Weicher Asphalt bis Betonkrebs: Die Probleme auf der A1 sind vielfältig. Ergebnis: Staus, Baustellen und der Steuerzahler muss es ausbaden.

Hamburg. In der ADAC Staubilanz nimmt die A1 im bundesweiten Vergleich bedingt durch die vielen Baustellen einen Spitzenplatz ein. Insbesondere zwischen Bremen und Ahrensburg - in beiden Richtungen - sind die Verkehrsteilnehmer in diesen Wochen durch Erhaltungsarbeiten, die den Verkehrsfluss einschränken, besonders leidgeprüft. Hier ein aktueller Situationsbericht zu den Baustellen auf der A1.

Bremen – Buchholzer Dreieck

Seit August 2008 baut ein privates Konsortium als bislang größtes Projekt in öffentlich-privater Zusammenarbeit die Autobahn „Hansalinie“ zwischen der Weserstadt und dem Buchholzer Dreieck (Abzweig zur A261) auf einer Länge von 72,5 Kilometern in beiden Richtungen auf jeweils drei Spuren aus. Hinter der Projektgesellschaft A1 mobil stehen als Gesellschafter die Unternehmen Bilfinger Berger AG (42,5 Prozent), Laing Roads Ltd. (42,5 Prozent) und Johann Bunte (15 Prozent). Im Gegenzug gestattet das Bundesverkehrsministerium dem Konsortium, die Lkw-Maut auf dieser Strecke in den nächsten 38 Jahren zu kassieren. Über die Höhe dieses „Gegengeschäftes“ hüllen sich beide Seiten in Schweigen.

Für den Ausbau teilte das Konsortium die Autobahn in 26 Bauabschnitte auf, 13 je Fahrtrichtung. Anfang Oktober soll die dritte Spur zunächst in Richtung Hamburg freigegeben werden. Das verspricht für die Fahrer der pro Tag geschätzten 70.000 bis 80.000 Fahrzeugen (25 Prozent sind Lkw) eine erste Entlastung. Bis Ende 2012 sollen die letzten Abschnitte der A1 in Richtung Bremen dann ebenfalls mit drei Fahrstreifen ausgebaut sein. Vorausgesetzt, dass es nicht wieder Probleme mit dem „Offenporigen Asphalt“ (OPA) gibt. Anfang 2010 traten wenige Wochen nach Freigabe des ersten Teilstücks bei Stuckenborstel Risse und kurz darauf Schlaglöcher in der Fahrbahn auf, machte in den Medien als "Bröselbeton" und "Betonkrebs" die Runde. Eine erneute Sanierung wurde erforderlich.

Tank- und Rastanlage Stillhorn – Landesgrenze Niedersachsen

Noch bis November ist auf der A1 in Fahrtrichtung Süden zwischen der Tank- und Rastanlage Stillhorn und der Landesgrenze Niedersachsen eine 3,5 Kilometer lange Großbaustelle eingerichtet. Obwohl seit 2006 immer wieder Ausbesserungsarbeiten auf dem Abschnitt erfolgten, ist eine Grundinstandsetzung des Teilstücks, das aus den 1960er-Jahren stammt, erforderlich. Zuletzt war im März der Fahrbahnübergang an der Süderelbbrücke gebrochen. 7,2 Millionen Euro kosten die Arbeiten, die unter anderem eine Erneuerung von 53.000 Quadratmeter Fahrbahnfläche sowie auf der Süderelbbrücke eine Erneuerung des sogenannten Schrammbords am rechten Fahrbahnrand vorsehen.

