Jedes fünfte Kind in Schleswig-Holstein ist falsch ernährt. Bei jedem vierten Schulanfänger im Land liegt zudem eine Sprachauffälligkeit vor.

Kiel/Hamburg. Jedes zweite Kind, das in Schleswig-Holstein 2009/2010 in die Schule kam, hatte mindestens eine Auffälligkeit wie Über- oder Untergewicht. Bei jedem vierten einzuschulenden Kind lag eine Sprachauffälligkeit vor. Verhaltensauffälligkeiten oder Ernährungsstörungen wurden bei jedem fünften Kind festgestellt, wie Fachleute und Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) am Dienstag in Kiel bei der Vorlage des Berichts der Schuleingangsuntersuchungen 2009/2010 mitteilten. Fast 25.000 Jungen und Mädchen wurden von den Kinder- und Jugendärztlichen Teams der Gesundheitsämter untersucht.

Garg betonte, dass natürlich nicht jedes zweite Kind gleich eine Therapie benötige. „Draußen spielen und toben lassen, Mahlzeiten gemeinsam einnehmen und auch beider Mediennutzung Vorbild sein - all das kann dazu beitragen, ärzliche Therapie gar nicht erst notwendig werden zu lassen“. Garg appellierte an die Eltern, sich entsprechend um ihre Kinder zu kümmern - „statt fernsehen auch mal vorlesen, gemeinsam einkaufen und kochen, auch wenn das altmodisch klingen mag“.

Im Vergleich zu anderen Bundesländern sind Kinder in Schleswig-Holstein seltener übergewichtig oder von Allergien betroffen. Allerdings hätten die Kinder- und Jugendärztlichen Dienste zunehmend mehr Sprach- und Verhaltensauffälligkeiten festgestellt, betonte Garg. Sprachprobleme sind den Untersuchungen zufolge insbesondere bei Kindern aus bildungsfernen Haushalten anzutreffen. Übergewicht kommt demnach häufiger bei Jungen mit Migrationshintergrund vor. Seit zehn Jahren werden die Eingangsuntersuchungen wissenschaftlich ausgewertet.

Platzmangel an Schulen in MV und Hamburg

Hamburgs Schulen stehen derweil hoch im Kurs. Im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern kann sich die Hansestadt über einen Zuwachs an Schülern freuen. Wegen der kleineren Klassen führt das aber auch dazu, dass hunderte Schüler in Containern unterrichtet werden müssen.

Entgegen dem Trend in etlichen anderen Bundesländern ist in Hamburg die Zahl der Schüler erneut gestiegen. „Wir haben diesmal einen Anstieg der Schülerzahlen von 2500 Schülerinnen und Schülern über alle Schulformen“, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD) am Dienstag. Insgesamt besuchen mit Beginn des neuen Schuljahrs an diesem Donnerstag rund 240.400 Kinder und Jugendliche in Hamburg eine Schule. Die Zahl der Lehrerstellen erhöhte sich zum 31. Dezember 2010 im Vergleich zum Vorjahr um rund 540 auf insgesamt 16.412.

Nach den Auseinandersetzungen um die Schulreform, die in dem Volksentscheid zur Primarschule gipfelten, seien die Kämpfe um die Schulstruktur beendet, betonte Rabe. Nun gehe es darum, die Schulen selbst zu verbessern. So seien 28 neue Ganztagsschulen auf den Weg gebracht worden. Rabe kündigte an, in den nächsten drei Jahren alle 54 Hamburger Stadtteilschulen zu Ganztagsschulen auszubauen. Die Größe der Klassen sei mit Ausnahme der Gymnasien erneut reduziert worden. So umfasse eine neue Grundschulklasse im Schnitt 20,5 Kinder (Vorjahr 20,7) und eine Klasse an einer Stadtteilschule 23,1 Schüler (Vorjahr 24,1). Bei den Gymnasien erhöhte sich die Durchschnittszahl von 26,4 auf 27,6 Schüler pro Klasse – was aber immer noch unter den gesetzlichen Vorgaben von höchstens 28 Schülern liege.

Da das Sitzenbleiben in Hamburgs Schulen abgeschafft wird, würden den Schulen in diesem Jahr zusätzlich 7,8 Millionen Euro für Nachhilfe zur Verfügung gestellt, sagte Rabe. „Diese zusätzlichen Mittel sind umfangreich genug, um für jede Schulklasse in Hamburg (...) zwei Wochenstunden zusätzlichen Förderunterricht zu organisieren.“

Erfreut zeigte sich Rabe darüber, dass immer mehr Eltern von ihrem Recht Gebrauch machten, ihre Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf an allgemeinen Schulen anzumelden. Seien im vergangenen Jahr noch 746 Kinder neu in die 1. und 5. Klassen gekommen, seien es in diesem Jahr bereits 1139 Kinder. Für die Betreuung dieser Schüler stünden 4,8 Millionen Euro zur Verfügung. Damit sollen zum neuen Schuljahr 108 weitere Sozialpädagogen und Erzieher eingestellt werden.

Rabe räumte ein, dass in diesem Schuljahr mehrere hundert Kinder in mehr als 300 provisorischen Schulcontainern unterrichtet werden müssen. Allein die Verkleinerung der Klassen führe dazu, dass auf Dauer mindestens 200 zusätzliche Räume benötigt würden, was in etwa 13 kompletten Schulen entspreche, sagte Rabe.

