Lübeck/Flensburg. Der Lübecker Hauptbahnhof war wegen der Ankunft der Flüchtlinge zeitweise gesperrt. Vielen von ihnen fehlen die nötigen Visa.
Trotz fehlender Papiere hat Schleswig-Holsteins Polizei am Dienstag Flüchtlinge nach Dänemark weiterreisen lassen. Sie hatten sich nach dem Stopp ihres Fernzugs in Lübeck geweigert, in eine hiesige Erstaufnahmeeinrichtung gebracht zu werden. Im Norden bleibe es aber bei dem Prinzip „Keine Gewalt“, sagte der Leitende Polizeidirektor Joachim Gutt in Kiel.
Seine eigenverantwortliche Entscheidung sei „polizei-operativ, nicht politisch“ gefallen. Unterstützung erhielt er von Innenminister Stefan Studt (SPD). „Allein aus Gründen der Humanität verbietet es sich, gegenüber Menschen die Schutz suchen, Gewalt anzuwenden“, sagte er.
Polizei von Ankunft der Flüchtlinge überrascht
Was war passiert? Am Dienstag kurz nach 8.00 Uhr hatten Bundespolizisten im Lübecker Hauptbahnhof einen ICE auf dem Weg nach Kopenhagen gestoppt. An Bord befanden sich auch rund 200 Flüchtlinge vor allem aus Syrien, dem Irak und Afghanistan, die nach Dänemark beziehungsweise Schweden wollen. „Wir wurden davon vollkommen überrascht“, sagte Gutt.Woher sie ursprünglich kamen, sei unklar. Nur 30 Flüchtlinge ließen sich in die Erstaufnahmeeinrichtung nach Neumünster bringen, wie es in diesem Fall rechtlich vorgeschrieben ist. Die meisten verblieben auf einem Bahnsteig und protestierten friedlich für ihre Weiterreise.
In der Folge wurde der Bahnhof laut Polizei am Vormittag zweimal kurzzeitig „als reine Vorsichtsmaßnahme“ gesperrt, zwei Gleise gar bis in den frühen Abend. Via Dolmetschern sei den Flüchtlingen als Kompromiss eine vorübergehende Unterkunft auf dem Truppenübungsplatz in Putlos angeboten worden, bis ihr Status geklärt sei. 70 von ihnen willigten zunächst ein, überlegten es sich auf dem Weg aber anders. Sie fuhren dann gegen 17.15 Uhr mit dem Ziel Kopenhagen per Zug weiter. Die übrigen 100 verließen Lübeck am Abend um 19.50 Uhr ebenfalls in Richtung Dänemark.
Dänemark könne Flüchtlinge ohne Papiere zurückschicken
Gutt ist sich der denkbaren Folgen seiner Entscheidung bewusst. Es sei möglich, dass Dänemark die Flüchtlinge Deutschland in Kürze wieder „vor die Tür stellen wird“. Angesichts der vielen Flüchtlinge gebe es derzeit jedoch ein „Krisenmanagement von Tag zu Tag“. Insgesamt seien am Dienstag in Schleswig-Holstein 1000 Menschen untergebracht worden - so viele wie nie zuvor an einem einzigen Tag.
Gutt kündigte an, dass schnell nach weiteren Übergangslösungen gesucht werde. „Denn die Zustände in Neumünster sind grenzwertig“, sagte er. Es gebe fünf oder sechs interessante Objekte im Land. Angedacht sind auch weitere Containerdörfer mit jeweils 800 bis 1000 Plätzen. Auch Zelte als Unterbringungsmöglichkeit wollte er nicht ausschließen.
Nach Angaben von Innenminister Studt gibt es aktuell acht Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge im Land. In den nächsten Tagen soll auf dem Truppenübungsplatz Putlos (Kreis Ostholstein) eine weitere Erstaufnahme mit zunächst 350 Plätzen hinzukommen. Polizeidirektor Gutt sprach von 800 Plätzen ab Freitag. Außerdem sollen die Kapazitäten in Boostedt um 350 Plätze ausgebaut werden.
Flüchtlinge reisen immer weiter nach Norden
In Lübeck ist ein Containerdorf als Übergangslösung geplant, bis sich Kommune und Land auf einen Standort für eine feste Erstaufnahmeeinrichtung geeinigt haben. Bereits am Montagabend war auf einem Gelände der Bundespolizei in Bad Bramstedt eine Unterkunft für zunächst 150 Flüchtlinge eingerichtet worden.
Am Dienstag waren zudem weitere rund 370 Flüchtlinge per Zug aus Salzburg in Neumünster eingetroffen. Nach Angaben des Innenministeriums wurden die nach einer langen Odyssee über Ungarn angereisten Menschen in Erstaufnahmeeinrichtungen in Rendsburg (200 Flüchtlinge) und Neumünster (170 Flüchtlinge) gebracht. Weitere 127 Flüchtlinge wurden am Dienstag am Flensburger Bahnhof aufgegriffen, der Großteil von ihnen war dort einem Regionalzug aus Hamburg entstiegen.
Ähnliches Bild am Bahnhof Flensburg
Am Flensburger Bahnhof kamen ebenfalls am Dienstag 127 Flüchtlinge an. Der Großteil von ihnen war aus einem Regionalzug von Hamburg nach Flensburg ausgestiegen, wie ein Bundespolizeisprecher sagte. Unter den Menschen vor allem aus Syrien, Afghanistan und dem Irak waren auch 25 Jugendliche und Kinder. Sie wurden mit Getränken und Essen versorgt und sollten dann zunächst registriert werden.
In den Morgenstunden hatten die Beamten in Flensburg in den vergangenen Wochen immer wieder Flüchtlinge aufgegriffen.
Erst am Montag war der ICE 33 von Hamburg nach Kopenhagen stundenlang in Rødby von der dänischen Polizei festgehalten und nach Flüchtlingen durchsucht worden. Mit dem Zug, mit dem auch ein Teil der Hamburger Delegation von Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) nach Kopenhagen unterwegs war, reisten auch Dutzende Menschen, die offenbar vor Krieg und Krisen aus Afghanistan, Irak, Syrien und anderen Ländern geflohen waren - darunter viele Familien mit Kindern. Die meisten von ihnen wollten nach Schweden.