Fahrbahnerneuerung Norderelbbrücke

Auch die Sanierung der wenige Kilometer weiter nördlich gelegenen Norderelbbrücke macht die A1 momentan wieder zum Nadelöhr. Besonders ärgerlich für die betroffenen Autofahrer: Bis November 2008 war die Brücke - erstmals nach 45 Jahren - acht Monate lang aufwendig instand gesetzt worden. Im Frühjahr 2010 taten sich dann wieder erste Risse im Fahrbahnbelag auf. 2,3 Millionen Euro kosteten die Arbeiten vor drei Jahren dem Steuerzahler. Dass jetzt schon wieder die Deckschicht der Fahrbahn für 1,2 Millionen Euro saniert werden muss, liegt an der Brückenkonstruktion selbst: Stahlbrücken verformen sich unter Last und lassen sich deshalb nur schwer asphaltieren. Experten des Bundesamtes für Straßenbau hatten deshalb 2008 zu einem neuartigen Verfahren geraten: Die Deckschicht wurde nur in einer Stärke von 2,5 Zentimeter statt der üblichen 4,5 Zentimeter mit niedrigen Temparaturen aufgebracht, da sich das Stahlblech bei Temperaturen über 250°C verformt. „Dieses Verfahren hat nicht funktioniert“, räumt Dr. Wolfgang Bätcke, stellvertretender Leiter Brückenbau im Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer, ein. Die Folge: Der „weiche“ Asphalt bildete schnell wieder Spurrillen.

Das Bauunternehmen, das die Arbeiten 2008 ausführte, wurde jetzt erneut mit der Sanierung beauftragt. Ob das im Zuge der fünf Jahre währenden Gewährleistung geschieht, ist laut Bätcke, „noch nicht hundertprozentig entschieden“.

Bargteheide – Bad-Oldesloe

Auch zu Lasten des Steuerzahlers wird wohl die gerade beginnende Sanierung der A1 zwischen Bargteheide und Bad Oldesloe gehen. Dabei ist das etwa sechs Kilometer lange Abschnitt erst im vergangenen Jahr von der Firma Reinhold Meister aus dem bayerischen Hengersberg saniert worden. Bei der Abnahme im vergangenen November zeigte sich dann, dass der Beton zu weich sei. Ein unabhängiger Gutachter bestätigte die Mängel.

Ein Vergleichsverfahren scheiterte: Als das Bauunternehmen eine Nachbesserung anbot, lehnte der zuständige Landesbetrieb Verkehr Schleswig-Holstein schließlich ab und zahlte nur einen Teilbetrag von 5,4 Millionen Euro des insgesamt 8,9 Millionen umfassenden Auftrags und kündigte den Vertrag mit Meister. Aus Haftungsgründen wurde die Teilstrecke im März wieder für den Verkehr gesperrt. Zeitgleich schrieb das Verkehrsministerium die erneute Sanierung europaweit aus. Zuschlag für den nunmehr 5,3 Millionen umfassenden Auftrag, der ab Anfang August bis Ende Oktober ausgeführt werden soll, erhielt die Firma Bickhardt Bau AG aus Kirchheim.

Das bayerische Unternehmen Meister beantragte unterdessen beim Landgericht Kiel ein Beweissicherungsverfahren. Das Gericht hat nun einen weiteren Gutachter bestellt. „Der jetzt berufene Sachverständige soll in den kommenden Monaten klären, ob das vom ursprünglichen Experten erstellte Gutachten grob fehlerhaft war oder nicht“, so Sebastian Brommann, Sprecher des Landgerichts Kiel. Wenn das in etwa drei Monaten vorliegende Gutachten Fehler aufweisen sollte, müsste das ganze Verfahren neu aufgerollt werden.

Da Anfang August die besagte Betondecke aufgenommen, zerkleinert und neu gegossen wird, hat die Firma Meister „vor zwei Wochen vorsorglich Betonkerne als Beweismittel gezogen“, so deren Rechtsbeistand, der Berliner Rechtsanwalt Marco Lorenz.

In den kommenden Wochen wird zwischen Bargteheide und Bad Oldesloe im Zwei-Schichten-Betrieb gearbeitet, „damit es so schnell wie möglich geht“, so Tamara Zieschang, Staatssekretärin im Kieler Verkehrsministerium.

Ein Ende der Arbeiten auf der A1 zwischen Hamburg-Ost und Lübeck – die laut ADAC von etwa 80.000 Fahrzeugen pro Tag frequentiert wird – ist aber nicht in Sicht. Weitere Staus sind programmiert: Bis 2016 wird in neun Abschnitten die Autobahn schrittweise in beiden Richtungen zwischen den beiden Hansestädten saniert.