Offiziell respektvoll, intern manchmal despektierlich - auch Politiker verteilen Spitznamen. Im Kieler Landtag geht es besonders “lustig“ zu.
Kiel. "Ach, da kommt ja der 'laufende Meter'“ – gemeint ist Hans-Jörn Arp, der CDU-Landtagsabgeordnete aus Wacken im Kreis Steinburg. Der Wirtschaftspolitiker mit eher geringer Körpergröße weiß, dass ihn manche im Kieler Parlament so nennen, und als humorvoller Mensch hat er auch kein Problem damit. Andere Spitznamen für Politiker werden nur im kleinen Kreis gehandelt, und manche sind auch nicht wirklich respektvoll. Eine Abgeordnete mit Stachelfrisur findet auch schon mal als "Krawall-Igel“ Erwähnung. Den früheren CDU-Fraktionschef Christian von Boetticher titulierten Kollegen als "Prinz Charles“, den ewigen Kronprinzen.
Bei manchen Politikern sind es schlicht ihre Namen, die zu Sprachspielchen reizen. So war es für die Linke Ranka Prante nicht weit bis zu "Rapante Rapante“, in Anspielung auf den Maulwurf Rapante aus einer Puppen-Comedy von René Marik. Ganz öffentlich nannte FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki den Abgeordneten Heinz-Werner Jezewski "Jaruzelski“ - nach dem einstigen polnischen KP-Chef und Ministerpräsidenten, der 1981 in seinem Land das Kriegsrecht verhängte.
Auch seltsame Fantasienamen wie "Dr. Dingdong“ und "Klickerklacker“ sind im Kieler Landtag schon zu hören gewesen - Hochachtung für jene, die gemeint sind, sollen sie nicht gerade ausdrücken. Wie in Berlin die Kanzlerin muss auch in Kiel eine Politikerin als "Mutti“ herhalten, gemeint ist Monika Heinold von den Grünen wegen ihres erzieherischen Umgangs mit jüngeren Abgeordneten.
Viel verbreiteter als die erwähnten Spitznamen sind im politischen Geschäft bürokratische Abkürzungen. Wer den Regierungschef Carstensen nicht Peter Harry nennt, was viele tun, spricht im Apparat von "MP“, Ministerpräsident. Und wenn eine Sekretärin sagt: „'P' ist mit 'M' in Lübeck“, dann heißt das nichts Anderes, als dass der Pressesprecher den Minister in die Hansestadt begleitet hat. Den Termin hat wahrscheinlich "PR“ abgesprochen, also der Persönliche Referent. Involviert ist mit Sicherheit auch "LMB“, der Leiter des Ministerbüros.
Eine wichtige Rolle im gesamten Regierungsgefüge kommt "CDS“ zu, dem Chef der Staatskanzlei. Er ist natürlich auch dabei, wenn dienstags das CDU/FDP-Kabinett zusammentritt. Vor dessen Sitzung beraten – zumindest bis zur Landtagswahl im nächsten Mai – getrennt das "schwarze Kabinett“, also die Regierungsmitglieder der CDU, und das "gelbe Kabinett“, die FDP-Leute. Getagt wird in "Haus B“. Das heißt so, weil es zwischen "Haus A“ (heute Landtag) und "Haus C“ (heute Sitz für die Wasserschutzpolizei) steht. In Berlin gibt es übrigens auch ein "Haus B“: Das ist nach Betreiberangaben Berlins größter Club für Schwule, Lesben und deren Freunde.
Ein Club besonderer Art findet sich in Kiel jeden Freitag zusammen, der "Club der toten Dichter“. Dahinter verbergen sich die Pressesprecher der Landesregierung und ihrer Ministerien. Sie besprechen in der Runde, wie aus ihrer Sicht die vergangene Woche gelaufen ist und was in der nächsten so ansteht. Boshafte Äußerungen über einander und über Journalisten sollen bei der Gelegenheit auch gern fallen. „Die Veranstaltung ist von hohem satirischen Niveau“, schildert einer aus der "Dichter“-Runde. Er sagt es "unter B“: Damit will er nicht als Quelle für diese brisante Information offenbart werden. Wäre es "unter C“ gewesen, hätte der Schreiber dieser Zeilen die Aussage ganz für sich behalten müssen.