Hamburg/Sylt. Die Nord-Ostsee-Bahn befürchtet, dass sie den Fahrplan nicht mehr einhalten kann, weil Deutsche Bahn und RDC ihr Angebot ausweiten.

Sylt ist eines der beliebtesten Ferienziele in Deutschland. Die meisten Gäste und Pendler reisen mit dem Zug auf die Nordseeinsel. Doch bei der An- und Abreise dürfte es spätestens von Februar zu massiven Verzögerungen kommen, weil deutlich mehr Verkehr auf der Bahnstrecke zwischen Westerland auf Sylt und dem Festland verkehrt.

Die Deutsche Bahn (DB) hat für ihren Autoreisezug „Sylt Shuttle“ von Niebüll auf die Insel täglich 55 Trassen (Fahrten) erhalten und fährt jetzt seit dem Fahrplanwechsel am 13. Dezember durchgängig alle 30 Minuten statt vorher nur alle 60 oder 90 Minuten (wir berichteten). Nach Abendblatt-Information wird die Zahl der Fahrten künftig um 6000 pro Jahr auf 20.000 steigen. Außerdem soll künftig an jeden der Autoreisezüge ein Zug zur Personenbeförderung in Niebüll gehängt werden – in dieser Woche war das erst bei der Hälfte der Züge der Fall.

Nord-Ostsee-Bahn sieht Schiwerigkeiten bei Erfüllung des Fahrplans

Von Februar an wird es richtig eng auf der Strecke, denn dann wird zum ersten Mal auch der Mitanbieter RDC Deutschland einen Autoreisezug anbieten – das Verkehrsunternehmen hat sich 98 Trassen pro Woche gesichert. Das hatte die DB versucht zu verhindern, jedoch ohne Erfolg.

Christian Schreyer, Vorsitzender der Geschäftsführung der Transdev GmbH
Christian Schreyer, Vorsitzender der Geschäftsführung der Transdev GmbH © Marion Masuch | Marion Masuch

Mit großer Sorge betrachtet diese Entwicklung unterdessen die Nord-Ostsee-Bahn (NOB), die täglich mit ihren Nahverkehrszügen bis zu 29-mal die Strecke Hamburg-Altona–Westerland bedient. Etwa 17.000 Fahrgäste nutzen die NOB am Tag: „Wir steuern hier auf der Strecke zwischen Hamburg und Sylt auf ein Verkehrschaos zu, das die NOB zwar nicht zu verantworten hat, aber trotzdem werden unsere Fahrgäste die Leidtragenden sein. Es könnte passieren, dass der Fahrplan so nicht fahrbar sein wird“, sagte Christian Schreyer, Vorsitzender der Geschäftsführung der Transdev GmbH – zu der die NOB gehört.

Der Transdev-Chef nennt konkret die Gründe für seine Befürchtungen: „Von Februar 2016 an wird RDC Deutschland Autozugfahrten zwischen Niebüll und Westerland anbieten, ebenso die Deutsche Bahn, die nun auch noch Personenwagen in Niebüll an ihren Autozug ankuppelt. Durch diese Rangierarbeiten wird es zu Zeitverzögerungen und Trassenkonflikten kommen.“

Für Schreyer steht fest: „Wenn das Nadelöhr Niebüll verstopft ist, dann müssen unsere Züge warten. Die Verspätungen, die sich dadurch ergeben, wirken sich dann auf unseren gesamten Fahrplan aus.“

Auch NAH.SH sieht Probleme auf der Sylt-Strecke

Die NAH.SH, die für das Land Schleswig-Holstein für den Schienenpersonennahverkehr verantwortlich ist, sieht das ähnlich: „Durch das Rangieren beim neuen Sylt-Shuttle plus der Deutschen Bahn dürfte es schwierig werden, den Fahrplan einzuhalten. Natürlich hat das dann auch Auswirkungen auf die anderen Züge auf dieser stark belasteten Strecke, und die Fahrgäste müssen mit Verspätungen rechnen“, sagte Sprecher Dennis Fiedel.

Wie berichtet, hatte der neue Fahrplan bereits für Zündstoff gesorgt. Der schleswig-holsteinische Verkehrsstaatssekretär Frank Nägele (SPD) hatte sich bereits mit einem Brandbrief (liegt dem Abendblatt vor) an die DB, die RDC und die Bundesnetzagentur gewandt und den neuen Fahrplan als „nicht fahrbar“ bezeichnet.

Auch Transdev-Chef Schreyer kennt das Nägele-Schreiben: „Der Staatssekretär hat gemeinsam mit der NAH.SH diese Trassen für den Nahverkehr gesichert, um sie dann der DB für den Sylt-Shuttle zukommen zu lassen und diese RDC vorzuenthalten.“

Dass sich Nägele nun besorgt zeige über die von ihm selbst mit verursachte Situation, sei geradezu paradox. In zahlreichen Gesprächsrunden habe die NOB schon frühzeitig klargemacht, dass unter diesen neuen Voraussetzungen die Strecke überlastet sei. Allerdings: „Wir konnten zwar warnen, aber hatten ja keinen Einfluss auf die Entscheidungen.“

Bereits am vergangenen Sonntag gab es bis zu 80 Minuten Verspätung

Transdev-Chef Schreyer appelliert an die Verkehrsunternehmen: „DB und RDC müssen sich dringend an einen Tisch setzen. Ziel muss es sein, dass die Deutsche Bahn auf einen Teil der Trassen verzichtet oder ihren Sylt-Shuttle Plus wieder aufgibt – nur so kann das Chaos noch abgewendet werden.“

Die DB wird darauf wohl nicht eingehen: „Im gesamten Verfahren seit Jahresanfang für die Vergaben von Rahmenverträgen und Trassen zwischen Niebüll und Westerland haben wir alle maßgeblichen rechtlichen Rahmenbedingungen eingehalten“, sagte Sprecher Egbert Meyer-Lovis.

Unterdessen kam es in dieser Woche, der neue Fahrplan gilt seit Sonntag, 13. Dezember, bereits zu Problemen: Vergangenen Dienstag etwa kamen die Fahrgäste mit der Verbindung um 8.35 Uhr 80 Minuten später in Westerland an.

In den sozialen Netzwerken wird das Thema emotional diskutiert. Chaos wird vor allem nach den Weihnachts­tagen befürchtet; kurz vor Silvester ist auf der Insel Sylt noch einmal Hoch­saison.