Die Elbe steht im Wohnzimmer von Eckhard Panz. Seinen Fang kann er nicht mehr räuchern und verkaufen. Ein Flutopfer erzählt.
Hohnstorf/Elbe. Die Adresse ist verhängnisvoll: Elbdeich 28, 21522 Hohnstorf/Elbe. Eckhard Panz, 47, zieht die Zündschnur seines Fischerbootes. Der Motor räuspert sich, dann rattert’s. Das Boot schwimmt durch den Vorgarten seines Elternhauses. Seit gut 400 Jahren steht das alte Fischerhaus an diesem Ort, und zum ersten Mal steht es unter Wasser.
„Hier sind sonst Wiesen“, sagt der Mann mit den sonnenblonden Haaren und zeigt auf die Elbe. Die Elbe, die sein Elternhaus zur Insel macht. „Und irgendwo da unten sind meine 300 Netze. Keine Ahnung, ob sie noch da sind, wenn das Wasser weg ist.“
Eckhard Panz, seine Eltern, seine Frau und seine zwei Kinder sind Opfer des höchsten Elbhochwassers der Geschichte. Eine Familie von vielen. Eine, an der die Dramatik greifbar wird. Ob er etwas von den Hilfen bekommen wird, die Angela Merkel vis-à-vis in Lauenburg versprochen hat, weiß er nicht. Beim letzten Mal ging das Geld nur an die, die komplett pleite waren. Das wird er nicht sein, trotz erwarteter Schäden in fünfstelliger Höhe. Denn er hat Rücklagen. Das ist Familientradition.
Bis ins Jahr 1700 lässt sich die Fischerfamilie Panz hier zurückverfolgen. Weil ihre Vorfahren nah an ihrem Arbeitsort sein wollten, und weil sie sich nicht vorstellen konnten, welche Wassermassen einmal auf ihre Nachkommen zurauschen würden.
Bis 1940 hat es 40 Fischer gegeben in Hohnstorf, jetzt gibt es noch einen: Panz. Seit 65 Jahren verkauft die Familie Aal und Zander auf dem Markt in Uelzen. Als er mit dem Boot die eigentliche Elbe erreicht, weist der wettergegerbte Mann aufs Ufer: „Dahin ziehen sich die Fische zurzeit zurück.“ Ein leichter Fang. Doch wo schlachten, wo räuchern, wie verkaufen?
Panz muss warten, bis das Wasser weg ist. Er kümmert sich um seine Eltern, die zum ersten Mal in ihrem Leben nicht zu Hause schlafen. Weil zum ersten Mal in ihrem Leben die Elbe in dem Wohnzimmer steht, von dem sie sonst einen schönen Blick auf den Deich haben. Wie lange die jahrhundertealten Lehmwände zum Trocknen brauchen werden, weiß Eckhard Panz nicht. Er weiß nur: Vor August werden seine Eltern nicht zurückkönnen.
So hoch ist die Elbe noch nie angestiegen. Und sie wird es wieder tun, ist er sicher. Der Strom braucht mehr Überflutungsflächen, fordert er. Panz steuert zurück, stoppt am Deich, macht das Boot fest. „Das Wasser fließt weiter, und mein Leben auch.“ Den Betrieb aufgeben? Auf keinen Fall. Er hat zu viel und zu teures Gerät. Ab Sonnabend wird die Elbe das Haus verlassen haben. Dann fängt die Familie an, alles herauszureißen, was drinnen blieb in der Nacht, bevor das Wasser kam.