Hamburg/Helgoland. Als “Helgoland-Sansibar-Vertrag“ ging der Deal in die Annalen ein. Viele Deutsche schüttelten über das Geschäft damals den Kopf.

August 1885. Ein Geschwader deutscher Kriegsschiffe erreicht Sansibar, die sagenumwobene Gewürz- und Sklaven-Insel im Indischen Ozean, 40 Kilometer vom tansanischen Festland entfernt. Kommodore Carl Heinrich Theodor Paschen übergibt dem Sultan von Sansibar eine Botschaft des deutschen Kaisers. Unverblümt wird Barghash bin Said aufgefordert, die deutschen Bemühungen zu tolerieren, sich an der Küste Tansanias festzusetzen. Als der Sultan zögert, richten die Schiffe ihre Geschütze auf den Palast. Der Sultan lenkt ein.

Ein Wegweiser in der Kleingartenkolonie auf Helgoland weist  die Richtung und Entfernung nach England, Dänemark, Schleswig-Holstein und Sansibar
Ein Wegweiser in der Kleingartenkolonie auf Helgoland weist die Richtung und Entfernung nach England, Dänemark, Schleswig-Holstein und Sansibar © dpa | Sönke Möhl

Es sind die Jahre, in denen das Deutsche Reich versucht, zur Kolonialmacht aufzusteigen. Die Küste Tansanias scheint der Deutsch- Ostafrikanischen Gesellschaft ein Landstrich voller Chancen zu sein, doch eigentlich erhebt der Sultan von Sansibar Anspruch darauf.

Die Briten beobachten die deutschen Anstrengungen in Ostafrika mit Sorge. In London befürchtet man, dass Deutschland sich Sansibar einverleiben könnte. Mit der brachialen Machtdemonstration der Deutschen ist der Konflikt nicht gelöst. Reichskanzler Otto Fürst von Bismarck (1815-1898) bietet den Briten eine Zusammenarbeit an. Sein Ziel ist, dass der Sultan die Niederlassungen der Deutschen auf dem Festland anerkennt und dort auf seine Hoheitsrechte verzichtet.

Die Insel in der Nordsee gehörte seit 1814 offiziell zu Großbritannien

In diesem diplomatischen Ringen setzt Bismarck nicht nur auf militärische Stärke. 1885 ist Emily Ruete mit an Bord eines der deutschen Schiffe. Sie ist die Witwe des Hamburger Kaufmanns Heinrich Ruete und hat eine besondere Beziehung zu Sansibar.

Emily wird 1844 als Sultanstochter Salme geboren. 1866 lernt sie den Kaufmann aus Hamburg kennen, der neben dem Sultanspalast wohnt. Die Verbindung bleibt nicht geheim und die Prinzessin muss fliehen. Salme lässt sich taufen und nennt sich Emily. Das Paar heiratet in Aden und siedelt nach Hamburg über. Drei Kinder kommen dort zur Welt, bis Heinrich 1870 überfahren wird.

Mehrmals macht die kämpferische Prinzessin Erbansprüche auf Sansibar geltend. Vermögen und Plantagen stehen ihr zu, ist Emily überzeugt. In den deutschen Aktivitäten auf Sansibar sieht sie eine Chance, an ihr Erbe zu kommen.

Doch Bismarck sieht ihre Rolle vor allem als mögliches Druckmittel gegen den widerspenstigen Sultan. Die Ansprüche der Prinzessin könnten zwar „äußeren Anlass, aber nicht das Motiv für Drohung und Gewalt bieten“, wird Bismarck in dem Buch „Kaiser, Kanzler und Prinzessin“ von Julius Waldschmidt zitiert. „Für Frau Ruete können wir nicht Krieg führen; haben wir aber anderweit zureichende Gründe dafür, so können wir ihren Fall in das Sündenregister des Sultans mit Aufnehmen.“

Der Vertrag sollte Spannungen zwischen Deutschland und Großbritannien entschärfen

Dazu kommt es aber nicht. Am 1. Juli 1890 unterzeichnen Deutschland und Großbritannien den „Vertrag über Kolonien und Helgoland“. Der geläufige Name „Helgoland-Sansibar-Vertrag“ soll auf Bismarck zurückgehen, der kurz zuvor als Reichskanzler abgelöst worden war.

Blick vom
Blick vom "Haus der Wunder" auf den Hafen von Sansibar Foto: Stang/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ © dpa | DB Stang

„Dieser Name war der Versuch Bismarcks, seinen Nachfolger Leo von Caprivi klein zu machen“, sagt der Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer. Tatsächlich sei hier aber nicht das reiche Sansibar gegen das tausendmal kleinere, unscheinbare Helgoland eingetauscht worden. Tansania war deutsche Kolonie, aber eben nicht Sansibar. „Also gab das Deutsche Reich den Anspruch auf etwas auf, was ihm gar nicht gehörte.“

Der Vertrag sollte koloniale Spannungen zwischen Deutschland und Großbritannien entschärfen, sagt der Professor für Neuere Geschichte und Leiter der Forschungsstelle „Hamburgs (post-)koloniales Erbe“. Und Helgoland. Warum Helgoland?

Die Insel in der Nordsee, 40 Kilometer vom Festland entfernt, gehörte seit 1814 offiziell zu Großbritannien. „Großbritannien war der Ansicht, dass Deutschland im Konfliktfall Helgoland sowieso rasch erobern würde“, sagt Zimmerer. „Also beschlossen die Briten, Helgoland mit großem Gestus einzutauschen. Und Deutschland wollte Helgoland, weil es zentral für die Kontrolle der Elbe-Weser-Mündung war.“

Am Ende ging die Prinzessin leer aus. Aber auch Deutschland hatte wenig von den Vereinbarungen in Ost-Afrika. „Nach dem Ersten Weltkrieg war es dann vorbei mit der kolonialen Herrlichkeit des Deutschen Reiches“, sagt Zimmerer. Später zerfiel auch das britische Kolonialreich, Sansibar kam 1963 zum unabhängigen Tansania. Aber abgesehen von einem kurzen Intermezzo nach dem Zweiten Weltkrieg gehört Helgoland immer noch zu Deutschland.