Schleswig-Holstein will endlich freie Schulwahl im Grenzgebiet zu Hamburg, müsste dafür aber wohl mehr Geld zahlen. Die Verhandlungen über ein neues Gastschulabkommen haben begonnen.
Kiel. Wie komme ich über die Grenze? Nur mit Tarnen, Tricksen und Täuschen. Ein seltsamer Zustand – zumal dann, wenn man weiß, dass es hier nicht etwa um die schwer bewachte EU-Außengrenze geht, sondern um die Grenze zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein. Dennoch: Seit Jahrzehnten bleibt Schleswig-Holsteinern, die ihre Kinder in Hamburg unterrichten lassen wollen, nichts anderes übrig, als den (falschen) Eindruck zu erwecken, sie würden in Hamburg wohnen. Nur so können sie sicher sein, den begehrten Schulplatz zu bekommen.
Die Kieler Regierungskoalition aus SPD, Grünen und SSW will nun für Abhilfe sorgen. Die Verhandlungen über ein neues Gastschulabkommen zwischen den beiden Bundesländern haben begonnen. Schleswig-Holsteins Ziel ist klar, es steht in der Koalitionsvereinbarung. „Wir wollen die freie Schulwahl in der Grenzregion“, sagt Martin Habersaat, der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion.
Das dürfte ein hartes Stück Arbeit werden. Denn das derzeit geltende, Ende 2015 auslaufende Abkommen ist eigentlich eine Verabredung zu verstärkten „Grenzkontrollen“. Gastschüler sollen nur noch „in Fällen besonderer persönlicher Härte“ aufgenommen werden, heißt es in dem Vertrag. Letztlich bedarf es eines Gnadenakts eines Hamburger Schulleiters, um akzeptiert zu werden. Für Schleswig-Holsteiner im Grenzgebiet ist das eine sehr unbefriedigende Lösung. Zwar gibt es in Schenefeld, in Wedel, Norderstedt und in Wentorf (um nur vier Beispiele aus dem „Speckgürtel“ zu nennen) durchaus gute Schulen, aber es gibt eben auch immer wieder gute Gründe, eine ebenso gut oder vielleicht sogar besser erreichbare Hamburger Schule besuchen zu wollen: etwa weil dort Freunde unterrichtet werden, weil nur dort bestimmte Fächer ein besonderes Gewicht haben oder weil ein Schulwechsel die letzte Hoffnung bietet, eine schiefe Schulkarriere geradezurücken.
Die freie Schulwahl in der Grenzregion wäre also eine schöne Sache. Eltern könnten aufs Tricksen, Tarnen und Täuschen verzichten. Allerdings haben schon viele Landesregierungen versucht, sich auf dieses Ziel zu einigen – und sind noch jedes Mal gescheitert. Knackpunkt war meist das Geld. Gut 6000 Schleswig-Holsteiner werden in Hamburg unterrichtet – an allgemeinbildenden Schulen, an Berufsschulen und in der Erwachsenenbildung. Das ist nur die offizielle Zahl, hinzu kommen ja noch die verborgenen Früchte des Tarnens und Täuschens.