Kiel wütend: „Landesregierung bevorteilt Flensburg bei Reform der Lehrerausbildung.“ Kooperation gekündigt. FDP-Fraktionschef Kubicki empfiehlt der Bildungsministerin dringend den Rücktritt.
Kiel. Was für ein gefundenes Fressen für Wolfgang Kubicki. Der FDP-Fraktionschef in Schleswig-Holstein reibt sich kurz die Hände und legt dann gleich los im Kieler Landeshaus: Er empfehle der Bildungsministerin dringend den Rücktritt. „Frau Wende ist in ihrem Amt heillos überfordert“, sagte Kubicki. Im Zweifel müsse Regierungschef Torsten Albig (SPD) eben nachhelfen. Ein paar Minuten später, ein paar Räume weiter legt die CDU nach: Der Rücktritt von Bildungsministerin Waltraud, genannt „Wara“, Wende sei unvermeidlich.
Es ist also wieder was los im Norden. Das Feuer, das schon eine Zeit lang geschwelt hatte, war am Dienstag vom Präsidenten der Kieler Christian-Albrechts-Universität (CAU) ordentlich angeheizt worden. In einem Interview mit den „Kieler Nachrichten“ warf Professor Gerhard Fouquet der Landesregierung vor, mit Tarnung, Tricks und Täuschungen daran zu arbeiten, die Kieler Hochschule von einer Spitzenuniversität zur Provinzhochschule degradieren zu wollen. Die Landesregierung, insbesondere die Bildungsministerin Wende, demontiere die CAU, um im Gegensatz die Flensburger Uni zu päppeln. Ein Vorwurf mit viel Geschmäckle: Wende (parteilos) war vor ihrem Wechsel in die Politik Präsidentin eben jener Flensburger Universität.
Die Kieler zogen dann auch empört durch nach ganz oben. Man sei von Regierungschef Torsten Albig (SPD) „maßlos enttäuscht“. Ausgerechnet der frühere Kieler Oberbürgermeister lege Hand an Schleswig-Holsteins wichtigsten Uni-Standort.
Die Kieler Professoren kündigten zugleich alle Hochschul-Bande zu den Flensburgern auf. „Es gibt keine Grundlage mehr für eine weitere Zusammenarbeit, denn der Standort Kiel ist höchst gefährdet“, wetterte Fouquet. Auch Bundes- oder EU-Mittel würden künftig nicht mehr gemeinsam, sondern solo beantragt. Im Übrigen gelte, so Fouquet martialisch, „wir werden für unsere Uni kämpfen, notfalls auf der Straße.“
Die Flensburger Uni, Profiteur der Reformpläne, wies die Angriffe der Kieler Kollegen strikt zurück. Die Annahme, Repräsentanten der Flensburger Hochschule hätten an den neuen Plänen „mitgeschrieben“, seien ebenso unberechtigt wie die Furcht der CAU vor Einschränkungen in ihren Ausbildungsgängen, erklärte der Flensburger Hochschulpräsident Werner Reinhart.
Anlass dieses schleswig-holsteinischen Hochschulspektakels ist die Reform der Lehrerausbildung, die die Bildungsministerin im vergangenen Jahr auf den Weg gebracht hatte. Danach sollen die Lehrer im Norden künftig nicht mehr getrennt nach Sekundarstufe eins und Sekundarstufe zwei ausgebildet werden, sondern gemeinsam. Das Ziel: ein Lehrer für alle Schulformen jenseits der Grundschule, befähigt, ihre Schüler sowohl in der Gemeinschaftsschule als auch im Gymnasium erfolgreich zum Abitur zu führen. Derzeit werden Gymnasiallehrer in Kiel, Lehrer für Gemeinschaftsschulen in Flensburg ausgebildet. Im vergangenen Jahr hatte man sich zunächst auf einen Modus Vivendi für das Reformvorhaben geeinigt. Danach sollten an der Pädagogischen Hochschule Flensburg künftig in sieben Fächern Lehrer ausgebildet werden, die auch an Gymnasien, also den Klassen 11 bis 13, unterrichten dürfen.
Das war in Schleswig-Holstein bisher nur in Kiel möglich. Mit diesen sieben Fächern, so der Kieler Uni-Chef, hätte man mit Mühe leben können. In der vergangenen Woche aber hatte Wende diese Zahl auf 13 Fächer erhöht. Auch die Naturwissenschaften sollten künftig in Flensburg angeboten werden. Man empfindet die Aufstockung als Kampfansage an die CAU.
Nun fürchtet man durch den Ausbau der Flensburger Uni einen drastischen Rückgang der Studierendenzahlen in der Landeshauptstadt, was dazu führen könnte, dass die Lehramtsausbildung in Kiel ganz abgeschafft werde. Das notorisch klamme Schleswig-Holstein werde sich auf Dauer zwei gleichwertige Uni-Studiengänge nebeneinander nicht leisten können, so die Befürchtung. Die rot-grün-blaue Koalition von Ministerpräsident Albig, so der Vorwurf der CAU, wolle eine „hochschulpolitische Wende“ einleiten, an deren Ende die stolze CAU wegen der Sparzwänge geschliffen werde. Die von der Bildungsministerin genannten Kosten für den Umbau der Lehrerausbildung seien aus taktischen Gründen schöngerechnet worden. Statt 1,2 Millionen Euro für Investitionen und 1,35 Millionen Euro jährlichen Mehrkosten für Personal werde Wendes Umbau mindestens 55 Millionen Euro plus mehr als fünf Millionen Euro Mehrkosten für das Land mit sich bringen.
Die Forderungen nach einem Rücktritt der Ministerin wurden zurückgewiesen
Eine Rechnung, die die Regierung unverzüglich zurückwies. Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) beteuerte in einer Pressekonferenz mehrfach, dass sie sich bisher immer auf die Zahlen der Bildungsministerin habe verlassen können und das auch diesmal tue. Sie habe da „volles Vertrauen“. Auch die Oppositionsforderungen nach einem Rücktritt der Bildungsministerin wurden zunächst kühl zurückgewiesen. Dafür bestehe nicht die Spur eines Anlasses, erklärte Regierungssprecher Carsten Maltzan. Das Kabinett habe einmütig Wendes Gesetzentwurf zur Reform der Lehrerausbildung zugestimmt, also auch Ministerpräsident Albig. An diesem Mittwoch, wenn „Wara“ Wendes Gesetzentwurf auf der Tagesordnung des Kieler Landtags steht, wird es also vermutlich recht hitzig zugehen.