Lübeck-Travemünde. Das Bahnhofsumfeld verfällt, Geschäfte geben auf. Zwei neue Ferienanlagen sollen Aufwind bringen. Travemünde will sich neu erfinden.
Travemünde ist eines der traditionsreichsten Seebäder Europas. Hier an der Ostsee verbrachte einst die feine Gesellschaft ihre Sommerfrische. Literaturnobelpreisträger Thomas Mann etwa liebte das vornehme Flair und schrieb einst: „An diesem Ort, in Travemünde, wo ich die unzweifelhaft glücklichsten Tage meines Lebens verbracht habe.“
Wer heute in Travemünde am Strandbahnhof ankommt, der braucht viel Fantasie, um sich in die glanzvollen Zeiten zurückzuversetzen: Es ist nur noch ein Gleis in Betrieb. Das Gelände einschließlich der stillgelegten Gleise ist völlig zugewuchert. Die verrostete Dachkonstruktion ist erhalten, sie steht unter Denkmalschutz.
Das imposante Bahnhofsgebäude ist verwaist, nur eine Touristen-Information ist am Ende der Halle untergebracht. Seit Jahren schon liegt die Immobilie brach. Vögel haben das Innere in Beschlag genommen, der Boden ist von Taubenkot übersät. „Die Zustände auf dem Bahngelände sind nicht haltbar, und wir haben die Deutsche Bahn mehrfach aufgefordert, Abhilfe zu schaffen. Aber nichts ist passiert“, sagte Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) dem Abendblatt.
Bahnsprecher Egbert Meyer-Lovis kontert: „Der Zustand des Bahnhofsumfelds macht es schwierig, das Bahnhofsgebäude mit Einzelhandel oder Gastronomie zu beleben.“ Zudem sei die Vegetation einmal im Jahr zurückgeschnitten worden.
Vor wenigen Tagen wurde das Bahnhofsgebäude und die stillgelegten Gleise sowie Bahnsteige von der Deutschen Bahn an einen Investor für 760.000 Euro versteigert. Über seine Pläne ist nichts bekannt.
Im Umfeld des Bahnhofs an der Bertlingstraße stehen mehrere Ladenflächen leer. Hier fallen auch die heruntergekommenen Gebäude Haus Tanneneck und das benachbarte Hotel Seestern (steht seit mehr als fünf Jahren leer) ins Auge. Vor zwei Jahren hat die Hamburger Concept-Immobilien das Areal gekauft: „Wir wollen beide Gebäude abreißen und neu bauen. Aber die Stadt macht es uns leider nicht leicht“, sagte Geschäftsführer Jürgen Kaape dem Abendblatt. So sei das marode Haus Tanneneck unter Denkmalschutz gestellt worden, und auch was die Entwicklung des Seestern-Grundstücks angeht, habe die Stadt zunächst wenig Unterstützung gezeigt, so der Geschäftsmann weiter. Aber nun will Kaape handeln: „Ich werde für den Seestern in Kürze einen Abbruchantrag stellen.“ Hier sollen Ferienwohnungen und Flächen für Einzelhandel und Gastronomie entstehen.
Aber für die Stadt Lübeck hat laut Sprecherin Nicole Dorel „aus städtebaulicher Sicht der Erhalt der Gebäude Vorrang.“
Travemündes Kurdirektor Uwe Kirchhoff sieht Handlungsbedarf: „Die Situation am Bahnhof und im Umfeld ist Travemünde nicht würdig. Hier muss dringend etwas passieren.“
Das Columbia schräg gegenüber vom Hotel Seestern war einst das Casino-Hotel. Doch die legendäre Spielbank ist aus dem repräsentativen Gebäude im Jahr 2012 ausgezogen. Das Fünfsternehaus blieb. Einen Namen bei Gourmets hatte sich das Columbia wegen seines Restaurants La Belle Epoque gemacht. Hier hatte Kevin Fehling drei Michelin-Sterne erkocht. Aber das Restaurant gibt es auch nicht mehr, und Fehling hat in der Hamburger HafenCity sein The Table eröffnet.
Für das Columbia stehen nach Abendblatt-Informationen Veränderungen an. Der Bremer Unternehmer Kurt Zech, dem die Atlantic-Hotels mit neun Häusern gehören, will das Columbia künftig betreiben.
Es steht noch nicht fest, ob Zech auch die Immobilie von Eigentümer Heinrich Schoeller, einem Hamburger Reeder, erwirbt. Sicher ist allerdings, dass es großen Investitionsbedarf für die Columbia-Immobilie gibt.
Die Vorderreihe ist die Flaniermeile des Seebads. Doch gleich vier Geschäfte geben auf. Ansonsten bieten vor allem Outlets ihre Waren zu Schnäppchenpreisen an. Selbst im modernen Kreuzfahrtterminal werden temporär Fleecejacken verkauft. Eine sinnvolle Zwischennutzung, denn es gab in diesem Jahr erst 14 Anläufe von Kreuzfahrtschiffen. Nicht weit entfernt liegt die Kurparkstraße. Ein klangvoller Name. Aber anstatt edlen Boutiquen haben sich vor allem Imbisse, Kneipen und Bringdienste angesiedelt. Zudem stehen zahlreiche Flächen leer.
Das Thema beobachtet Ulf Freiherr von Danckelmann mit Sorge. Der Rechtsanwalt ist Vorsitzender der Travemünder Wirtschaftsgemeinschaft (TWG), die die Interessen von 135 Mitgliedern vertritt: „Außerhalb der Saison fehlen natürlich die Kunden. Das Problem, dass alteingesessene Geschäfte schließen, haben wir auch in Travemünde.“
Aber Freiherr von Danckelmann ist zuversichtlich: „Travemünde befindet sich noch ein wenig im Dornröschenschlaf und muss wachgeküsst werden.“
Und es besteht Hoffnung, dass Travemünde in den kommenden Jahren „eine neue Blüte erlebt“, wie es Bürgermeister Saxe ausdrückt. Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) spricht gar von „Leuchtturmprojekten, die die touristische Attraktion von Travemünde weiter steigern werden.“
Eines davon ist das „Priwall Waterfront“. An diesem Montag war Grundsteinlegung für das 126-Millionen-Euro-Projekt des dänischen Investors Sven Hollesen. Der Unternehmer will hier auf dem Priwall, umgeben von Dünen und Meer, eine Anlage mit Ferienwohnungen und -häusern für 1500 Urlauber schaffen, inklusive Erlebnisgastronomie und Einzelhandel.
Bis zu 315.000 Übernachtungen zusätzlich soll die Ferienanlage dem Seebad bringen. Im vergangenen Jahr verzeichnete Travemünde rund 600.000 Übernachtungen. Das Land spendiert zudem eine neue Promenade auf dem Priwall. Die Kosten liegen bei rund neun Millionen Euro.
Ein 60-Millionen-Investment will die Deutsche Immobilien AG auf einer Fläche direkt neben dem Maritim Hotel realisieren. Noch in diesem Jahr soll der Bauantrag für das a-ja Resort mit etwa 242 Zimmern und ein Appartemementhaus mit 108 Ferienwohnungen eingereicht werden: „Wir glauben an diesen Standort. Ein solches Angebot gibt es in Travemünde noch nicht, und deshalb wird es eine entsprechende Nachfrage geben“, sagte Vorstand Arno Berthold Pöker. Zu dem Ressort soll ein Schwimmbad mit Saunalandschaft gehören, das öffentlich zugänglich ist. All das macht Hoffnung auf eine bessere Zukunft – mondän statt marode.