Zwei Babyleichen wurden bereits 2006 und 2007 gefunden. Drei weitere hat die Polizei in dem Haus der 28-Jährigen in Husum entdeckt.

Husum. Sie hatten dieselbe Mutter und wurden von ihr entsorgt wie Abfall. Ein neugeborenes Mädchen entdeckten Polizisten 2006 in einer Papiersortieranlage in Ahrenshöft, ein weiteres Baby 2007 in einer Plastiktüte auf einem Parkplatz an der B 201 in Silberstedt. Selbst hartgesottene Ermittler waren von den grausigen Funden schockiert.

Nach jahrelanger Tätersuche hat die Mutter der Babys gestanden, die zwei und noch drei weitere Neugeborene getötet zu haben. Im Keller des Wohnhauses der Frau, die mit ihrem Mann und zwei acht- und zehnjährigen Kindern in Husum lebt, wurden jetzt drei Babyleichen gefunden. Sie habe diese Kinder nach 2007 geboren, getötet und in Kartons versteckt, räumte die Hausfrau gegenüber der Polizei ein. "Als Motiv für ihre Taten gab sie an, dass sie die Befürchtung gehabt habe, von ihrem Mann verlassen zu werden, wenn sie ein weiteres Kind bekommen würde und die Familie sich deshalb mehr hätte einschränken müssen", sagt die Flensburger Oberstaatsanwältin Ulrike Stahlmann-Liebelt.

Mit Entsetzen haben viele Husumer auf das Geständnis der 28-Jährigen reagiert. Die Friesen-Metropole (22 000 Einwohner) liegt am Donnerstag unter einem grau-diesigen Himmel, es regnet unablässig. "Wir haben selbst fünf Kinder. Ich kann nicht verstehen, wie man so etwas tun kann, was in einem Kopf vorgeht, der zu so etwas fähig ist", sagt Hans-Heinrich Köpke, der am Husumer Hafen ein Fischereirestaurant betreibt. Wenige Meter weiter verkauft Zita Nickels Andenken. "Für mich ist es unbegreiflich, wie man Neugeborene, so kleine Würmchen, töten oder ihrem Schicksal überlassen kann", sagt sie. Ebenso unbegreiflich findet sie, dass dem Ehemann alle fünf Schwangerschaften entgangen sein sollen.

So aber hat es der Ehemann der Polizei erzählt. Als er von den Taten seiner Frau erfuhr, habe er einen "betroffenen und erschütterten Eindruck" gemacht, sagt Stahlmann-Liebelt. Dass niemand ihren gewölbten Bauch mit einer Schwangerschaft in Verbindung bringen konnte, dafür hat die 28-Jährige selbst gesorgt. Gegenüber der Polizei gab sie an: Sie habe sich zurückgezogen, nur noch weite Kleidung getragen und so auch vor ihrem Mann die Schwangerschaften geheim gehalten. Zwei Kinder habe sie zu Hause, drei im Wald geboren. Die erste Babyleiche habe sie in eine Mülltonne geworfen, die dann nach Ahrenshöft gebracht wurde. Die zweite Leiche habe sie mit dem Auto zu dem Parkplatz gefahren. Über Verhütung habe sie nicht ernsthaft nachgedacht.

Angst vor Armut war offenbar ein weiteres Motiv der 28-Jährigen, die nie Probleme mit dem Jugendamt hatte. "In einem gewissen Wohlstand" habe die vierköpfige Familie gelebt, und diesen Standard habe sie auch halten wollen. Bei weiteren Kindern fürchtete die 28-Jährige einen sozialen Abstieg.

Nach dem Fund der Babyleichen 2006 und 2007 hätten die Ermittlungen nach der Mutter einer Suche nach der Nadel im Heuhaufen geglichen, so Stahlmann-Liebelt. Hunderte Speicheltests in ganz Nordfriesland seien durchgeführt worden. Am Dienstag sind Polizisten bei der Frau in Husum gewesen und haben eine Speichelprobe genommen. Unmittelbar danach hat sie sich bei der Polizei in Flensburg gestellt. Dort habe sie die Tötung ihrer Babys gestanden. Seit Mittwoch befindet sich die Husumerin in Untersuchungshaft. Gegen sie wird wegen Totschlags in fünf Fällen ermittelt.

Immer wieder werden im Wald verscharrte, auf Dachböden oder in Tiefkühltruhen abgelegte Babyleichen gefunden. Meist werden diese sogenannten Neo- oder Infantizide von Müttern begangen. Erst im Juli hat eine 43-jährige Frau aus Ostertimke (Kreis Rotenburg) gestanden, sie habe ihre drei Babys bereits vor vielen Jahren unversorgt sterben lassen. Im Februar 2012 fanden Ermittler ein totes Mädchen in einer Plastiktüte in Hohen Neuendorf, ein Jahr zuvor gruben Polizisten in einem Garten in Jüterborg (beides Brandenburg) Überreste eines toten Kindes aus. Im Januar 2011 erstach eine Polizistin ihr Baby und vergrub es nahe der Wümme. Für einen der schockierendsten Fälle überhaupt steht der Ort Brieskow-Finkenheerd. Eine Frau hatte in der brandenburgischen Gemeinde neun ihrer 13 Kinder nach der Geburt getötet und unter anderem in Blumentöpfen verscharrt. 2005 waren die Babyleichen in einer Garage entdeckt worden.

Die Motive von Müttern, ihre Kinder zu töten, sind vielfältig. Bei Babymorden liegt häufig eine Psychose vor. Nicht selten verdrängen die Frauen aber auch ihre Schwangerschaften. Sie befänden sich nach der Geburt in einem "psychischen Ausnahmezustand", sagt der Kriminologe Christian Pfeiffer. "Aus Panik beseitigt man dieses Kind, weil es nicht zum eigenen Lebensentwurf passt."