Diese Autobahn bleibt ein Sorgenkind: Die A20 endet bis auf weiteres bei Bad Segeberg. Das Bundesverwaltungsgericht hat den Weiterbau gestoppt, weil die Planung nicht in Ordnung war. Der Wirtschaft macht der Zustand der Verkehrsinfrastruktur im Norden große Sorgen.

Kiel. Bekommt die Autobahn A20 kurz vor Bad Segeberg einen Wendehammer? Für die Wirtschaft im Norden ist das Szenario ein Graus, für Naturschützer eine Wunschvorstellung. Letztere kämpfen seit vielen Jahren gegen das Vorhaben, das der Kieler Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) in seiner Prioritätenliste auf Platz zwei hat - nach der Modernisierung des altersschwachen Nord-Ostsee-Kanals und noch vor dem Fehmarnbelt-Tunnel nach Dänemark. Am Mittwoch verfügte das Bundesverwaltungsgericht einen Baustopp für die A20 bei Bad Segeberg, weil es die Trassenplanung für rechtswidrig und den Schutz Tausender Fledermäuse für unzureichend berücksichtigt hält.

Das Urteil, mit dem die Richter den klagenden Naturschutzverbänden BUND und Nabu sowie der von einer geplanten Autobahnbrücke betroffenen Gemeinde Klein Gladebrügge recht gab, schockiert die Wirtschaft. Sie dringt seit vielen Jahren auf eine bessere Anbindung des strukturschwachen Nordens an die großen Wirtschaftszentren. Mit einer Elbquerung bei Glückstadt soll die A20, die vom Großraum Stettin bis Bad Segeberg fertig ist, auch die Metropole Hamburg und den staugeplagten dortigen Elbtunnel entlasten. Nun haben die Richter in Leipzig ein Großvorhaben gestoppt, das politisch stets umstritten war und in der Kieler Koalition aus SPD, Grünen und SSW (Südschleswigscher Wählerverband) immer noch ist.

Die Grünen treten seit langem in unterschiedlicher Schärfe gegen die A20 auf, die zum transeuropäischen Verkehrsnetz der EU gehört. Bei den Koalitionsverhandlungen 2012 erreichten sie, dass ein Weiterbau zunächst nur bis 2017 festgeschrieben wurde. Dann sollte die Autobahn immerhin bis zur A7 (Hamburg-Flensburg) reichen, die im Verkehr nach Skandinavien eine zentrale Rolle spielt. Aber daraus wird es bis dahin nun nichts, wie Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) bedauerte. Ihn ereilte die Hiobsbotschaft bei der Verkehrsministerkonferenz im thüringischen Suhl. Immerhin muss die Planung für den beklagten Zehn-Kilometer-Abschnitt südlich von Bad Segeberg nicht völlig neu aufgestellt werden. Aber auch die Fehlerbehebung wird zwei Jahre dauern.

„Das ist ein herber Rückschlag“, sagte Meyer. Im ersten Moment sei das Urteil schon frustrierend gewesen. „Aber wir wollen es heilen.“ Meyer kritisierte, die Verfahren für Großprojekte in Deutschland dauerten viel zu lange. Sein grüner Koalitionspartner frohlockte dagegen. „Politik und PlanerInnen sollten endlich begreifen, dass man Straßen nicht mit dem Betonkopf durch die Wand bauen kann“, sagte die Umweltpolitikerin Marlies Fritzen.

Das Urteil entfachte umgehend den üblichen Streit um Schuldzuweisungen. CDU-Verkehrsexperte Hans-Jörn Arp hielt dem seit knapp eineinhalb Jahren SPD-geführten Ministerium vor, es habe in letzter Minute noch Papiere nachgereicht und damit diese Klatsche verdient. Die CDU habe von 2005 bis 2012 vier Verkehrsminister gestellt, die in dieser Zeit keine saubere Planung hinbekommen hätten und deshalb verantwortlich seien, konterte Kai Vogel von der SPD.

Unabhängig von solchen Hakeleien macht vielen im Norden der Zustand der Verkehrsinfrastruktur insgesamt große Sorgen. Der Nord-Ostsee-Kanal, die meistbefahrene künstliche Wasserstraße der Welt, leidet unter altersschwachen, mehr als 100 Jahre alten Schleusen. Immer wieder fallen sie aus, so dass die Schiffe große Umwege fahren müssen. Die Modernisierung des Kanals wird noch Jahre dauern. Die für den Verkehr nach Skandinavien enorm wichtige Rader Autobahn-Hochbrücke über den Kanal bei Rendsburg ist seit Ende Juli wegen maroder Betonpfeiler für Lastwagen und Busse ab 7,5 Tonnen gesperrt. An diesem Freitag kann sie nach umfangreicher Sanierung auch für diese Fahrzeuge wieder freigegeben werden.

Zurück zur A20: Forderungen nach Konsequenzen aus dem Gerichtsurteil fielen absolut konträr aus. „Wir fordern die Landesregierung auf, die A20-Weiterführung endgültig aufzugeben, da die gesamte geplante Westumfahrung von Hamburg weitere wertvolle Naturräume und Arten bedroht“, sagte der Vorsitzende des Landesnaturschutzverbandes, Volkher Looft. Also Wendehammer. IHK und CDU verlangen dagegen mehr Planungsmittel für die A20, und CDU-Landeschef Reimer Böge will die Umweltverträglichkeitsprüfung sowie das Verbandsklagerecht auf den Prüfstand stellen.