Kiel. Weiterbau der Küstenautobahn ist gefährdet. Politik und Wirtschaft reagieren empört auf Forderung. Urteil am Donnerstag erwartet.

Die Forderung des Umweltbundesamtes (UBA), den Bau der A20 von Schleswig-Holstein nach Niedersachsen zu streichen, hat in Politik und Wirtschaft im Norden massiven Widerspruch ausgelöst. Der schleswig-holsteinische CDU-Landesvorsitzende Ingbert Liebing appellierte in einem Brief an Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD), die Irritationen durch eine klare Distanzierung zu beenden. Hendricks selber äußerte sich bisher nicht öffentlich. Eine Ministeriumssprecherin ließ auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur offen, wie sich das Ministerium positionieren wird.

Das Umweltbundesamt forderte in einer Stellungnahme zum Entwurf des Bundesverkehrswegeplans 2030, von den 605 vordringlichen Projekten 41 ganz zu streichen - aus Naturschutzgründen, wegen des hohen Flächenverbrauchs und der Luftbelastung. Zu den Streichprojekten sollte nach Ansicht der Umweltbehörde auch die 158 Kilometer lange geplante A20-Strecke von Hohenfelde in Schleswig-Holstein nach Westerstede in Niedersachsen samt dem geplanten Elbtunnel gehören.

Ebenfalls gestrichen werden muss nach Auffassung des Amtes der 9,7 Kilometer lange Neu- beziehungsweise Ausbau der A21 von Bargteheide nach Schwarzenbek und der 19,8 Kilometer lange Bau der A26 zwischen den Autobahnen 7 und 1 im Süderelbbereich - die Hafenquerspange soll die Verkehrsanbindung des Hamburger Hafens verbessern.

"Der Verkehrssektor ist ein Sorgenkind des Klimaschutzes"

Nach den Vorstellungen von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) soll das Kabinett den Verkehrswegeplan im Juli beschließen. Eine Sprecherin des Bundesumweltministeriums sagte am Mittwoch, als Fachbehörde sei das UBA frei, zu einer Vielzahl von Themen Stellungnahmen abzugeben - auf Basis seiner wissenschaftlichen Erkenntnisse. „In die Freiheit des Amtes mischt sich Bundesumweltministerin Hendricks nicht ein, genauso wenig, wie es ihre Amtsvorgänger getan haben.“ In der anstehenden internen Ressortabstimmung zur Aufstellung des Verkehrswegeplanes werde das Ministerium seine Position vertreten. „Vorher werden wir uns nicht zu Details äußern.“

So viel lasse sich aber jetzt schon sagen: „Wir sehen uns die Pläne unter dem Aspekt des Klimaschutzes sorgfältig an. Der Verkehrssektor ist ein Sorgenkind des Klimaschutzes. Das sieht man zum Beispiel daran, dass die Treibhausgasemissionen seit Jahrzehnten stagnieren. Um im Verkehrssektor wirksamen Klimaschutz erreichen zu können, ist es wichtig, dass die E-Mobilität vorankommt.“ Die jüngsten Beschlüsse zur E-Mobilität seien ein wichtiges Signal, „dass wir es ernst meinen mit dem umweltfreundlichen Umbau des Verkehrssektors“.

Liebing betonte, die A20 mit westlicher Elbquerung sei das wichtigste Projekt für Schleswig-Holstein zur Zukunftssicherung. Hendricks müsse klarstellen, „dass diese Diskussion nichts anderes ist als ein Sturm im Wasserglas“.

Kritik aus Schleswig-Holstein

Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) zeigte sich überzeugt, dass die Einwände der Behörde den angestrebten Weiterbau der Autobahn nicht verhindern werden. „Wir sagen sehr deutlich, der Nutzen der A20 ist unbestritten für Schleswig-Holstein und für ganz Norddeutschland, und deswegen sind wir der Auffassung, dieses Projekt wird kommen“, sagte Meyer. Ihn habe die Kritik der Umweltbehörde irritiert. Dass der betreffende Bereich der A20 ein ökologisch sensibles Gebiet sei, bestreite niemand. Das Amt habe in seiner Bewertung aber nicht den Verkehrsnutzen gegengerechnet - und der sei wesentlich höher. Bundes- und Landesregierung wollten die A20 weiterbauen, unterstrich Meyer.

Massive Kritik übte der stellvertretende FDP-Landtagsfraktionschef Christopher Vogt. „Die eindimensionale Betrachtung wichtiger Verkehrsprojekte wie der A20, der A21 und der Hafenquerspange durch die Bundesumweltministerin ist wirklich atemberaubend und kann nur als Umweltpolitik von vorgestern bezeichnet werden.“ Als berechtigt werteten dagegen die Grünen die Kritik der Behörde. „Die A20 beansprucht viel Fläche, verursacht hohe Kosten für den Naturschutz und trägt zu einem erheblichen Teil zu einer Erhöhung der Lärm- und Klimaemissionen sowie der Luftschadstoffe bei“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Landtagsfraktion, Andreas Tietze.

Auch juristisch droht Ärger

Unverständnis äußerte der Unternehmensverband Unterelbe-Westküste. Geschäftsführer Ken Blöcker sagte, die Kritik sei einseitig. Zudem blieben die Umweltschäden unerwähnt, die seit Jahrzehnten durch das Fehlen der Autobahn entstünden. „Lkw stehen im Stau oder müssen lange Umwege in Kauf nehmen, mit dem Effekt des höheren Emissionsausstoßes - Tendenz in den kommenden Jahren steigend.“

Der Ausbau der A20 ist auch juristisch gefährdet. Das Bundesverwaltungsgericht will am Donnerstag in Leipzig über sechs Klagen gegen Schleswig-Holsteins Planfeststellungsbeschluss für die Elbquerung der A20 entscheiden.