Macht und sexueller Missbrauch waren am Karfreitag Thema auf Deutschlands ältestem Kreuzweg. Etwa 1000 Christen zogen bei kühlem April-Wetter durch die Lübecker Altstadt.

Lübeck. Rund 1000 Gläubige haben am Karfreitag am ökumenischen „Lübecker Kreuzweg“ teilgenommen. Er stand unter dem Motto „Ich bin gekommen, dass Sie das Leben haben“. Vertreter von Kirche und Gesellschaft widmeten sich in ihren Ansprachen an den fünf Stationen neben dem Gedenken an das Leiden und Sterben Jesu dem Thema „Missbrauch und gerechte Gebrauch von Macht“. Darunter waren Bischöfin Kirsten Fehrs, der Diözesanadministrator des Erzbistums Hamburg, Ansgar Thim, Schleswig-Holsteins früherer Ministerpräsident Björn Engholm sowie der katholische Lübecker Propst Franz Mecklenfeld und seine evangelische Amtskollegin Pröpstin Petra Kallies.

Der Diözesanadministrator des Erzbistums Hamburg, Ansgar Thim, mahnte zu bedenken, dass alle Menschen Geschöpfe Gottes sind. „Heute ist die Religion im Schwinden. Das bereitet uns Sorgen. Die Gefahr des Machtmissbrauchs wird dadurch größer.“ Es werde keine „letzte Instanz“ mehr anerkannt. Das berge die Gefahr in sich, dass sich Menschen an die Stelle Gottes setzten. Thim leitet seit dem altersbedingten Rücktritt vom Hamburgs Alterzbischof Werner Thissen die Erzdiözese bis zur Wahl eines Nachfolgers.

Bischöfin Fehrs sagte, der Karfreitag sei auch ein Gedenktag für die Opfer von Demütigung, Schlägen und sexuellem Missbrauch. „Es muss uns ein Dorn im Auge bleiben, dass Tag für Tag allein in Deutschland etwa 500 Kinder schwere Schläge und Misshandlung erleiden.“ Auch die Kirche müsse sich ihrer Schuld stellen, dass es sexuellen Missbrauch in ihren Räumen gegeben habe, so die Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck.

Der „Lübecker Kreuzweg“ gilt als ältester in Deutschland. Er geht auf das 15. Jahrhundert zurück und ist 1650 Meter lang, so lang wie die „Via dolorosa“ in Jerusalem. Seit 2002 gehen und beten katholische und evangelische Christen die fünf Kreuzwegstationen von der Jakobi-Kirche in der Altstadt zum Jerusalemsberg außerhalb der City gemeinsam. Im Zentrum der Kreuzwegstationen steht das Leiden und Sterben Jesu an Karfreitag.