Wann habe ich überhaupt mal am Strand geschlafen? Noch nie, immer nur in Strandnähe im Zelt, im VW-Bus und im Wohnmobil.
Der Schlafstrandkorb, modern-maritim in Grau und Weiß gehalten, bietet mit seiner Breite von 1,30 Metern und 2,40 Metern Länge genug Platz für zwei Erwachsene, die sich mögen. Touristen und Einheimische können an acht Orten entlang der Ostsee zwischen Travemünde und Fehmarn einen XXL-Strandkorb für 15 bis 95 Euro buchen und eine Nacht unter Sternen verbringen. Acht Körbe stehen bereit, „um den Strand auf neue Art zu erleben“, wie es Katja Lauritzen vom Ostsee-Holstein Tourismus verspricht. Nach dieser Pilotphase können die Körbe im ganzen Land buchbar sein und sollen in Serienproduktion gehen.
Im Video: Strandkorb-Test an der Ostsee
Hergestellt wird der 5950 Euro teure Strandkorb in der Werkstatt der Stiftung Mensch in Meldorf. Ob die Idee der Tourismus-Agentur Schleswig-Holstein und ihrer Partner eine gute war, wird die Nacht zeigen. Toilette, Dusche und Waschbecken sind nur wenige Meter entfernt. Weil ich als Schlafstrandkorbneuling nicht wusste, was mich erwartet, habe ich mich für die luxuriösere 95-Euro-Variante mit Hotelanschluss entschieden.
So könnte ich jederzeit in das SeeHuus Lifestyle Hotel wechseln und im Bett weiterschlafen, falls es gewittert, es kalt ist oder mich der Mut verlässt, am Strand vor dem Hotel mit den Naturgewalten. Das wäre allerdings eine Schmach so als mutiger Pionier. Praktisch ist, dass ich zum Untergeschoss des Hotels mit Waschbecken (Zähneputzen), Dusche (am nächsten Morgen) und Toilette nur eine Minute benötige. Weil ich nicht ganz so mutig bin, habe ich meine Tochter mitgenommen, die von diesem Experiment sofort begeistert war.
Der XXL-Strandkorb hat Bettdecken wie im Hotel
Gegen 21.45 Uhr geht es ab ins Körbchen. Matratze und Bettdecken sind frisch bezogen – wie im Hotel. Dazu liegen Wolldecken bereit. Weil die Sonne so schön untergeht, die kühle Luft guttut, lassen wir den Korb offen. Obwohl wir allein am Strand sind, fühlen wir uns nicht einsam. Im Hochsommer wird sicherlich mehr Trubel sein. Es wird Ernst: Zeit zum Schlafen. Schließen lässt sich der XXL-Strandkorb mit einer wetterfesten Persenning – das Prinzip ähnelt einem Aufklappdach beim VW-Bus.
Die Stöpsel im Ohr dämpfen die Brandungsgeräusche, und der Korb und ich finden auf Anhieb zueinander. Das liegt auch am einsetzenden leichten Regen. Mein Korb ist der Freund, der Geborgenheit gibt und Wärme. So viel, dass die Wärmflasche und der Daunenschlafsack, die ich mitgebracht habe, überflüssig sein werden.
Lüftungsnetze wie bei einem Zelt
Das Meer ist so nah und unser Begleiter. „Es fühlt sich an, als ob man auf dem Meer schaukelt, weil das Meer so laut ist“, sagt Lina noch, bevor sie innerhalb weniger Minuten einschläft. Bei mir dauert es länger. Frische Luft kommt durch die Lüftungsnetze wie bei einem Zelt. Es ist nicht mehr richtig dunkel, als die Nacht zum ersten Mal gegen 3.50 Uhr unterbrochen wird.
Trotz der kleinen Schotten vor den zwei Bullaugen und dem verschlossenen Fenster in der Persenning ist es hell, und ab fünf Uhr geht nichts mehr. Die Spatzen sind wach und ich auch. Mal sehen, wie es draußen aussieht. Ich muss nicht den Deckel öffen, sondern gucke durch das Bullauge auf das Meer: Es hat sich beruhigt, und der Ostwind ist abgeflaut. Schade, dass ich den Sonnenaufgang verpasst habe, aber der Himmel ist so bewölkt, dass bestimmt nicht viel zu sehen war. Um 6.25 Uhr fährt ein Trecker von links nach rechts am Strand entlang und glättet den Sandboden, 20 Minuten fährt er von rechts nach links. Ich fühle mich in meinem Kokon sicher und geborgen, das Töchterchen schläft immer noch. Sonst geschieht nichts.
Das Strandkorb-Schlummern: Gemütlicher geht es kaum
Niendorf scheint noch zu schlafen. Ich liege einfach da und lausche dem Meer. Gemütlicher geht es kaum noch. Was für ein Start in den Tag! Ein Radio mit Batterie, das uns Hoteldirektorin Alexandra von Oven-Batsch am Abend überreicht hatte, spielt „Paradise“ von Coldplay. Ja, es ist paradiesisch, eingehüllt und beschützt im Schlafstrandkorb zu liegen. Die Angst vor der Einsamkeit am Strand war mit dem Zuklappen der Persenning verflogen. Nur einen Haken hat das Strandkorbexperiment: Eine Nacht ist viel zu wenig.