Bestechungs- und Betrugsvorwürfe gegen Bildungsministerin bringen Regierung Albig in Bedrängnis. Opposition fordert Entlassung und bezichtigt den Regierungschef der Lüge.

Kiel. Nein, sagt der Sprecher, die Ministerin wolle sich nicht mehr mit Journalisten unterhalten. Sie sei in den kommenden Tagen auf Rundreise durch Schleswig-Holstein. Journalisten-Begleitung unerwünscht. Waltraud, die alle Mitarbeiter „Wara“ nennen sollen, „Wara“ Wende also, ist für die interessierte Öffentlichkeit derzeit nicht zu sprechen. Dies gelte, sagt die Sprecherin und ist selbst ein wenig erstaunt über dieses kategorische "Njet", unabhängig vom aktuellen Stand der Dinge.

Dieser Stand der Dinge ist, dass die parteilose Ministerin ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten ist. Anfangsverdacht, Ermittlungen, Durchsuchungen, das in derlei Fällen übliche Prozedere. Wende wird vorgeworfen, bei ihrem Wechsel vom Amt der Hochschulpräsidentin von Flensburg in das der Bildungsministerin von Kiel unlauter zum eigenen Vorteil gehandelt zu haben.

Es bestehe der Verdacht, dass Wende im Jahr 2012 den Kanzler der Uni Flensburg bei dessen Bewerbung um eine weitere Amtszeit unterstützt und im Gegenzug von eben diesem Kanzler Amtshilfe im Kampf um ein ihr eigentlich nicht zustehendes Rückkehrrecht an die Hochschule bekommen habe.Ein Rückfahrschein also, gut dotiert und komfortabel ausgestattet mit einem bezahlten Wiedereinstiegssabatical. Außerdem, so die Staatsanwälte, sei es möglich, dass Wende die Hochschulgremien im Zuge dieses Wechsels wissentlich über die Rechtmäßigkeit eines solchen Rückkehrrechts getäuscht habe.

Der Stand der Dinge ist auch, dass Waltraud Wende alle Vorwürfe zurückweist, an ihrem Amt festhält und dien von ihr mühsam erstrittenen Rückfahrschein längst wieder storniert hat. Der Druck, den die öffentliche Erörterung dieses Deals im Frühsommer auf die Landesregierung in Kiel erzeugt hatte, war viel zu groß. Ministerpräsident Albig hatte der von ihm geschätzten Professorin diesen Schritt nahe gelegt, sobald er die darin verborgene politische Sprengkraft erkannt hatte.

Politiker, die versuchen, und sei es nur aus gutem Grunde, den eigenen Vorteil zu sichern, in eigener Sache zu agieren statt andere agieren zu lassen, machen sich immer angreifbar. „Wara“ Wende, die Germanistin, kannte diesen Mechanismus offenbar nicht. Ihre Mails an den Kanzler, inzwischen längst landesweit im Wortlaut bekannt, strotzen nur so vor selbstgerechter Naivität. Wendes autoritäre Wortwahl zwang die Staatsanwälte quasi zu diesen Ermittlungen

Das ist schade, weil die Ermittlungen ein wenig ablenken von jenen Debatten, die Schleswig-Holsteins Politiker, Schüler, Eltern, Lehrer, Lehramtsstudenten, Kirchen, Unternehmen, Hochschulen jetzt eigentlich führen müssten. Die Deutschlands hoher Norden insgesamt führen müsste. Eine Schuldebatte, die sich gewaschen hat. Denn was die parteilose Ministerin Waltraud Wende in den gut zwei Jahren ihrer Ministertätigkeit vergleichsweise geräuschlos erreicht, manche würden vielleicht sagen: angerichtet, hat, sucht bundesweit seinesgleichen. Waltraud „Wara“ Wende ist die vielleicht umtriebigste, reformfreudigste, durchsetzungsstärkste Bildungspolitikerin unserer Zeit, die letzte Schulrevolutionärin sozusagen.

Wende hat zwar noch nicht die Gymnasien abgeschafft in Schleswig-Holstein, so unklug ist die 56-Jährige nicht; aber mit der Abschaffung der eigenständigen Ausbildung zum Gymnasiallehrer hat sie einen ziemlich großen Schritt von einem tendenziell zweigliedrigen Sekundarstufensystem zu einem eingliedrigen gemacht. Die Proteste gegen diesen Schnitt sind ebenso überschaubar wie diejenigen gegen die grundsätzliche Abschaffung der Schulnoten in Schleswig-Holsteins Grundschulen und das Ende des nach Konfessionen getrennten Religionsunterrichts. „Wara“ Wende, kein Zweifel, war drauf und dran, viele, viele Träume aller tausender Bildungsrefomer der vergangenen Jahrzehnte in die Wirklichkeit umzusetzen. Für die Opposition im Kieler Landeshaus war sie auf direktem Wege zur „Einheitsschule“, zum „Einheitslehrer“, zum „Einheitsschüler“, zu postsozialistischer, leistungsfeindlicher Gleichmacherei.

Es ist also kein Wunder, dass CDU und FDP an diesem Dienstag-Nachmittag zur großen Kanone greifen, eine Sondersitzung des Landtags für die kommende Woche beantragen und dort neben der Entlassung der Ministerin auch einen öffentlichen Kotau des Regierungschefs wollen. Torsten Albig (SPD) hatte sich in den vergangenen Monaten immer wieder massiv vor Wende gestellt, die Opposition wegen derer Angriffe getadelt und, so sehen es CDU rund FDP, in diesem Zuge auch den Landtag belogen. Es wird, keine Frage, einmal mehr eine muntere Woche werden im Kieler Landeshaus.

Die Landesregierung selbst, SPD, Grüne und SSW, hat jedenfalls schon Verteidigungsposition bezogen. Unschuldsvermutung, nichts nachgewiesen, nicht verurteilt, also kein Grund zum Rücktritt, so die in solchen Fällen übliche, aber selten über längere Zeit belastbare Argumentationskette. An ihrer Stärke hängt inzwischen nicht nur Waltraud Wendes politische Karriere.