Brunsbüttel. Atomkraft-Gegner befürchten verstärkte Strahlung bei Rückbau des Reaktors in Brunsbüttel. Kritik an Ministerium.
Ein Atomkraftwerk birgt viele Risiken und viel radioaktives Material. Und das auch noch lange nach dem Ende des Betriebs. Schon diese simple Tatsache macht die Diskussion über den Abriss des AKW Brunsbüttel an der Unterelbe brisant, die in eine neue Phase getreten ist. Denn am Montag wurden die knapp 900 Einwendungen gegen den Abrissantrag von Betreiber Vattenfall beim zuständigen Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume in Kiel erstmals öffentlich diskutiert, eine mögliche Genehmigung wird für 2017 erwartet. Minister Robert Habeck (Grüne) gab dazu ein kurzes politisches Statement ab. „Dieser Tag ist für uns ein besonderer Tag. Der Rückbau bedeutet das tatsächliche Ende der Atomenergie“, sagte er.
AKW-Gegner glauben nicht an das Ende der Atomkraft in Brunsbüttel
Dem widersprach Karsten Hinrichsen. Der Brokdorfer kämpft seit Jahrzehnten gegen die Atomenergie und hat eine Sammeleinwendung gegen den Abrissantrag im benachbarten Brunsbüttel geschrieben, der sich viele weitere Bürger angeschlossen haben. „Ich glaube nicht, dass der Rückbau des AKW Brunsbüttel das Ende der Atomkraft anzeigt“, sagte er. Brokdorf laufe noch, die Gefahr eines Super-GAUs sei weiter gegeben. Gleichzeitig werde dort weiter Atommüll produziert.
„Wir wollen alle, dass zurückgebaut wird“, stellte er fest. Das aber dürfe nicht um den Preis einer zu hohen Strahlenbelastung erfolgen. Hinrichsen kritisiert, dass Vattenfall mit viel zu hohen Grenzwerten operiert. Er ließ am ganzen Abrissantrag kein gutes Haar, dieser sei an Dreistigkeit nicht zu überbieten. Hinrichsen kritisierte gleichzeitig das Ministerium, das vom Unternehmen indoktriniert und unter Druck gesetzt worden sei. Das löste heftigen Widerspruch von Habeck aus, der die scharfen Worten von Hinrichsen gegen seine Mitarbeiter zurückwies.
Während Pieter Wasmuth, Generalbevollmächtigter von Vattenfall für Hamburg und Norddeutschland, zu Beginn des Erörterungstermins davon sprach, dass sich das Unternehmen für einen direkten Rückbau entschieden habe und einen runden Tisch nach den Sommerferien ankündigte, bezweifeln die Atomkraftgegner die ehrliche Absicht von Vattenfall. Schließlich habe das Unternehmen auch geschrieben, dass es sich vorbehalte, den Antrag zurückzuziehen oder gegebenenfalls auch eine erlangte Genehmigung nicht auszunutzen, so Hinrichsen. Dies käme wohl dann infrage, wenn die Auflagen zu hoch seien.
Ingo Neuhaus, bei Vattenfall für den Abriss zuständig, wies hingegen darauf hin, dass der sichere Abbau von Atomkraftwerken eine gelöste Aufgabe sei. Die AKWs seien teilweise „bis zur grünen Wiese“ zurückgebaut.
Für die Kritiker stehen die Auflagen für den Abriss im Mittelpunkt. Sie bemängeln unter anderem, dass die Abgabe von radioaktiven Gasen und Stäuben bis zu 100-mal höher sein könnten, als die Emission während des Betriebs. Scharfe Kritik gibt es zudem an dem Vorhaben, einen großen Teil der beim Abriss anfallenden Stoffe „freizugeben“, wie es im Fachjargon heißt. Diese könnten dann entweder auf herkömmlichen Deponien gelagert oder aber recycelt und dann in Gebäuden, Straßen bis hin zu Haushaltsgegenständen verarbeitet werden.
Werner Neumann vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) kritisierte, dass dies 96 bis 98 Prozent des Betons, des Stahls und des sonstigen anfallenden Abfalls betreffen würde. Es sei eine Freigabe von „sehr gering“ radioaktivem Material, aber davon wiederum fielen große Mengen an. „Wir finden, das ist ein klarer Verstoß gegen das Minimierungsgebot des Strahlenschutzes“, sagte Neumann. Gemeinsam mit Hinrichsen kritisierte er immer wieder nicht nur den Abrissantrag, sondern auch die Antworten von Vattenfall, beispielsweise als es darum ging, wie das Unternehmen während des Abrisses mit dem Atommüll auf dem Gelände zwischen den verschiedenen Zwischenlagern umgehen werde. Außerdem wisse niemand, wie viel strahlendes Material es gebe. „Wenn ich aber abreißen will, muss ich schauen, dass die Bude stubenrein ist“, sagt er. Rolf Jünemann vom BUND kritisierte, dass das Ministerium viel zu wenig Info-Material öffentlich auslegt.
Als die Detailfragen behandelt wurden, war Minister Habeck schon längst nicht mehr im Raum. „Wir dürfen durch die Detailtiefe nicht den Blick auf das große Ganze verlieren“, hatte er den Teilnehmern mit auf den Weg gegeben.
Bei einer Genehmigung würden die Abbaumaßnahmen von 2017 an etwa zwölf Jahre dauern, wobei der Zustand „Grüne Wiese“ voraussichtlich 2032 erreicht werden könnte.