Die CDU-Opposition kritisierte, dass nach wie vor kein Schulentwicklungsplan vorliege. Außerdem warf der CDU-Experte Robert Heinemann dem Senator vor, die Unwahrheit zu sagen. So stammten die 4,8 Millionen Euro für neue Sonderpädagogen und Erzieher nicht von seiner Behörde, sondern vom Bund und dienten eigentlich der Förderung von Hartz-IV-Schülern. Die GAL-Schulexpertin Stefanie von Berg betonte, dass etliche von Rabe präsentierten Projekte bereits in der vergangenen Legislaturperiode angeschoben worden seien. „Senator Rabe bindet einfach rote Schleifen um schwarz-grüne Pakete.“

Für 132.600 Schüler in MV beginnt das neue Schuljahr

Auch für 132.600 Schüler in Mecklenburg-Vorpommern beginnt am Montag wieder der „Ernst des Lebens“. Im neuen Schuljahr drücken rund 3000 Mädchen und Jungen mehr die Schulbank als im vorangegangenen, wie Bildungsminister Henry Tesch (CDU) am Dienstag in Schwerin sagte. Grund sind die nach der Mitte der 90er Jahre wieder gestiegenen Geburtenzahlen. So werden am Samstag 12.900 Erstklässler eingeschult nach 12.713 im Vorjahr.

Trotzdem wurden weitere öffentliche Schulen geschlossen, während zwei neue private Schulen an den Start gingen. Nunmehr gibt es 569 allgemeinbildende Schulen im Land, im vergangenen Schuljahr waren es noch 575. Aufgehoben wurden beispielsweise die Grundschulen in Tarnow (Landkreis Güstrow), Groß Gievitz (Müritzkreis) und Trent (Rügen) sowie die Förderschulen in Franzburg und Grimmen (Nordvorpommern). In Schwaan (Kreis Bad Doberan) und Penzlin (Müritzkreis) wurden die Grund- und die Regionalen Schulen jeweils zu einer Schule zusammengefasst. In Wittenburg (Landkreis Ludwigslust) wurde aus der Regionalen Schule und dem Gymnasium eine kooperative Gesamtschule. An privaten allgemeinbildenden Schulen – viele von ihnen werden von Kirchen oder Elterninitiativen getragen – lernen inzwischen 9,5 Prozent aller Schüler in Mecklenburg-Vorpommern.

Die Mädchen und Jungen im Land werden von 10 600 Lehrern unterrichtet, wie Tesch weiter sagte. 134 Pädagogen seien zum Schuljahr neu eingestellt worden, darunter 92 Berufsanfänger. Ausgeschrieben waren 186 Stellen, in manchen Fächern sei der Markt jedoch regelrecht leer gefegt. Um den Unterricht abdecken zu können, sei die nach dem Geburtenknick eingeführte Teilzeit für viele Lehrer an den öffentlichen Schulen weiter abgemildert worden. An den Grundschulen gelte bereits Vollbeschäftigung, an den weiterführenden erreiche der Beschäftigungsumfang inzwischen wieder 86 Prozent. „Mit dem Schuljahr 2014/15 wird diesen Lehrkräften die Vollbeschäftigung angeboten“, kündigte Tesch an.

Die derzeitigen Probleme, Lehrer für bestimmte Fächer wie Naturwissenschaften und Sprachen zu finden, seien gering im Vergleich zu den Herausforderungen ab dem Jahr 2015, sagte der Minister. Weil dann viele Pädagogen in Rente gehen, müssten pro Jahr 250 bis 300 Lehrer eingestellt werden, im Jahr 2019 erhöhe sich der Bedarf auf 500 bis 600. Mecklenburg-Vorpommern müsse schnell die Verbeamtung von Lehrern einführen, forderte Tesch mit Blick auf die Konkurrenz zwischen den Bundesländern.

Um Schüler mit Förderbedarf besser in die herkömmlichen Grundschulklassen integrieren zu können, laufen Tesch zufolge zweitägige Fortbildungen für alle Lehrer der ersten und zweiten Klassen. In den Förderschulen selbst sollen keine Erstklässler mehr eingeschult werden. Damit soll die in Mecklenburg-Vorpommern besonders hohe Zahl an Schülern in diesen Schulen verringert werden. Hintergrund ist, dass ein Förderschulabschluss nicht nahtlos zur Berufsausbildung führt und Mecklenburg-Vorpommern im bundesweiten Vergleich der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss nach hinten wirft. Im vergangenen Schuljahr verließen 4,8 Prozent der Schüler im Land die Schule ganz ohne Abschluss (Schulabbrecher), weitere 9,1 Prozent erhielten den Förderschulabschluss.

Für den Vorsitzenden der Linksfraktion im Landtag, Helmut Holter, sind die Ergebnisse der Schulpolitik in den vergangenen fünf Jahren nicht besser geworden. So sei die Zahl der Schulabbrecher gleich hoch geblieben, die Leistungen im Abitur mit einer Durchschnittsnote von 2,4 konstant. Er forderte bessere Arbeitsbedingungen für die Lehrer, vor allem eine Verringerung der Pflichtstundenzahl. Die Lehrer in Mecklenburg-Vorpommern geben pro Woche 27 Stunden Unterricht. Das ist eine der höchsten Unterrichtsverpflichtungen bundesweit, kritisiert auch die Lehrergewerkschaft GEW.

Der bildungspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Marc Reinhardt, wies die Kritik der Linken zurück. Unter Tesch hätten die Experimente an den Schulen aufgehört. Es sei somit für Kontinuität und stabile Rahmenbedingungen gesorgt worden. Das Ende der (Zwangs-)Teilzeit der Lehrer sei eingeleitet und der Weg zur Rückkehr in die Vollbeschäftigung gesichert worden. (dpa)