Westerland. Insulaner fordern Verbesserungen bei Anbindung der Insel. Brandbrief an Netzagentur. Kritik an neuem Bahnbetreiber.

Ein Krieg ist es sicher nicht, was da gerade stattfindet. Schon gar nicht ein „Deichkrieg“, wie das Handelsblatt unlängst süffig titelte. Der Hindenburgdamm wurde einst aufgeschüttet, um eine Bahnverbindung zwischen Insel und Festland herzustellen, nicht aber, um Schleswig-Holsteins Küstenregionen vor Überschwemmungen zu schützen. Es geht hier nicht um einen Deich, sondern um den Autozug zwischen Westerland und Niebüll. Und damit eben auch um die Sylter Nabelschnur zum Festland. Selten hat eine Streckenvergabe ein derart breites Echo in bundesdeutschen Medien gefunden. Nun naht das Ende dieses seltsamen Verfahrens. Am Dienstag wird die DB Netz AG wohl entscheiden, welchem der beiden Bewerber weitere Fahrten zugesprochen werden.

Bürgermeister und Bürgervorsteher schreiben Brandbrief an Netzagentur

Die derzeit wahrscheinlichste Variante: Neben dem Eisenbahnunternehmen RDC, das zum Fahrplanwechsel im Dezember bereits elf tägliche Abfahrten auf zehn Jahre sicher hat, kommt auch der bisherige Sylt-Shuttle-Betreiber, die Deutsche Bahn (DB), wieder zum (Auto-)Zug. Auf der Insel dürfte eine solche Entscheidung mit Erleichterung zur Kenntnis genommen werden. Die anfängliche Begeisterung für den neuen Anbieter, den US-amerikanischen Konzern RDC, ist längst verflogen – und ins Gegenteil umgeschlagen. Norbert Häckel, Bürgermeister der Gemeinde Sylt, und Bürgervorsteher Peter Schnittgard haben sich jetzt mit einem Brandbrief an die Bundesnetzagentur gewendet.

Sie hat im Streitfall das letzte Wort bei der Trassenvergabe für den Sylt Shuttle. „Unsere Sorge ist vielfältig und an Dramatik nicht zu überbieten“, heißt es im Schreiben. Im Gespräch wird Peter Schnittgard deutlicher. „Beim Autozug der DB wissen wir, woran wir sind. Dieses Unternehmen können wir einschätzen, da haben wir Bedingungen, die man fast gut nennen könnte.“ Beim neuen Betreiber RDC sei dies anders. „Da sind wir Sylter der Meinung: Mensch, das ist mit Vorsicht zu genießen.“

Diese Meinung hat sich seit einer RDC-„Probefahrt“ Anfang Mai eher verfestigt. RDC bezeichnete diese Fahrt in einer Pressemitteilung zwar als Erfolg. Das Sylter Echo war allerdings verheerend. Von einem „Imageschaden für die Insel“ war die Rede, von einem „desaströsen Service“. Und Bürgermeister Häckel ließ vermelden, er sei „irritiert, verärgert, traurig“. In der Tat wirkten die fünf Flachwaggons allereinfachster Bauart, die RDC präsentierte, nicht gerade vertrauenerweckend. „Das war Technik aus den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhun- derts“, sagt Bürgervorsteher Schnittgard.

Die Sylter hatten sich vom neuen Anbieter auf Deutschlands lukrativster Bahnstrecke anderes erhofft. Schnittgrad: „Ich dachte, bei einer Ausschreibung geht es darum, dass das Produkt hinterher besser ist als vorher.“ Er hat lernen müssen: „Offenbar wird hier nur versucht, mit dem Sylt Shuttle Reibach zu machen.“ Schnittgards Verärgerung scheint verständlich. Eine Insel wird zum Opfer eines undurchsichtigen Vergabeverfahrens. „Wir werden noch nicht einmal über das Ergebnis informiert“, sagt der Bürgervorsteher.

Neuer Anbieter sieht ein, Fehler gemacht zu haben

Dabei ist der Autozug der einzige Weg, um von Deutschland mit dem Pkw auf die Insel zu kommen. Touristische Angebote hängen davon ab. Hotels, Lokale, Gaststätten, Zimmeranbieter, Veranstaltungen jeglicher Art richten sich nach dem Rhythmus des Autozugs. Aber wie sieht dieser Rhythmus aus, wenn sich ab Dezember möglicherweise zwei Anbieter die Bahnhöfe in Westerland und Niebüll teilen müssen? Bei der Trassenvergabe spielen derartige Überlegungen offenbar keine Rolle. Hier geht es im Wesentlichen um die Frage, welches Angebot besonders lu­krativ für die Staatskasse ist.

Schnittgard und Häckel schreiben deshalb in ihrem Brief an die Bundesnetzagentur, Sylt als „eine der bedeutendsten Urlaubsdestinationen Deutschlands mit mehr als fünf Millionen Übernachtungen“ müsse Veränderungen beim Autozug als „existenzielle Bedrohung“ ansehen, wenn sie ohne Abstimmung stattfänden.

Es ist noch nicht einmal geprüft worden, ob RDC überhaupt technisch in der Lage ist, einen Autozugtransport zu organisieren. Moritz Luft, Geschäftsführer der Sylt Marketing GmbH, befürchtet jedenfalls, dass der Urlaub auf Sylt mit einem Negativerlebnis beginnen könnte. „Die Sylter Hotellerie hat eine herausragende Qualität“, sagt er. „Wenn das für die An- und Abreise nicht gilt, fällt das auf die Marke Sylt zurück.“ Jeder Akteur müsse seinen Beitrag dazu leisten, dass die Insel als „Premiumanbieter“ wahrgenommen werde. Mit der Deutschen Bahn laufe das auch gut, sagt Luft. „RDC hingegen konnte bisher in keiner Weise glaubhaft vermitteln, dass die Firma diesen qualitativen Ansprüchen genügen will.“

Bei RDC sieht man ein, Fehler gemacht zu haben. „Die Probefahrt war ein Eigentor“, gesteht Deutschlandchef Hans Leister. Die Flachwagen seien nur eine Übergangslösung. Es wäre wohl besser gewesen, sie nicht zu präsentieren. Leister verspricht: „Ab 2017 werden eigens gebaute Doppelstockwagen zum Einsatz kommen.“ Die sollen dann DB-Niveau haben.