Ministerin Wende verteidigt ihre umstrittenen Pläne, die Opposition beharrt auf Rücktritt. Ministerpräsident Albig stellt sich hinter seine Ministerin. Der Rechnungshof äußert Bedenken zur Reform.
Kiel. Mit einem Machtwort im Landtag hat Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) seiner mit Rücktrittsforderungen konfrontierten Bildungsministerin Waltraud Wende (parteilos) den Rücken gestärkt. Mindestens bis zum Ende der Legislaturperiode 2017 werde Wende weiter daran arbeiten, dass der Norden die beste Lehrerausbildung schaffe und die Schüler den besten Unterricht in Deutschland bekommen. Der Opposition hielt Albig vor, mit sprachlich überzogener Kritik für kriegsähnliche Verhältnisse zu sorgen.
CDU-Fraktionschef Johannes Callsen (CDU) wies dies zurück. Er gab der Landesregierung die Schuld für die verhärteten Fronten zwischen den Universitäten Kiel und Flensburg – Kiel hat jede Zusammenarbeit auf Eis gelegt. Albig habe einen Wortbruch begangen, weil er ohne Rücksprache mit der Kieler Universität Wendes Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht habe, sagte Callsen.
Wende verteidigte ihre Reformpläne offensiv. Mit dem neuen Gesetz „verbessern wir die Lehrerausbildung in Schleswig-Holstein in Kiel und in Flensburg“, sagte sie und rief zum konstruktiven Dialog auf. Dagegen hielten CDU, FDP und Piratenpartei der Ministerin fachliches, kommunikatives und menschliches Versagen vor. Die Ministerin sei heillos überfordert.
„Ihre Karriere als Ministerin ist eine einzige Aneinanderreihung von Pleiten und Pannen“, sagte der Piraten-Abgeordnete Uli König über Wende. „Sie hat Vertrauen verspielt und verbrannte Erde hinterlassen.“ Der FDP-Abgeordnete Christopher Vogt forderte Albig auf, einzugreifen, falls Wende nicht selber Konsequenzen ziehe.
Albig verfolgte lange die Debatte, teils mit verschränkten Armen, eher er selber ans Rednerpult ging. Bereits vor Beginn der Sitzung hatte er die Rücktrittsforderungen von CDU und FDP zurückgewiesen: „Was Sie da hören, ist Geschrei und Gekläff“. Der Gesetzentwurf sei ein kluger.
Dagegen hielt der CDU-Bildungsexperte Daniel Günther der Ministerin vor, einen Vertrag mit den beiden Universitäten gebrochen und einen „gefälschten Gesetzesentwurf“ vorgelegt zu haben. Er verwies auf die seiner Meinung nach viel zu niedrig angegebenen Kosten für den angestrebten Ausbau der Kapazitäten in Flensburg. Im Gesetzentwurf sind zusätzliche Personalkosten von 1,3 Millionen Euro jährlich und 1,2 Millionen Euro Investitionskosten für den Ausbau von Laboren in Flensburg genannt. Auch die Piraten halten die Zahlen für zu niedrig.
Nach Wendes Plänen sollen künftig Sekundarlehrer (für die Klassen 5 bis 13 an Gymnasien und Gemeinschaftsschulen) in Flensburg in 13 Fächern sowie in Kiel in deutlich mehr Fächern ausgebildet werden. Zwischen Ministerium, der Uni Flensburg sowie der Universität Kiel - die bisher Gymnasiallehrer ausbildet – waren im Herbst 2013 nur sieben Fächer für Flensburg vereinbart worden. Nun sollen in Flensburg naturwissenschaftliche Studiengänge aufgebaut werden und Labore entstehen – nach Ansicht der Opposition unsinnige, teure Doppelstrukturen. Die Universität Kiel hat rund 24 000 Studenten, in Flensburg gibt es etwa 4800 Studenten.
Im Landtag versicherte Wende, „wir stärken die Ausbildung an beiden Universitäten“. Flensburg werde fachwissenschaftlich profitieren und Kiel pädagogisch-didaktisch. Wenn die Kieler Universität neben ihrem exzellenten fachlichen Bereich auch ihre pädagogische Bereich stärke, „dann wird Kiel unschlagbar werden“.
Auch Albig betonte, das Land stehe natürlich zur 1665 gegründeten Kieler Universität. Ziel sei es, ein gleichwertiges Abitur an Gemeinschaftsschulen und an Gymnasien zu sichern – und dafür müsse es die Reform der Lehrerausbildung mit Sekundarlehrern geben, die an beiden Schularten bis zum Abitur unterrichten können. Bisher werden in Flensburg Lehrer nur mit Lehrbefugnis bis zur 10. Klasse ausgebildet. Die Opposition bekräftigte ihre Kritik, mit dem Vorhaben würden die Weichen zur Einheitsschule gestellt werden.
Albig hielt der Opposition vor, ihr gehe es allein darum zu verhindern, dass in Flensburg einige Professorenstellen zusätzlich geschaffen werden. Diese seien notwendig, um den Mangel an Lehrern insbesondere in Naturwissenschaften und Technik zu beseitigen.
Unterdessen forderte die Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Kiel ein Spitzengespräch zwischen Hochschulen, Politik und Wirtschaft, um den Standortstreit zu beenden. „Bei ohnehin unterfinanzierten Hochschulen können wir uns den Aufbau von Doppelstrukturen und eine Gefährdung unserer einzigen Volluniversität nicht leisten“, erklärte IHK-Präsident Klaus-Hinrich Vater.
Die Präsidentin des Landesrechnungshofes, Gaby Schäfer, äußerte am Rande der Parlamentssitzung Bedenken über das Reformvorhaben. „Es ist ausgesprochen problematisch angesichts der nicht ausfinanzierten Hochschullandschaft, die wir jetzt schon in Schleswig-Holstein haben.“ Über die im Gesetzentwurf genannten zusätzlichen Personalkosten von 1,3 Millionen Euro und 1,2 Millionen Euro Investitionskosten sagte Schäfer: „Das erscheint uns ausgesprochen gering.“ Zu den Berechnungen der Uni Kiel könne sie nichts sagen.
Laut Kieler Uni entstehen in Flensburg jährlich mindestens 5,7 Millionen Euro Mehrkosten allein in den vier Fächern Biologie, Physik, Chemie und Geographie. Hinzu kämen Investitionen von mindestens 55 Millionen Euro.
Ein Antrag der Opposition, den Gesetzesentwurf zurückzuziehen, scheiterte. Der Entwurf wurde zur weiteren Beratung in einen Parlamentsausschuss überwiesen.