Ein Jahr nach der Schließung der Geburtsstation fahren die meisten Schwangeren zur Entbindung aufs Festland. Nicht immer reicht die Zeit. 2014 wurden neun Babys auf der Insel geboren, in diesem Jahr schon zwei.

Sylt/Flensburg. Einige waschechte Sylter wird es auch in Zukunft noch geben: Im vergangenen Jahr kamen auf der Nordseeinsel noch neun Kinder zur Welt, dieses Jahr waren es schon zwei. Aber: „Geplant sind die alle nicht“, sagt die Sylter Hebamme Anke Bertram. So wurden sechs der Neusylter aus dem vergangenen Jahr zu Hause geboren, bei einem Fall sei sie erst im letzten Moment angerufen worden, erzählt Bertram. „Ich war drei Minuten vor dem Kind da.“ Drei Kinder kamen 2014 noch in der Nordseeklinik in Westerland zur Welt. Diese hatte zum 1. Januar des Jahres ihre stationäre Geburtshilfe geschlossen.

Die Asklepios Nordseeklinik Westerland hatte erklärt, sie könne ihren Versorgungsauftrag nicht weiter erfüllen. Insgesamt erblickten auf Sylt zuletzt rund 100 Kinder pro Jahr das Licht der Welt. Zum Vergleich: Im Diako-Krankenhaus in Flensburg sind es jährlich um die 1600. Derzeit gibt es nach Angaben des Gesundheitsministeriums 22 geburtshilfliche Einrichtungen in Schleswig-Holstein. Und auch wenn dem Ministerium zurzeit keine Überlegungen bezüglich weiterer Schließungen bekannt sind: Längerfristig und bundesweit gibt es den weiterhin andauernden Trend zur Konzentration, wie ein Ministeriumssprecher sagt.

Die drei Hebammen haben keine Rufbereitschaft

Die derzeitige Situation auf Sylt ist schwierig für die Schwangeren und auch die Hebammen. Der Grund: Einen Notfallplan gibt es noch nicht, die drei Hebammen haben keine Rufbereitschaft. Auch bei den Geburten in der Nordseeklinik war keine Hebamme dabei, obwohl sie zu Geburten laut Gesetz eigentlich hinzugezogen werden müssen. Die Geburtshelferinnen haben daher jetzt gemeinsam mit ihrem Anwalt ein Schreiben an das Gesundheitsministerium in Kiel auf den Weg gebracht, in dem gefordert wird, die Hebammen mit in ein Notfallkonzept aufzunehmen.

Der Normalfall indes ist geregelt. Die werdenden Mütter sollen bis zu zwei Wochen vor der Geburt die Insel verlassen. In Flensburg und Niebüll werden sie in der Nähe der Kliniken dann kostenlos untergebracht, bis es soweit ist.

„Aus unserer Sicht funktioniert das ganz gut“, sagt der Pressesprecher des Diako-Krankenhauses in Flensburg, Ole Michel. Aber er wisse auch, dass es auf Sylt ganz anders wahrgenommen werden kann. Es sei immer schwer, wenn ein Stück Infrastruktur wegbreche. Ähnlich sieht es sein Kollege vom Klinikum Nordfriesland, Michael Mittendorf. Mit der Klinikleistung scheinen die Eltern zufrieden, sagt er. Aber dennoch: Viele Eltern seien nicht unbedingt begeistert, die Insel verlassen zu müssen.

2014 gab es etwa 100 Insel-Babys

Die Zahl der „Sylter“ Geburten in Flensburg lag im vergangenen Jahr bei 41. „Das sind deutlich mehr als in den Jahren zuvor“, schildert Michel. 25 Mütter und auch viele Väter hätten das Unterbringungskonzept in Anspruch genommen. Einige kamen einen Tag vor der Geburt, andere blieben 19 Tage im Gästehaus der Diako. Und auch die Männer hätten es seines Wissens nach alle rechtzeitig zur Geburt aufs Festland geschafft. Nach Flensburg kamen aber auch schon vor der Schließung der Geburtshilfe auf Sylt viele Schwangere, um dort ihr Kind auf die Welt zu bringen – unter anderem weil es ein Kinderkrankenhaus mit Intensivstation gibt.

Im Klinikum Nordfriesland wurden im vergangenen Jahr 33 Kinder Sylter Eltern geboren, davon 28 am Standort Niebüll, vier in Husum und eins auf der Insel Föhr. Das sind laut Mittendorf deutlich mehr als vor der Schließung der stationären Geburtshilfe auf Sylt.

Doch nicht jede Schwangere schafft es rechtzeitig auf das Festland, entweder weil die Wehen zu früh einsetzten oder sie nicht vorher weg sein können oder möchten. Jede Geburt auf Sylt muss derzeit als Notfall behandelt werden, die Hebamme sofort den Rettungsdienst rufen und die Verlegung auf das Festland veranlassen, sagt Bertram. Anderenfalls wäre sie nicht versichert. Aber manchmal ist die Verlegung eben schwierig, wenn beispielsweise bei starkem Sturm der Hubschrauber nicht fliegt oder der Autozug nicht fährt.