Laut NDR rechnet ein Finanzanwalt aus Kiel für Kunden in Schleswig-Holstein mit einem Gesamtschaden von zehn Milliarden Euro.

Hamburg. Mitten in die Debatte über Sinn und Zweck der weltweiten "Occupy"-Bewegung könnte die Postbank im Norden für einen neuen Aufreger sorgen. Nach Recherchen von NDR 1 Welle Nord und des NDR "Schleswig-Holstein Magazins" fühlen sich viele Kunden der Postbank in Schleswig-Holstein um ihr Geld gebracht. Ihr Vorwurf: Falsche Informationen durch Finanzberater, die im Auftrag der Postbank tätig sind. Laut NDR sollen die für die Postbank arbeitenden Berater in Schleswig-Holstein in mehreren hundert Fällen Anlagen empfohlen haben, die für Privatkunden nach Ansicht von Finanzanwälten und Verbraucherschützern ungeeignet sind. Dabei soll das Geld von sicheren Sparbüchern oft in geschlossene Fonds oder andere, zum Teil spekulative Finanzprodukte gewandert sein.

Der Hauptvorwurf: Die Berater sollen den Kunden offenbar sichere Anlagen und hohe Renditen in Aussicht gestellt haben. Tatsächlich verloren alle Fonds aber deutlich an Wert. Außerdem sei das Geld auf Jahre nicht verfügbar. In einigen Fällen, sagt der Kieler Finanzanwalt Helge Petersen, drohten sogar Nachforderungen. So auch ei Petra Recht-Hansen aus der Gemeinde Brodersdorf bei Kiel. Ihre Familie bangt aktuell um rund 340.000 Euro, die unter anderem in Schiffsfonds oder Firmen stecken, die sich mit der Entwicklung von Computerspielen beschäftigen.

Laut Finanzanwalt Petersen soll den Kunden bei der Beratung nicht erklärt worden sein, dass es sich bei den Anlagen um Unternehmensbeteiligungen und damit um langfristige Investitionen handelt, die sich laut Vertrag erst nach Jahrzehnten wieder verkaufen lassen. Bundesweit rechnet der Anwalt mit einem Gesamtschaden von etwa zehn Milliarden Euro. Das wären deutlich höhere Verluste als bei den zweifelhaften Beratungen im Fall der insolvent gegangenen Investmentbank Lehman Brothers oder bei der Commerzbank.

Die Postbank weist die Vorwürfe der Falschberatung zurück. Zu Einzelfällen wollte man sich mit Hinweis auf laufende Verfahren nicht äußern. Generell lege man großen Wert auf anleger- und anlagegerechte Beratung, hieß es auf Anfrage. Sollten Beratungsmängel vorliegen oder die Postbank feststellen, dass eine Beratung nicht den vorgegebenen Maßstäben entspricht, biete man den Kunden im Einzelfall abgestimmte Regulierungen an.

Studie: Deutsche bangen zunehmend um ihre Altersvorsorge

Ungeachtet der Vorwürfe hat der Retail-Vorstand der Postbank, Michael Meyer, am Donnerstag eine Studie zur Altersvorsorge vorgestellt. Demnach machen sich die Bundesbürger angesichts der Schuldenkrise im Euroraum zunehmend Sorgen um ihre finanzielle Absicherung im Alter. Nur ein Drittel aller Deutschen, die noch nicht im Ruhestand sind, halte die eigene Altersvorsorge für ausreichend, sagte Meyer bei der Vorstellung der Analyse.

Jeder fünfte Berufstätige ab 50 fürchtet sogar, im Alter in die Armut zu rutschen. Die repräsentative Studie wurde im Auftrag der Postbank erstellt, das Institut für Demoskopie Allensbach befragte im August 1.800 Bundesbürger.

Mit Material von dapd